V - Jorian (4/4)

2 0 0
                                    

Bevor sie am nächsten Morgen weiterzogen, wurde die Kutsche der Coldibs entladen und an die Seite der Straße gezogen. Das Gepäck wurde auf die anderen Karren verteilt und die Coldibs bestiegen wieder ihre Pferde. Zur Freude aller hatte sich der Himmel über Nacht aufgeklärt und die Sonne schien durch das Blätterdach. Jorian war froh, als sie den kleinen Wald hinter sich ließen und wieder auf offener Straße waren. Langsam trockneten seine Sachen und das Gefühl krank zu werden, das er noch in der Nacht gehabt hatte, verschwand.

Die Stimmung in der Reisegruppe besserte sich und am Abend holten auch die Musiker wieder ihre Instrumente hervor, alle, bis auf einen. Wie auch sonst hielt sich der Musiker mit dem breitkrempigen Hut abseits, mit dem Unterschied, dass Jorian sich von ihm beobachtet fühlte. Er war sich nicht ganz sicher, aber wenn er zwischendurch zu ihm hinübersah, meinte er, unter dem Schatten des Hutes in blitzende Augen zu sehen.

Das gute Wetter hielt sich und sie kamen besser voran als zuvor. Nach zwei weiteren ereignislosen Tagen teilte Luk ihnen mit, dass sie ihr Ziel wohl am frühen Abend erreichen würden.

Als die Sonne sich dem Horizont näherte, führte die Straße auf eine Hügelkuppe hinauf. Sie war breiter geworden und rechts und links von regelmäßig angeordneten Steinen begrenzt. Gegen Ende stieg sie fast steil an und Jorian war außer Atem, als er die Kuppe erreichte. Er blieb stehen, doch er tat es nicht nur wegen der Anstrengung. Auch die anderen hielten an. Alle ihre Blicke gingen hinunter in das Tal, welches sich vor ihnen erstreckte und in dessen Mitte prächtig und groß der Palast des Morgens lag. Gegen dieses fantastische Bauwerk wirkte selbst der Palast des Königs nicht mehr so beeindruckend, wie es Jorian bisher immer vorgekommen war. Der Palast des Morgens schien aus zahlreichen kleinen Palästen zu bestehen, mit Häusern und Hallen und Türmen mit glänzenden Dächern. Der Stein, aus dem der Palast errichtet worden war, war weiß und er reflektierte die warmen Farben der letzten Sonnenstrahlen. Um den Palast lagen weite grüne Wiesen, die wiederum von einem Hain aus Kirschbäumen umschlossen waren. Ihre roten und orangen Blätter vermittelten im schwindenden Licht den Eindruck, der Palast sei von einem flammenden Ring umgeben. Jorian hatte nie etwas vergleichbar Schönes gesehen und für einen Moment dachte er, dass sich alleine für diesen Anblick die Reise gelohnt hatte.

Es war ihm schwergefallen, sich auf das Ziel seiner Reise zu konzentrieren, aber jetzt, wo sie ihren Weg fortsetzten, war er aufgeregt und gespannt, was hinter den Mauern des leuchtenden Palastes auf ihn wartete.

Ihr Weg führte sie durch den Hain aus Kirschbäumen über die Wiesen auf ein breites Tor zu, dessen Flügel weit offen standen und von Soldaten in glänzenden Rüstungen rechts und links bewacht wurde. Als sie sich näherten, grüßten sie freundlich. Das Tor war schmuckvoll verziert und als sie hindurchtraten, sah Jorian, dass sich dahinter so etwas wie eine kleine Stadt befand. Kleinere Wege gingen rechts und links von der Straße ab und führten zu Häusern und Ställen.

Kaum waren sie durch das Tor getreten, verabschiedeten sich die ersten Mitreisenden und steuerten einen Gasthof an oder eines der anderen umliegenden Häuser. Es schien viele zu geben, deren Ziel nicht der Hauptpalast war. Jorian wurde nervös. Die Straße öffnete sich zu einem weiten Platz, an dessen anderem Ende sich der Eingang zum Palast befand. Eine weitläufige Treppe mit verziertem Geländer aus Stein führte hinauf zu einem Portal, in dessen Holz Bäume und Blumen geschnitzt waren. Eine Reihe von Wachen standen regungslos links und rechts der Treppe. Über ihre Rüstungen trugen sie rot-gelbe Waffenröcke.

Grob wuchtete die Frau Jorians Gepäck vom Karren und warf ihm den Rucksack vor die Füße.

»Hier«, sagte sie nebensächlich und ohne ihm weiter Beachtung zu schenken, begann sie, auch das restliche Gepäck zu entladen.

Jorian hob seinen Rucksack auf, der immer noch nass und klamm war und einen muffigen Geruch verströmte, murmelte einen Abschied und ging dann einige Schritte über den Platz, ohne zu wissen, wo er sich hinwenden sollte. Die Gruppe schien ihm fast völlig zerfallen zu sein und unter den Personen, die sich an den Karren zu schaffen machten oder aus anderen Gründen über den Platz liefen, entdeckte er mit einem Mal kaum mehr vertraute Gesichter.

Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon