Brooklyn

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Über die Hälfte unseres Urlaubs war schon vorbei. Grace hatte mit Harry einen straffen Zeitplan erarbeitetet, dass wir auch keinen Punkt auf ihrer Liste vergaßen. Meistens rannte ich den beiden nur hinterher. Mich stresste die Aussicht bald wieder nach Hause zu müssen ungemein. Jeden Morgen, den ich mit Harry in meinen Armen aufwachte, machte mir bewusst, dass es immer einer weniger wurde.

Ich hatte eine Menge Fragen in meinem Kopf. Angefangen damit, wie es ihm gehen würde, wenn ich weg war? Er hatte einen starken Charakter, aber er war auch sehr zerbrechlich. Ich liebte diese beiden Seiten an ihm. Er scheute sich nicht zu weinen, aber auch nicht, ganz klar seine Meinung zu sagen und diese auch durchzusetzen. Aber gäbe es denn irgendeine Möglichkeit mit ihm zusammen zu bleiben? Wäre es wirklich zu verrückt, es wenigstens zu versuchen? Aber er wollte sicherlich nicht seine Zeit mit mir und Grace in einem Kuhdorf verbringen, wenn er New York City als Heimatstadt hatte. Gut, es war nicht wirklich ein Dorf, aber verglichen mit Manhattan, eher ein Kaff am Arsch der Welt. Aber ich mochte es dort. Mir fehlten die Ruhe und die Berge. Ich sehnte mich nach einem langen Spaziergang am See und den Sonnenaufgang von unserem Garten aus zu betrachten.

Aber er war nun mal hier. Ich streichelte sanft über seinen Kopf und er brummte vor sich hin. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen und gleichzeitig fingen meine Augen an zu brennen, da sich Tränen darin sammelten. Das Ablaufdatum rückte unaufhaltsam näher. Alles andere, was in meinem Kopf herumschwirrte, waren Wunschvorstellungen, die niemals eine Chance hätten. Unaufhaltsam liefen mir nun die Tränen über die Wangen. Ich wollte nicht heulen, aber ich konnte es einfach nicht verhindern. Es schmerzte jetzt schon, auch wenn er noch genau neben mir lag. Scheiße, wie sollte ich mich denn jemals von ihm verabschieden?

Und auch wenn die Stunden des Tages vollgepackt waren mit Museumsbesuchen, Schiffsfahrten, Restaurantbesuchen und Shopping, gehörten die Nächte nur uns beiden. Wir liebten uns jede Nacht und manchmal saßen wir danach noch eng aneinander gekuschelt auf der Terrasse und redeten.

Er erzählte mir von seiner Familie, die er bisher kaum erwähnt hatte. Seine Mum hatte ihn allein groß gezogen. Viel Geld hatten sie nicht und lebten in Brooklyn bis Harry nach seinem ersten Erfolg nach Manhattan umzog.

„Meine Mum ist wirklich die Beste. Ich liebe sie sehr, aber leider haben wir uns überworfen, als ich..." er stockte. Ich nahm seine Hand und küsste seinen Handrücken.

„Was ist passiert?" fragte ich vorsichtig.

„Es war ein schlimmer Tag. Erst hatte ich einen Streit mit Paul und dann begann ich zu trinken. Ich war schon ziemlich dicht, als meine Mum auftauchte. Sie wollte, dass ich endlich einen Entzug machte und hatte schon einen Platz in einer Klinik für mich besorgt. Ich erklärte ihr, dass es mir gut ginge und sie nicht über mich bestimmen konnte. Es fielen ein paar unschöne Worte und am Ende warf ich sie raus. Ich sagte ihr, dass ich sie nie mehr wieder sehen will. Am nächsten Tag, wurde mir bewusst, was ich getan hatte und versuchte sie anzurufen, aber sie ging nicht ran. Auch antwortete sie nie auf meine Nachrichten. Als ich aus dem Entzug kam, versuchte ich es erneut, aber... Es ist, wie es ist." Seine Stimme war traurig.

„Bist du mal persönlich bei ihr aufgetaucht? Ich meine, dann könnte sie dir nicht so leicht aus dem Weg gehen."

„Ich habe es probiert, Lou. Sie will mich nicht mehr sehen." sagte er und es klang wirklich so, als hätte er sich damit abgefunden. Aber ich kannte ihn besser.

„Wo wohnt sie? Immer noch in Brooklyn?"

„Ja, ihr gefällt es dort. Sie wollte in unserer alten Wohnung bleiben. Zu viele Erinnerungen in den vier Wänden, sagte sie immer." Er lächelte dabei.

„Lass uns morgen eine Tour nach Brooklyn machen. Vielleicht könnten wir ja bei ihr vorbeischauen?" tastete ich mich langsam vor.

„Was?" Mein Vorschlag ließ ihn zu mir herumfahren und er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.

Who we love - Larry StylinsonWhere stories live. Discover now