Kapitel 71

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Mein Kopf lief auf Hochtouren. Statt bei einem gemeinsamen Grillabend, wie ich es eigentlich geplant hatte, lernten sich die Männer in meinem Leben nun auf andere Art und Weise kennen. Ein kurzer Blick in Hadleys Augen teilte mir mit, dass mein notdürftiges Klamottenzurechtziehen und mit den Fingern durch die Haare kämmen, nicht im Geringsten erfolgreich war, also ließ ich die Hand wieder sinken. Schwer zu verbergen, was hier abgelaufen war.

Stattdessen versuchte ich es mit einem freundlichen Lächeln, dass meine minimale Nervosität verbergen und für gute Stimmung sorgen sollte. Am Anti- Ethan- Kommando prallte es aber vollkommen ab. Sie musterten Ethan noch immer mit demselben Blick wie zu Beginn des Tages: Abwehrhaltung und Begutachtung. Durch Lucas, dem ich wirklich alles erzählte, hatten alle drei wohl einen Teil meiner Geschichte mitbekommen und waren nun misstrauisch, wie bei praktisch jedem meiner bisherigen Dates.

Da ich ihn aber als festen Freund vorgestellt hatte, war es nochmal etwas anderes, ich konnte es spüren. Hätte ich Ethan nur mal vorgewarnt, aber ich hatte ja nicht wissen können, dass heute plötzlich alle auf der Matte stünden. Ich hatte erst am folgenden Tag damit gerechnet. Er schien damit jedoch ganz souverän umzugehen. "Hey, ich bin Ethan.", stellte er sich nochmal vor, obwohl sie seinen Namen vermutlich inzwischen kannten, und gab ihnen die Hand. "Ihr seid bestimmt Livs Cousins, sie erzählt echt ständig von euch!" Dieser erste Schritt zusammen mit diesem umwerfenden Lächeln auf seinem Gesicht, hätten jedes Mädchen weich werden lassen.

Selbst Lucas, Jared und Alex schienen etwas weniger misstrauisch und ich schöpfte Hoffnung. Jetzt musste ein Masterplan her, damit sie nicht auf die Idee kamen ihn auszufragen oder überfürsorgliche Tipps zu geben. Ich zog mich schnell um und nahm dann Ethan an der Hand mit in den Garten, wo sich alle zum Familienfoto aufstellten. Immer schön der Konfrontation aus dem Weg gehen, spitze gemacht, lobte ich mich innerlich selbst.

Eine Stunde, viele Fotos und Gespräche später hätte ich mich für meine Bedenken selbst in den Allerwertesten treten können. Nachdem mein Dad die Jungs und Ethan in ein Gespräch verwickelt hatte, hatten diese ihre gemeinsame Leidenschaft gefunden und diskutierten lebhaft über die Vorzüge und Nachteile verschiedener Motorräder. Es schien fast als wäre Ethan ihretwegen hier, nicht meinetwegen.

Über eine heimliche Gedankenübertragung oder einfach durch Intuition hob er den Blick, als ich ihn bei der Unterhaltung beobachtete und zwinkerte mir so schelmisch zu, sodass ich gar nicht anders konnte, als zu grinsen.

Den Smalltalk mit meiner Tante, die im Grunde genommen nur jedes Detail über meinen neuen Freund wissen wollte, brach ich mit einer schnellen Ausrede ab und ging die wenigen Schritte zu ihm. Obwohl er theoretisch ja da war, brauchte ich Ethan in meiner Nähe. Musste ihn berühren. Er hatte sich immer und immer mehr in meinem Leben verankert und war inzwischen eine feste Konstante darin.

Nur neben mir zu stehen, war Ethan wohl auch nicht genug, denn sobald ich bei ihm war, zog er mich vor seinen Körper, verschränkte die Arme vor meinem Bauch und schaffte es währenddessen noch das Gespräch mit meinen Cousins nahtlos am Laufen zu halten. Ich war von seiner Gegenwart schon wieder fast zu eingenommen, schaffte es aber trotzdem mich am Gespräch zu beteiligen.

Als Ethan jedoch begann, völlig scheinheilig seine Hand in die Hosentasche zu stecken und mit seinem Daumen den kleinen Streifen Rücken, den mein Cut-Out-Kleid freigab, zu streicheln, war es um meine Konzentration geschehen. Ich spürte nur noch seine raue Haut auf meinem Rücken und bekam eine leichte Gänsehaut. Ich war versucht, mich einfach zu beschweren, aber ich wollte vor meinen Cousins nicht noch mehr Aufmerksamkeit darauf lenken, da sie momentan nichts mitbekamen. Also litt und genoss ich still und war insgeheim traurig, als sich die ersten Gäste verabschiedeten und Ethan mich loslassen musste.

"Wenn er seine Hände nicht bei sich behalten kann und dich trotzdem mit genau diesem Blick ansieht, ist er perfekt für dich, Liebes", flüsterte mir Tante Holly beim Umarmen ins Ohr und ihr Lächeln versprach mir beim Familiengrillen noch mehr löchernde Fragen, aber das war in Ordnung. Ich spürte irgendwie, dass Ethan hier aufgenommen wurde. Ich wusste nicht ob meine Eltern Vorarbeit geleistet hatten oder nicht, sondern freute mich einfach darüber.

Mit dem Versprechen, nächstes mal seine Harley mitzubringen, verabschiedete sich Ethan mit einem männlichen Handschlag von meinen Cousins und ging mit Nick ins Haus, der ihm seinen neusten Fußball zeigen wollte. Zuerst wollte ich hinterher eilen und auf ihn aufpassen, aber dann hielt ich mich zurück und ließ die Zwei gehen. Ethan konnte sehr gut mit Kindern umgehen, und mein Bruder sollte auch seine Zustimmung zu dem Ganzen geben, oder?

Ich wand meine Aufmerksamkeit wieder den Jungs zu. "Ich freue mich wirklich für euch, Liv.", sagte Lucas dann und die anderen nickten zustimmend. "Er scheint netter, als erwartet und man sieht sofort, dass er dich mehr als mag.", ergänzte Alex.

"Also findet er tatsächlich eure Akzeptanz?", fragte ich neckend und freute mich tatsächlich noch mehr.

"Falls er keine Scheiße mehr baut, ja. Und wir haben ihm deutlich gemacht, was dann passiert."
"Neandertaler!", rief ich und schlug sie alle gegen den Arm, als ich an mein letztes Date dachte und den warnenden Spruch von Luc, der besagtes Date zerstörte. "Aber danke für alles.", hängte ich noch an und umarmte alle zur Verabschiedung.

Der gemeinsame Familienbrunch zog sich inzwischen doch über den ganzen Nachmittag und es wurde langsam Zeit sich umzuziehen und zu meiner Party aufzubrechen. Ich war unglaublich gespannt, da ich abgesehen von der Gästeliste und der Uhrzeit von absolut nichts wusste.

"Bist du soweit?", fragte Had und wollte mich schon in mein Zimmer zerren, um anzufangen.

"Ich muss nur schnell schauen, was Ethan macht, nicht dass Nick ihn mit dem Fußball umgehauen hat und der letzte Rest Misstrauen von Mum ihn zur Türe rauswirft." Die kontrollsüchtige Freundin in mir hatte sich durchgesetzt, traf jedoch im Treppenhaus auf ihren vermutlich genauso kontrollsüchtigen Freund. "Ich wollte nur eben nach dir sehen", murmelte er.

"Dito.", gab ich schmunzelnd zu. Da der Rest der Familie im Keller war und Sophie und Hadley in meinem Zimmer, hatten wir einen Moment für uns. Auf den Treppenstufen sitzend gab ich meine Aufregung wegen der Party und meinem Outfit und der Ungewissheit zu. "Und außerdem fühle ich mich nicht mal wirklich anders oder älter." Ethan lachte nur und zog mich rittlings auf seinen Schoß. "Darling, du bist jetzt schon die Allerschönste für mich, egal was du noch anziehst. Die Party hat Had organisiert, du weißt dass sie nur super werden kann. Und außerdem siehst du seit heute morgen viel reifer aus."

"Das mit dem Aussehen sagst du nur, weil wir uns heute Nacht nicht gesehen haben, du total auf die ältere Liv stehst und hoffst, die Zeit zum Stylen anderweitig nutzen zu können.", durchschaute ich sofort seine Absichten, gegen die ich bei weitem nichts gehabt hätte, wäre es nicht meine eigene Party. Er hob eine Augenbraue und beantwortete die Frage mit einem sengenden Blick.

Sekunden später lagen seine Lippen auf meinen. Ich erwiderte den Kuss brennend und begann sachte meine Hüfte gegen seine zu bewegen. Trotz der Klamotten konnte ich seinen Körper spüren und mich durchfuhr ein stolzes Gefühl, wissend dass er mir gehörte. Aber auch mein Verlangen nach Ethan schien niemals weniger zu werden, die Sehnsucht schien eher zu wachsen.

Ich löste mich jedoch seufzend von ihm. "In circa fünf Sekunden wird Sophie aufkreuzen und mich von hier wegzerren." Meine Vermutung bestätigte sich, als Sophie am Treppenansatz auftauchte. "Wir fordern jetzt Olivia ein. Es ist ihre Party und sie muss dabei wie die Königin aussehen!", sagte sie energisch und untermalte ihre Worte mit Handwedeln.

"Geh schon!", sagte Ethan und entließ mich mit einem Klaps auf dem Hintern. "Alles wird gut, da bin ich sicher. Und ich bin die ganze Zeit an deiner Seite!", versuchte er nochmal auf meine Ängste einzugehen. Ich konnte ihn nur hoffnungsvoll anlächeln.

Mein Geständnis sowie unsere Auseinandersetzungen schwebten immer wieder in meinem Kopf herum, doch jetzt war nicht der richtige Augenblick um daran zu denken. So schwer es auch in manchen Momenten sein mochte, wir würden das hinbekommen. Und mit diesen Gedanken begab ich mich in die fähigen Hände meiner Mädels und hoffte auf das Beste. Denn manchmal kann man einfach nichts anderes tun.

Closer to youWhere stories live. Discover now