Virginia - Die Geister die ich rief!

Start from the beginning
                                    

Seine Handgelenke reibend beugte er sich etwas vornüber und atmete tief durch.
Er flüsterte ein paar beruhigende Worte auf niederländisch in seinen nicht vorhandenen Bart, welche ich aber leider nicht verstand. Mir ging die Frage unvermittelt durch den Kopf, ob sich Sprachen in den Jahrhunderten wirklich so stark verändert haben konnten, dass sie mir jetzt noch fremd waren? Dazu vielleicht später noch mehr.
„Ihr seid ein Geist und sollt mich heimsuchen, richtig? Ich soll meinen Verstand verlieren, damit eure Leute sich an uns bereichern können. Ich habe davon gehört. Meine Großmutter hat mich immer vor solchen Geistern gewarnt!" Gerries Stimme klang ehrfürchtig aber zugleich auch ängstlich. Er glaubte an diese Ammenmärchen.
„Nichts dergleichen haben wir vor, Master van den Kieboom. Wir wollen lediglich wissen WER euch hier auf diese Spur angesetzt hat. Danach könnt ihr wieder eurer Wege ziehen. Vergesst nicht, IHR habt uns zuerst angegriffen und wir haben jedes Recht gehabt uns zu verteidigen. Also, raus mit der Sprache!" Haytham hatte sich seiner jetzt angenommen und stand mit verschränkten Armen im Rücken vor ihm, so wie er es auch bei einer Standpauke für unseren Sohn machte.

Van den Kieboom seufzte tief, ließ ich auf seinem Stuhl nach hinten sinken und sah meinem Mann direkt in die Augen.
„Nicht nur ihr suchtet nach Blackbeards Wrack. Es sind einige diebische Gruppierungen hierher unterwegs oder waren es zumindest. Zwei Schiffe konnten wir schon, nun, an ihrem Eintreffen hier hindern." bei diesen Worten entwich ihm ein fieses Lachen. „Meine Bruderschaft oder besser gesagt mein Mentor hat mich beauftragt hier nach dem Rechten zu sehen und wenn möglich das Artefakt an mich zubringen. Dass es tatsächlich auf der Queen Anne's Revenge sein soll, glaubte ich erst nicht und konzentrierte mich auf private Aufzeichnungen von diesem Piraten." sein Blick ging durch den Raum auf der Suche nach etwas.
„Oh, ihr glaubt, auch er wird euch heimsuchen?" Edward gluckste bei seinen Worten und ich sah, er überlegte ob er es wahr machen sollte. Nur so zur Einschüchterung versteht sich.
„Ihr könnt mir keine Angst machen, Mann!"
Mein Schwiegervater zuckte nur kurz, was den Befragten sofort wieder kreidebleich werden ließ!
„Ich bin nicht fündig geworden!" fluchte Gerrie mit enttäuschten Blick auf uns Anwesende.
„Irgendwo musste sich ja diese Kiste verstecken mit dem Buch..." er war lauter geworden vor Wut.

Buch? Wir suchten aber nach dem Sonnenstein! Ich verbiss mir diese Bemerkung, weil er also wegen einer ganz anderen Sache nachforschte.
„Wie sieht dieses Buch denn aus, Master van den Kieboom? Wenn ihr es beschreibt, können wir vielleicht schon sagen, ob wir es unten gefunden oder gesehen haben. Aber seid versichert, alles was dort aus Papier gelagert wurde, zerfällt beim bloßen Anschauen schon. Vermutlich werdet ihr zu spät kommen!" Edward schaltete sich wieder ein. Dieses mal auf die etwas freundlichere Art, Odin sei Dank.
„Es ... es ist in dunkles Leder gebunden mit Goldecken und goldenen Buchstaben auf dem Deckel. Ich weiß nicht, wie es heißt, weil ich die Sprache nicht beherrsche." da klang doch Trotz in der Stimme mit!
„Aha, also würdet ihr einfach ALLE Bücher die so ähnlich aussehen mit an die Oberfläche holen? Wisst ihr eigentlich wie viele davon in meinem Schiff lagerten?" dröhnte Thatch plötzlich hinter mir, so dass ich einen spitzen Schrei vor Schrecken ausstieß, nicht nur ich.
„Geht weg! Kommt mir nicht zu nahe! Ich schwöre, ich werde es nie wagen ..." japste Gerrie zitternd als die Erscheinung weiter auf ihn zukam. Sein hastiges Aufspringen als die beiden nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt waren ließ den Stuhl polternd kippen. Blackbeards Hand schnellte hervor und griff die Kehle des abgelenkten Gefangenen.

„Ihr wollt auf MEIN Schiff, ihr wollt MEINE Habseligkeiten unrechtmäßig an euch nehmen um EUCH zu bereichern! Ihr wisst doch gar nicht, was ihr mit diesem Buch anrichten würdet, wäre es erst einmal in euer aller unfähigen Hände." schrie der alte Pirat Gerrie an. Seine Fingerknöchel färbten sich unter dem Druck bereits weiß, wohingegen sich die Gesichtsfarbe des Befragten in ein sehr dunkles Rot änderte.
„Ed, lass den Jungen in Ruhe! Er wird nichts dergleichen tun. Das Buch ist nicht dort unten!" mein Schwiegervater versuchte seinen ehemaligen Freund zu besänftigen.
„Doch ist es! Ich habe es ja selber..." langsam drehte er seinen Kopf in Richtung Edward und grinste ihn an. „Du gerissener Hund!" so schnell seine Hand an der Kehle war, so schnell war sie auch wieder weg.
Er tätschelte noch die Brust des Mannes und ging ein paar Schritte zurück.
„Du hörst es, es ist anscheinend schon gefunden worden. Such also woanders und jetzt scher dich hier weg!" mit einer ausladenden Handbewegung deutete Blackbeard auf die Tür der Kajüte.
„Das ist MEIN Schiff, ich bin der Kapitän und ICH gebe hier die Befehle!" fauchte van den Kieboom jetzt mutig und selbstsicher. „Meine Crew wird euch sicherlich nicht tatenlos davon marschieren lassen."

Von schicksalhaften Zeitreisen und dem Ruf der Nornen - Part IIWhere stories live. Discover now