Kapitel 28

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Erschöpft schlug ich meine Biologiebücher zu. Mein Kopf rauchte förmlich, und gelernt hatte ich erst nicht viel. Es war unglaublich viel zu merken, und ich wurde leider nicht von Sophie gestört. Sie wollte mich zwar anrufen, aber auch jetzt am späten Abend kam immer noch nichts von ihr. Ein Blick auf mein Handy bestätigte dies, kein Anruf oder Nachricht von ihr. Vielleicht ging die Geburtstagsfeier einfach länger. Stattdessen hatte mich Ethan angeschrieben. Erfreut antwortete ich ihm.

Nicht rangehen:
Hi du!

Ich:
Hey :) Wie steht's mit Bio?

Da ich nicht genau wusste worüber wir schreiben sollten, nahm ich die Schule als Zwischenthema. Wirklich originell Liv! Hoffentlich hielt er mich nicht für eine Streberin.

Nicht rangehen:
Miserabel -.- Bei dir?

Ich:
Furchtbar.

Nicht rangehen:
Und steht unser Treffen noch?

Ich:
Klar!

Ich freute mich, dass er nochmal nachfragte, denn es zeigte, dass das Treffen ihm genauso im Kopf herumspukte wie mir. Nachdem ich bei Sophie nachgefragt hatte, ob alles in Ordnung war, machte ich mich auf den Weg in die Küche. Ich hatte mächtig Hunger, lernen war eben anstrengend.

Ein Brötchen später ging ich mit einem Apfel in der Hand zurück in mein Zimmer. Ich hatte eine Weile mit meiner Mum geredet, und ihr von dem Treffen mit Ethan erzählt. Sie war zurückhaltend, gab sich aber sichtlich Mühe begeistert zu tun. Normalerweise konnte ich mit meiner Mutter über alles reden, aber Jungs stellten seit der Sache mit Robert eine Tabuzone dar, die wir bis jetzt gut überwunden hatten. Da es aber nun wieder jemanden gab, war es seltsam davon zu erzählen, auch wenn es für sie nur ein Kumpel war.

In meinem Zimmer bemerkte ich zwei entgangenene Anrufe von Sophie und rief sofort zurück. "Hey Sophie! Wo warst du denn? Wie war's bei deiner Tante?"

"Hi, war bisschen kompliziert mein Tag. Es war wie immer. Tante Clara ist jetzt zwar ein Jahr älter, aber schmeißt immer noch riesige Partys. Da waren zwei echt heiße Jungs, Söhne von irgendwelchen Bekannten, die waren total mein Ding. Uuuuund ich hab sie beobachtet..", fing sie an.

Das war Sophie wie sie leib und lebte. Ich unterbrach sie lächelnd. "Kürz es, wie ging's aus?"

"Hey du lässt mich gar nicht fertig erzählen! Aber weil du es bist, na gut, Zusammenfassung: Ich hab mit beiden geredet und die Handynummer von dem einen bekommen."

"Wie sieht er aus? Name? Alter?", wollte ich Infos wissen.

"18, Colin, blonde Haare, grüne Augen, er sieht einfach traumhaft aus. ", schwärmte sie. "Aber genug von mir, wir haben morgen Erdkunde, da bekommst du die ausführliche Fassung. Wie steht's bei dir? Was war in der Pause los?"

Ich druckste herum, und gab ihr dann ebenfalls eine schnelle Zusammenfassung. "Wir haben uns wieder geküsst und Ethan war total süß. Aber er ist ausgewichen, als ich gefragt hab, was das mit uns sei. Stattdessen hat er sich mit mir für Freitag verabredet und da will er reden.", erzählte ich und wurde in Gedanken schon nervös.

"Wie toll! Bestimmt fragt er dich ob ihr zusammen sein wollt! Ach wie süß!", sie seufzte. "Und ihr knutscht hinterm Schulhaus, das ist ja so goldig!"

"Aber was wenn er mich nicht fragt? Oder wenn er nur mit mir spielt?", zweifelte ich.

"Komm schon, Liv, etwas mehr Vertrauen in die Jungs! Und außerdem denk nach: Was willst du denn?"

Das war die Frage vor der ich mich fürchtete. "Ich weiß nicht.", sagte ich vage.

"Dann nochmal von vorne: Magst du ihn?", fing sie resignierend an.

"Ja schon, aber ich kenn ihn ja gar nicht richtig und.."

"Ok stopp bitte, das ja hat mir gereicht. Du magst ihn, und er mag dich wahrscheinlich auch. Gehen wir mal davon aus. Könntest du dir vorstellen mit ihm zusammen zu sein?", schoss sie mir die nächste Frage entgegen.

Uff. Ich schluckte. "Keine Ahnung. Vielleicht."

"Na also! Was ist denn das Problem?", fragte sie und ich hörte sie im Hintergrund mit einer Verpackung knistern.

"Was isst du?", fragte ich und war froh über die Unterbrechung.

"Schokolaaaade!", rief sie ins Telefon. "Hilft beim Nachdenken und eigentlich immer. Aber nicht ablenken, du Listige! Zurück zum Thema."

Ich ließ mich schlapp rückwärts auf mein Bett fallen. "Jaja. Schau, es ist kompliziert zu erklären. Wir sind so anders. Er ist gutaussehend, beliebt und reich. Ich bin unscheinbar und langweilig neben ihm. Zumindest äußerlich. Aber innerlich, spüre ich so eine Art Anziehungskraft zwischen uns. Es ist schwer zu beschreiben. Ich kann die Finger einfach nicht von ihm lassen, obwohl mein Verstand mir rät, es zu tun. Weil es dann nicht gut ausgehen könnte."

"Das hört sich so an, als wärest du ziemlich in ihn verliebt", gab sie schmunzelnd zu. "Und als hast du nur Angst, dass es so ist wie bei..du weißt schon.", fügte sie hinzu. "Und hör mal: du bist weder langweilig noch unscheinbar!"

Ja, das war Sophies Ansicht. In meiner Ansicht, war ich neben ihm schon etwas langweilig. Aber außerdem: So richtig verliebt? Nachdem ich ihn gerade mal eine gute Woche kannte? Das war unmöglich, oder?

Ich teilte genau diese Gedanken Sophie mit, und sie blieb einen Augenblick ruhig, während sie darüber nachdachte. "Also unmöglich ist es nicht. Ich glaube du musst einfach schauen, wie es sich weiter entwickelt. Und auf jeden Fall immer auf dein Herz hören! Und keine Angst haben."

Sophie war wirklich eine gute Freundin! Nach dem Rat, den ich mir zu Herzen nahm, redeten wir noch kurz über Ethan und mich, schweiften dann aber zu Hadley ab.

"Sie war total seltsam, oder?" Ich musste das einfach mal loswerden, es spukte schon den ganzen Tag in meinem Gehirn herum.

Sophie stimmte mir zu. "Als ich sie vorhin kurz angerufen habe, hatte ihre Stimme einen total merkwürdigen Ton. So als ob sie gelangweilt von mir wäre, und total gespannt auf etwas anderes. Als würde sie mir nur nebenbei zuhören. Nach zwei Minuten hat sie mich abgewimmelt, mit dem Grund sie hätte zu tun. Sowas sagt sie sonst nie!"

"Sag ich doch! Aber was ist los?" Ich grübelte über mögliche Ursachen von Hadleys Verhalten nach.

"Es kann alles Mögliche sein. Aber vielleicht irren wir uns auch nur, und sie hat heute einfach schlechte Laune."

"Ja, du hast Recht. Ich hoffe es zumindest.", sagte ich zweifelnd und auch Sophie klang nicht ganz überzeugt von ihrer Theorie.

"Sag mal hast du verstanden,..", fing sie daraufhin an abzulenken und wir telefonierten noch eine weitere Stunde über Bioaufgaben, denn der Test würde 20% unserer Gesamtnote ausmachen. Wie ich diesen Lehrer hasste.

Als ich anschließend auflegte und auf mein Handy sah, war es draußen schon dunkel. Nachdenklich setzte ich mich auf den Fenstersims und sah in den Himmel. Ich hatte einfach Angst, wieder fallen gelassen zu werden und wollte nicht verletzt werden. Sophie hatte schon Recht. Allerdings war das Bedürfnis, mit ihm zusammen zu sein größer als mein Selbstschutz. Zumindest momentan. Vor allem aber war ich gespannt, was Ethan am Freitag zu sagen hatte. Ich registrierte jetzt erst, dass er geantwortet hatte.

Nicht rangehen:
Gut, das freut mich.

Nicht rangehen:
Alles in Ordnung?

Wartete er auf meine Antwort? Ich hatte drei Stunden nicht geschrieben und schon fragte er, ob alles ok wäre. Ich musste Sophies Worte wiederholen, das war schon irgendwie süß.

Ich:
Ja, alles gut, ich hab nur telefoniert.

Nicht rangehen:
Achso. Also bis morgen :*

Es war tatsächlich schon nach 22:00 Uhr, aber ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass er jetzt schon schlafen ging. Waren Jungs normalerweise nicht bis spät in die Nacht mit Zocken beschäftigt oder so was? Ich sollte dringend weniger klischeehaft denken. Schließlich war ich auch nicht besonders klischeehaft, da ich fast nie vor Mitternacht schlief. Und ich war ein Mädchen. Jetzt konnte ich auch nicht schlafen, denn ich war durch die vielen Ereignisse heute total wach. Ich würde wohl noch eine Weile lesen.

Ich:
Bis dann :*

Closer to youWhere stories live. Discover now