Kehrtwende

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Der Flug war lang, zu lang. Die meiste Zeit starrte ich ins Leere und versuchte immer noch zu begreifen, was da vor ein paar Stunden passiert war. Hatte ich es beendet? War es meine Schuld, dass ich ihn jetzt schmerzhaft vermissen würde, ohne jemals wieder die Chance zu bekommen, ihn wieder zu sehen? Aber auch hatte er nicht interveniert. Hatte mich nicht aufgehalten, mir gesagt, dass er... Ach, ich sollte aufhören darüber nachzudenken. Es war wirklich eine Schnapsidee zu glauben, dass zwei wie wir, aus Welten, die nicht unterschiedlicher sein könnten, eine gemeinsame Zukunft hätten haben können. Ich trocknete mir zum hundertsten Mal mein Gesicht mit meinem Ärmel.

Ich wollte mich zusammenrollen und laut schluchzen. Ich könnte locker dem Baby, dass ein paar Sitzreihen vor uns saß, Konkurrenz mit seinem Gebrüll machen. Es war nicht nur eine übermächtige Traurigkeit in mir, sondern ich war auch wütend. Auf mich, auf ihn und auf diese ganze bescheuerte Stadt. Wie sagte Lisa immer, in New York City passieren dir die tollsten Dinge. Wie kam sie nur auf so einen Blödsinn? Als toll würde ich das nicht bezeichnen. Okay, ich hatte mich verliebt und diese Gefühle würden wohl noch eine ganze Weile anhalten. Aber was hatte ich jetzt davon, außer Schmerz, der in meiner Brust saß und mich drohte zu ersticken. Liebe, wer brauchte das schon? Ich wollte wieder zurück in meinen Kokon. Da brauchte ich mich nicht mit so einer Scheiße, wie gebrochenen Herzen auseinandersetzen. Ich musste ihn vergraben, ganz tief in meinem Inneren, dass er nicht ständig an die Oberfläche ploppte und mir die Luft zum Atmen nahm. Eines stand fest, ich würde nie wieder im Leben einen Starbucks betreten.

Zu Hause angekommen, warf ich die Koffer in den Flur und ließ mich auf die Couch fallen. Trautes Heim,... bla bla. Sofort vermisste ich Harrys Appartement und wollte seine Arme um mich spüren. Verdammt, das mit dem Vergraben musste ich wohl nochmal üben. Er beherrschte schon wieder meine Gedanken.

Wir räumten die Koffer aus und ich stellte die Waschmaschine an. Grace ging auf ihr Zimmer und ich legte mich nach einer ausgiebigen Dusche in mein Bett. Ich schloss die Augen und sah sofort sein Gesicht. Fuck. Gott, ich vermisste ihn so sehr, dass es mir körperliche Schmerzen bereitete. Mir schossen die Tränen in die Augen. Ich presste mein Gesicht in das Kissen und konnte einfach nicht begreifen, warum es so weh tat. Es waren doch nur drei verdammte Wochen. Wie konnte man denn einen Menschen nach so kurzer Zeit so lieben? Das ergab einfach keinen Sinn. Das Universum hatte wirklich einen makabren Sinn für Humor.

Eine Weile später klopfte es an der Tür und Grace kam herein. Sie sah mich traurig an und ich wischte mir schnell übers Gesicht. Sie hielt mir mein Handy entgegen.
„Es ist Harry. Er hat schon ein paar Mal angerufen. Ich dachte, du schläfst, aber er meinte, ich soll dich wecken. Es wäre wichtig." Ich setzte mich auf und sah das Handy an, als hätte es eine ansteckende Krankheit. „Jetzt nimm schon." sagte Grace und warf es mir aufs Bett.
„Lou? Bitte geh ran. Es tut mir alles so leid." hörte ich ihn sagen.
„Hey." Etwas besseres fiel mir nicht ein.

„Lou, ich warte schon seit Stunden vor dem Handy, dass du mich anrufst. Ich habe mir Sorgen gemacht. Du wolltest dich doch melden, wenn ihr gelandet seid?" Darauf wusste ich erst mal keine Antwort. Wozu sollte ich mich noch bei ihm melden?

„Harry..." allein schon seinen Namen auszusprechen, tat weh „...ich dachte nicht, dass..." Ich schloss die Augen, denn ich war überfordert mit seinem Anruf. Warum machte er sich Sorgen? Jeder war wieder auf dem Kontinent wo er hingehörte und fertig.

„Bist du noch dran?" fragte er nach einer Weile.
„Ja." Ich rieb mir über das Gesicht, denn ich war müde. Den Flug über hatte ich nicht geschlafen und der ganze emotionale Stress, forderte den Rest meiner Kraft.
„Rede doch bitte mit mir." Ich lachte leise und fuhr mir durch meine noch feuchten Haare.
„Was soll ich denn sagen?"
„Ich weiß nicht, aber ich konnte mich noch nicht mal richtig von dir verabschieden. Du bist einfach gegangen." sagte er vorwurfsvoll.

Who we love - Larry StylinsonNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ