VI - Elno (2/4)

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In seinem Traum wanderte Elno einen steinigen Weg entlang. Erst lief er, dann rannte er, denn irgendetwas verfolgte ihn. Doch schien dieses Etwas nicht nur hinter ihm zu sein, sondern sich langsam von allen Seiten auf ihn zuzubewegen. Endlich entdeckte er eine kleine Ansammlung von Hütten. Vielleicht würde er sich dort verstecken können? Er lief weiter, bis er den Platz zwischen den Häusern erreicht hatte. Die Hütten um ihn herum waren klein und gedrungen und ihre Fenster dunkel. Vorsichtig näherte Elno sich der ersten Hütte. Er sah, dass ein Symbol auf der Tür eingeritzt war. Es war das Symbol des Clans von Ketena, wie er es auf Finiels Umhang gesehen hatte. Zwei gekreuzte Pfeile. Als er die Hütte betreten wollte, konnte er die Tür nicht öffnen. Es war, als hielte sie jemand von innen zu.

Nervös versuchte Elno es an einer der anderen Türen. Auch hier fand er ein Symbol. Auf die Tür war ein Hahn ins Holz gebrannt. Hier war der Türknauf so heiß, dass er sich die Hand verbrannte, als er ihn berührte.

Die nächste Tür, der er sich zuwandte, war aus reich verziertem Holz. Eine Schnitzerei in der Mitte zeigte einen Baum mit starken Wurzeln. Die Tür schien zwar nicht verschlossen zu sein, doch ließ sie sich nicht bewegen, als er es versuchte.

Elno spürte einen stärker werdenden Drang, endlich irgendwo hineinzugelangen. An einer Tür, auf die jemand mit silberner Farbe einen Kelch gemalt hatte, war der Türöffner so weit oben, das Elno nicht daran kam.

Nur noch eine Hütte war übrig. Als Elno sich zu ihr umdrehte, stellte er fest, dass es seine eigene Hütte war, in welcher er mit Nela und seinen Eltern gelebt hatte. Hier wollte er nicht hinein, er fürchtete sich zu sehr vor dem, was er im Innern vorfinden würde. Doch er wollte auch nicht hier draußen bleiben, wo sich eine dunkle Bedrohung rings um die Hütten sammelte. Ängstlich setzte er einen Fuß vor den anderen, bis er direkt vor der Hütte stand. Er betrachtete die Tür. Sie hatte sich kaum verändert und Elno entdeckte Astlöcher und Spalten, durch welche er früher einmal hindurch geblinzelt hatte, wenn er wissen wollte, was drinnen vor sich ging. Doch zu seiner Verwunderung sah er noch etwas anderes. Auch diese Tür hatte ein Symbol. Es war blass und kaum zu erkennen, aber es war da. Vorsichtig fuhr Elno mit den Fingern über das Holz und die Furchen, welche zusammen ein Bild ergaben. Er trat einen Schritt zurück, um zu erkennen, was für ein Symbol hier eingeritzt war und noch während er zurücktrat, ging plötzlich ein weißes Leuchten von den Formen aus. Erst schwach und dann immer stärker, bis er genau erkennen konnte, was ins Holz geritzt war.

Es war der Kopf eines Drachens.

Während er noch voller Verwunderung das leuchtende Symbol betrachtete, wurde ihm mit einem Mal heiß. Doch die Hitze kam nicht von außen, noch war es eine gewöhnliche Hitze. Sie schien aus ihm selbst herauszukommen, von irgendwo weit unten. Dann war Elno, als könne er ein Brausen hören, das Geräusch lodernder Flammen. Er konnte es spüren, das Feuer brannte in ihm selbst und nach und nach kam es empor. Fast panisch betrachtete er seine Hände, sah, wie sie erst rötlich und dann weiß zu glühen begannen. Jetzt schienen die Flammen ganz über ihn zu laufen, brannten heiß über seine Haut.

»Nein!«, schrie Elno, voller Angst, die Flammen würden ihn verbrennen.

Doch das taten sie nicht. Und während er noch so da stand, die Bedrohung um sich immer noch spürend, gehüllt in weiße Flammen, schwang die Tür vor ihm mit einem Mal lautlos auf. Und dann hörte er aus weiter Ferne ein klopfendes Geräusch. Er erwachte.

Es hatte tatsächlich geklopft und kurz darauf hörte Elno Tymots Stimme.

»Tymot hier!«, rief dieser wie üblich. Dann öffnete er vorsichtig die Tür und kam herein.

Elno richtete sich auf und blinzelte. Er sah zum Fenster hinüber. Für einen Moment dachte er, es wäre die Morgendämmerung, doch musste er feststellen, dass es bereits Abend wurde.

»Bist du ausgeschlafen?«, fragte Tymot ihn, der eine Lampe und ein Bündel bei sich trug.

»Ja!«, stieß Elno mühsam hervor, denn Hals und Mund waren trocken.

»Schön, schön!«, sagte Tymot, »Dann musst du jetzt aufstehen. Der Zirkel tritt gleich zusammen und man erwartet deine Anwesenheit.«

Er legte das Bündel auf Elnos Bett.

»Was ist das?«, fragte Elno.

»Das sind Zeremonienkleider. Die Jungen und Mädchen tragen sie bei ihrer Aufnahme in die Clans. Da du heute aufgenommen wirst, sollst auch du ein Zeremoniengewand tragen.«

Elno stand auf und griff nach dem Bündel. In Stoff eingeschlagen fand er eine Hose, ein Hemd und einen Mantel, in welche an Ärmeln und Hosenbeinen weiße Webmuster in Form von Blätterranken eingewebt waren.

Umständlich zog er sich um.

»Gut, gut!«, sagte Tymot, als Elno fertig war, entzündete die Lampe und trat hinaus auf den Gang. Elno folgte ihm.

Gemeinsam liefen sie durch den Palast, bis sie das Tor zur Ratshalle erreichten. Zwei Wächter öffneten ihnen und machten den Weg frei in die Ratshalle.

»Geh nur hinein«, sagte Tymot. Als Elno einen zögernden Schritt nach vorn machte, bemerkte er, dass Tymot stehengeblieben war. Nervös drehte er sich um. Tymot nickte ihm zu und machte eine wedelnde Handbewegung.

»Geh, geh!«, sagte er noch einmal.

Elno drehte sich nach vorn und betrat mit klopfendem Herzen die Halle.

Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ