Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sich

VI - Elno (4/6)

Weit mussten sie nicht. Der Landeplatz des Clans von Vuete war zwar nur mithilfe eines Drachens zu erreichen, aber nicht weiter entfernt als die anderen Häuser. Der Landeplatz war klein, denn das Heim des Clans und seine Nebengebäude waren nicht wie bei den anderen Häusern in die Breite gebaut worden, sondern vielmehr in die Höhe. Die einzelnen Gebäude waren durch steile Straßen und viele Treppen verbunden und wirkten funktional und schlicht, abgesehen von den zahlreichen Fahnen, die das Symbol des Clans zeigten: den roten Hahn.

An den Landeplatz angegliedert war ein großer Drachenstall. Eine Reihe von Drachen lag auf Steinblöcken, welche am Rand des Landeplatzes standen und beäugten sie interessiert. Vielleicht lag es an der kantigen und scharfen Architektur der Häuser und der dominierenden Farbe Rot, aber es kam Elno so vor, als würden die Drachen wilder und kräftiger aussehen, als die Drachen, die im Clan von Ketena ihre Reiter hatten.

Ansonsten war wenig Betrieb, nur hier und da stand ein Grüppchen Drachenreiter herum, die sich unterhielten und Gitto und Elno nicht beachteten.

Gitto schaute sich um.

»Komm mit!«, sagte er zu Elno. Es war ein kalter Tag und Elno zog seinen Mantel zusammen, als sie gemeinsam eine schmale und sich windende Straße hinaufliefen, die laut Gitto zum eigentlichen Heim des Clans führte.

»Vuete war ein starker und mächtiger Drachenreiter«, begann Gitto, noch während sie liefen. Da der Weg steil war, machte er immer wieder Atempausen zwischen seinen Sätzen.

»Er war der Erste, der sich traute, mit den alten Traditionen zu brechen, die noch aus vergangenen Zeiten stammten, an die sich niemand mehr erinnern konnte. Als er begann, Regeln zu ändern und die Lehren über die Drachen zu erneuern, spaltete sich der alte Drachenclan. Viele der jüngeren Drachenreiter sollen damals mit Vuete gegangen sein, der hier sein eigenes Heim errichtete. Auch achteten ihn wohl viele wegen seiner Stärke.«

Die Straße machte eine weitere Biegung und endete an einer schmalen Treppe, die sie hinaufstiegen. Elno atmete schwer und er wunderte sich, dass Gitto immer noch genug Luft hatte, weiterzusprechen.

»Aber es waren nicht nur seine Anhänger, die seine Stärke schätzten, sondern Vuete schätzte andersherum vor allem jene, die stark waren. Er förderte den Wettstreit und seit jeher ist der Kampf ein wichtiger Teil des Lebens im Clan.«

Sie erreichten das Ende der Treppe und folgten nun wieder einer Straße, an deren Seiten kleine und schmale Häuser standen. Jene, die zur Bergseite standen, wirkten, als ob man sie in den Fels hineingeschlagen hätte.

»Das wiederum gefiel auch nicht allen und eine seiner stärksten Anhängerinnen erbaute ihr eigenes Heim und gründete ihren eigenen Clan.«

Das war Elno neu. Er versuchte, in seinem Kopf alles zu sortieren, was Finiel ihm erzählt hatte, aber er kam nicht darauf, welchen der Clans Gitto meinen konnte.

»Welchen Clan?«, fragte er keuchend.

Gitto warf ihm einen amüsierten Blick zu.

»Unseren Clan, Elno!«, sagte er nicht ohne Stolz in der Stimme. »Ketena war wie Vuete eine mächtige Drachenreiterin. Gegenüber Vuete schätzte sie aber immer auch den Zusammenhalt. Auch sie mochte die Stärke, aber sie sagte, dass wahre Stärke nur durch Zusammenarbeit zu gewinnen sei.«

Sie hatten das Ende der Straße erreicht. Vor ihnen lag ein weiterer kleiner Platz und dahinter stand das eigentliche Heim Vuete. Elno erkannte es sofort, es war mit zahlreichen grau-roten Fahnen geschmückt. Der Platz schien auch als Übungsplatz genutzt zu werden, denn ein paar Jugendliche übten sich hier im Kampf. Elno blickte sich um, doch er sah niemanden, der ihnen etwas beizubringen schien. Und noch etwas fiel ihm auf. Die Jugendlichen trainierten mit echten Schwertern und nicht mit Holzwaffen.

Ein Junge, der gerade den Kampf zwischen einem großen Mädchen und einem etwas kleineren Jungen beobachtete, hob sein Schwert, deutete in ihre Richtung und sagte etwas zu den beiden anderen. Die beiden unterbrachen ihren Kampf und blickten zu Elno und Gitto. Nach einem kurzen Wortwechsel kamen sie zu ihnen herüber.