VII - Vinja (2/5)

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Rigund und Belfonso waren außer sich. Belfonso hatte begonnen, hektisch auf- und abzulaufen, nachdem er den Schaden mit eigenen Augen gesehen hatte. Dass er sich mehr und mehr Scherben und Glassplitter in die Sohlen seiner Hausschuhe rannte, schien ihn dabei nicht zu stören.

»Oh nein, oh nein«, jammerte er ohne Unterlass. Nur manchmal blieb er stehen, um einen Blick in die leere Öffnung zu werfen.

Rigund hatte sich nicht so einfach aus der Bahn werfen lassen, auch wenn Vinja ihr ansah, dass sie aufgewühlter war, als ihr auf den ersten Blick anzumerken war.

»Ha!«, hatte sie ausgerufen und seitdem nichts mehr gesagt. Sie rannte nicht auf und ab, sondern stand mit ihren Händen in die Hüften gestemmt da und starrte nach draußen.

Beide hatten sich noch nicht fertig gemacht für den täglichen Betrieb und trugen noch ihre Morgenröcke. Vinja stand im hinteren Teil des Verkaufsraums und beobachtete sie.

»Schluss jetzt!«, herrschte Rigund mit einem Mal Belfonso an, der sofort stehen blieb und sie überrascht anschaute.

»W... was?«, fragte er erschrocken.

»Deine Rennerei und dein Gejammer, hör auf damit! Du machst mich rasend! Benutze deinen Kopf anstatt deiner Füße!«

Vinja verbiss sich ein nervöses Grinsen. Normalerweise empfand sie eine gewisse Genugtuung, wenn ihre Eltern sich stritten. Nicht, weil sie es wirklich mochte, aber es tat ihr gut, wenn einmal nicht sie es war, die angeschnauzt wurde. In diesem Moment aber wünschte sie sich, dass ihre Eltern etwas unternehmen würden, anstatt sich zu streiten.

Belfonso, der selten um ein Widerwort verlegen war, auch wenn er fast nie offensiv antwortete, sondern sich wand wie eine Schlange um den Baum, nickte dieses Mal nur, bleib stehen und versank in Grübeln. Eine Weile sagte niemand etwas.

»Wir müssen die Scheibe ersetzen lassen«, sagte Belfonso schließlich und seine Stimme klang gequält, »das wird ein schönes Sümmchen kosten!«

Fast zeitgleich begann er, wieder auf- und abzulaufen und mit den Füßen Scherben zu sammeln, auch wenn er sich das Gejammer verkniff. Vinja schüttelte den Kopf. War das der Grund, weswegen Belfonso so wehleidig war, weil die Scheibe viel Geld kosten würde? An diesen Teil hatte sie selbst noch gar nicht gedacht, ihre Gedanken gingen in Richtung derjenigen, die ihnen die Scheibe eingeworfen hatten und was sie wohl als Nächstes unternehmen würden.

»Großartige Idee!«, Rigunds Stimme war voller bösem Spott. »Das ist ja schön, dass du am Ende deiner Überlegungen zumindest diesen wertvollen Gedanken fassen konntest!« Belfonso blieb wieder stehen und Rigund fuhr fort: »Aber hast du auch mal darüber nachgedacht, wer uns diese Scheibe ersetzen wird? Die Glaser hier im Viertel mit Sicherheit nicht!«

Belfonso warf einen Blick von Rigund zu Vinja.

»Das Gleißnerviertel!«, rief er nach einer Weile stummen Überlegens aus, »vielleicht gibt es einen Glaser im Gleißnerviertel!«

Vinja ahnte Schlechtes. Vermutlich würde es nur noch wenige Augenblicke dauern und ihre Eltern kämen auf den Gedanken, dass alles dafür sprach, sie zu schicken. Sie würde nicht auffallen, sie würde gute Preise bekommen und dergleichen mehr. Die Gründe, warum ihre Eltern sie durch die Gegend schickten, variierten je nach Anlass, aber Vinja hatte mittlerweile durchschaut, was dahinter steckte: Faulheit und manchmal auch noch eine Portion Feigheit. Daneben waren sie zu geizig, sich einen Boten zu leisten und so war Vinja ihre Botin. Fast machte sie sich bereit, sich einen Mantel zu holen, aber zu ihrer Überraschung blieb die erwartete Aufforderung aus.

»Na, dann los!«, herrschte Rigund mit einem Mal Belfonso an. Auch Belfonso war überrascht und machte den Mund auf, ohne etwas zu sagen.

»Los, los!«, Rigund machte ein paar wedelnde Handbewegungen, »Zieh dir was an und mach dich auf den Weg, oder willst du warten, bis er zufällig hier vorbeikommt?«

Belfonso schüttelte den Kopf, drehte sich um und verschwand die Treppe hinauf in den Wohnbereich.

»Und du«, Rigund wandte sich an Vinja, »machst hier sauber.«


Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz