V - Elno (4/4)

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Während sie weiterliefen, dachte Elno nach. Ihm schien eine wichtige Information zu fehlen, denn er verstand nicht alles, was Finiel sagte. Dann endlich kam ihm etwas in den Sinn.

»Von wem wurde Athea denn früher angegriffen?«

Finiel blickte überrascht zu Elno herüber.

»Mensch, manchmal vergesse ich einfach, dass du das alles noch nicht weißt, entschuldige«, sagte sie. »Wo fange ich am besten an?« Sie überlegte einen Moment, dann fuhr sie fort. »Es gab nicht immer nur unsere Drachen.«

Die Worte hatten auf Elno eine merkwürdige Wirkung. Vielleicht lag es an der Art, wie Finiel es sagte, auch wenn sie eigentlich ganz beiläufig gesprochen hatte, aber ein Schauer lief über seinen Rücken und für einen Moment kam ihm die Luft besonders kalt vor.

»Nicht nur unsere Drachen?«

Finiel blickte ihn an und es war, als ob ein Schatten auf ihr Gesicht fallen würde.

»Nein«, antwortete sie. »Es gab noch andere und sie waren ganz anders als die Drachen, mit denen wir hier leben.«

»Wie waren sie denn?«, fragte Elno.

»Da musst du jemanden fragen, der älter ist als ich«, antwortete Finiel, »Aber ich habe gehört, dass sie dunkel waren, fast schwarz. Größer als unsere. Sie hatten kein Fell und ihre Köpfe sollen denen von Schlangen ähneln.«

Auch wenn es helllichter Tag war, wurde Elno mulmig zumute.

»Was ist mit ihnen passiert?«, fragte er weiter.

Sie liefen jetzt durch einen Teil der Stadt, der recht einsam war. An den Seiten der schmalen Gasse, auf der sie sich befanden, ragten die Häuser höher auf als bisher.

»Sie sollen alle getötet worden sein«, antwortete Finiel.

Elnos Blick suchte den Turm, doch die Häuser um sie herum waren zu hoch, sodass man ihn von hier nicht sehen konnte.

»Der Mann auf dem Turm, er hält nach bösen Drachen Ausschau?«

Finiel nickte. »Zumindest wurde das wohl dort früher gemacht.«

Elno schwieg eine Weile, aber aus irgendeinem Grund ließ ihn das Thema nicht los.

»Wenn es keine anderen Drachen mehr gibt, wieso hält er dann Ausschau?«

Finiel lächelte.

»Jetzt weißt du, wieso die meisten es für Zeitverschwendung halten!«

Es dauerte nicht lange und sie kamen auf eine der Hauptstraßen Atheas. Hier herrschte einiges an Betrieb und es gab verschiedene Läden und auch ein Wirtshaus. Vor einem der Läden blieb Finiel stehen.

»Warte«, sagte sie und Elno blieb stehen. Er betrachtete den Laden und erkannte, dass sie vor einer Art Bäckerei standen. Ein Name war über der Tür angebracht, aber Elno gab sich keine Mühe ihn entziffern zu können.

»Ich schulde dir noch was«, sagte Finiel. Elno blickte sie verständnislos an. Was sollte sie ihm schulden?

»Als du nach Athea gekommen bist, hast du mir Sachen zum Aufbewahren gegeben, erinnerst du dich?«

Elno dachte kurz nach, dann fielen ihm die zerkrümelten Honinchen und der Apfel wieder ein. Als er daran zurückdachte, welche Sorgen er sich gemacht hatte, kam er sich albern vor. Trotzdem nickte er.

»Siehst du?«, fragte Finiel. Sie drehte sich um und verschwand in den Laden. Als sie wieder herauskam, hatte sie zwei Holzstäbchen in der Hand, an deren Ende sich jeweils eine faustdicke, braune Kugel befand.

»Hier!«, sagte sie freudig und überreichte Elno eines der Stäbchen. Elno nahm es und beäugte es vorsichtig, dann biss er hinein. Es war ein Apfel, der in Schokolade gehüllt war und er schmeckte ausgezeichnet. Finiel schien sich zu freuen, dass es ihm schmeckte. Sie liefen die Hauptstraße hinunter und da sie aßen, schwiegen sie. Elno fühlte sich sehr gut dabei.

Sie verbrachten den ganzen Tag im alten Athea. Finiel führte Elno überall herum und erklärte die Schwierigkeiten, die es mit sich brachte, in einer Stadt im Gebirge zu leben. Er erfuhr, dass es unmöglich war, etwas anzubauen und dass Athea und die Drachenreiter auf die Unterstützung aus den nächstgelegenen Dörfern und Städten angewiesen waren. Alles, was gebraucht wurde, musste von Drachen herauf geflogen werden.

»Solche Flüge sind bei den meisten sehr unbeliebt, aber wenn du mal raus aus Athea willst, kannst du dich freiwillig melden«, erklärte Finiel. Elno brauchte nicht zu überlegen, bevor er den Kopf schüttelte, denn er verspürte kein Bedürfnis, Athea zu verlassen.

Im Zentrum der Stadt stand das Heim von Urso, dessen hohen Wachturm Elno schon gesehen hatte. Ursos Heim war an vielen Stellen aus Holz und wirkte einladend und gemütlich. Ein Drachenreiter, der vor dem Eingang stand, nickte ihnen freundlich zu, als sie davor standen.

»Der Clan Urso ist der jüngste der großen Clans«, sagte Finiel, »und ging wie Ketenas Clan aus dem von Vuete hervor.«

Elno nickte, doch ihm schwirrte der Kopf. Finiel hatte ihm schon viel erzählt. Auch wenn er ihr besser folgen konnte als der alten Gimla, fiel es ihm zunehmend schwerer, alles aufzunehmen, was sie ihm sagte. Er war erleichtert, als Finiel schließlich sagte, dass es wohl Zeit würde, zurückzugehen.

Als sie die Treppe hinauf zum zentralen Landeplatz nahmen, ging die Sonne bereits unter und sie warfen lange Schatten über die alten Stufen der Treppe.

»Das war doch ein schöner Tag, oder nicht?«, fragte Finiel.

Elno nickte. Es hatte ihm wirklich sehr gut gefallen. Neben Finiel hatte er sich sicher gefühlt. Dann erinnerte er sich an das, was Manaron ihm über Höflichkeit beigebracht hatte.

»Danke«, sagte er schnell.

Finiel lachte.

»Mir macht es auch mehr Spaß, dir die Stadt zu zeigen, als Unterweisungen zu folgen. Ich hoffe mal, die nächsten Male werden dir auch noch gefallen.«

»Bestimmt«, antwortete Elno.

Später im Schlafsaal lag Elno schon im Bett, als Piules auftauchte. Er sah erschöpft aus und sank kraftlos auf seinem Bett zusammen.

»W...wie war es bei dir?«, fragte er Elno nach einer Weile.

»Gut«, antwortete Elno knapp. Er hatte eigentlich keine Lust, sich zu unterhalten, denn, auch wenn der Tag ihm gefallen hatte, so war er doch müde und wollte lieber seine Ruhe haben.

»B... bei mir w...war es schrecklich!«, sagte Piules. »Gitto hat gesagt, dass w...wir sofort los müssen und ich habe den ganzen Tag ge...ge...gefroren.« Er schnaufte laut. »Z...zum Schluss mmmm...musste ich alles aufschreiben, was er mir gesagt hat. E...er wwww...will, dass G...Gimla zufrieden mit ihm ist und dafür muss ich all...alles können, hat er gesagt.«

Er wedelte mit einem zusammengerollten Pergament.

»B...beim nächsten Mal will er mich abfragen, ist d...das nicht furfurfurchtbar?«

»Doch«, sagte Elno.

Piules tat ihm leid. Gleichzeitig war er froh, dass Finiel ihn davor bewahrt hatte, bei dem anderen Jungen zu landen. Er seufzte. Dafür würde es Piules vielleicht einfacher haben, wenn Gimla ihn das nächste Mal abfragen würde. Elno war sich nicht sicher, ob er bei Finiel ausreichend aufgepasst hatte. Neben ihm kroch Piules unter die Decke und auch Elno drehte sich auf den Rücken. Eine Weile dachte er noch an Finiel und wünschte sich, die Zeit bis zu ihrem nächsten gemeinsamen Tag wäre schon vorbei.

Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichOnde histórias criam vida. Descubra agora