Eine lange ersehnte Reise

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„Paaapaaaaa, bist du bald fertig? Wir müssen los." hörte ich meine Tochter vor der Badezimmertür rufen. Laut meiner Uhr hatten wir noch genug Zeit. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und das warme Wasser der Dusche prasselte auf mein Gesicht. Verdammt, ich musste endlich mal diesen Duschkopf erneuern. Aber das wollte ich schon seit Wochen tun, aber immer vergaß ich es. Gut, darüber musste ich mir die nächsten drei Wochen nicht den Kopf zerbrechen.

„Papa, jetzt beeil dich doch mal. Wir verpassen noch das Flugzeug." Grace begann an der Tür zu klopfen.

„Ich komm ja schon." sagte ich und stellte das Wasser ab. Ich stieg aus der Dusche und trocknete mich ab. Schnell zog ich mir meine Klamotten an und hörte schon die Türklingel.

„Oma ist da. Ich sag doch, wir sind zu spät." murrte Grace und rannte zur Tür.

„Nein, sind wir nicht. Oma ist immer zu früh dran." rief ich ihr aus dem Badezimmer nach.

Ich ging ins Schlafzimmer und prüfte nochmal den Inhalt unserer Koffer. Das hatte ich gestern schon dreimal getan und heute auch schon zweimal. Es war ja nicht so, dass wir in den Dschungel flogen, aber ich wollte alles Wichtige  dabei haben. Man konnte ja nie wissen und mit einem Kind zu verreisen, war sowieso nochmal was anderes. Irgendein Problem gab es immer, also wollte ich auf alles vorbereitet sein. Medikamente, Fieberthermometer... ich ging im Kopf nochmal alles durch.

„Hallo mein Schatz, na seid ihr fertig?" Meine Mutter stand im Türrahmen und sah mich fragend an.

„Ja, ich wollte nur nochmal schauen, ob ich auch wirklich alles habe."

„Ich denke schon. Und wenn nicht, dort gibt es auch Apotheken und andere Geschäfte." sagte sie schmunzelnd.

„Ja, ja, ist schon gut." Ich klappte die Koffer zu und trug sie nach unten in den Flur. Dabei ging ich an den unzähligen Bildern vorbei, die an der Wand hingen. Ich blieb kurz auf der Treppe stehen und sah meine hübsche junge Frau, die mir viel zu früh genommen wurde.

„So Lisa, jetzt muss ich mit unserer Tochter nach New York fliegen. Ich hoffe, dass wird keine Katastrophe." murmelte ich leise in Richtung des Fotos.

Aus irgendeinem Grund liebte Lisa New York, obwohl sie nie selber dort gewesen war. In unserem kleinen Haus hingen zahlreiche Bilder von dieser Stadt. Sie wollte immer dahin reisen, aber wir hatten es wieder und wieder verschoben und dann war es zu spät. Der Gedanke an sie, ließ mein Herz schwer werden. Sie hatte es nicht verdient so jung zu sterben.

„Papa, ich denke nicht, dass der Pilot auf uns wartet." sagte meine Tochter und hatte die Hände in die Hüfte gestemmt.

„Denkst du, Mami ist bei uns, wenn wir in New York sind?" fragte sie und blickte mich aus ihren blauen Augen an.

„Ja, ganz bestimmt." sagte ich und nickte ihr zu. Ich wuschelte über ihre blonden Haare und stellte fest, dass sie ihrer Mutter von Tag zu Tag ähnlicher wurde.

„Wollen wir dann los? Wir müssen ja noch eine Weile fahren und man weiß ja nie, ob wir in den Stau geraten." sagte meine Mutter und klimperte mit den Autoschlüsseln.

„Ja, ja, ja." rief Grace und sprang auf und ab.

Ich allerdings hatte gemischte Gefühle. Mich hatte diese laute, dreckige Stadt, gefüllt mit Straßenräubern und Mördern noch nie sonderlich angezogen. Ich war mir nicht sicher, ob sich dieser Urlaub nicht als totaler Reinfall entpuppen sollte. Aber dafür war es nun zu spät. Ich schaute mich noch einmal im Haus um und schloss dann die Tür hinter mir. Die Koffer verfrachtete ich in das Auto und setzte mich auf den Beifahrersitz. Meine Mutter startete den Motor und Grace fing an in die Hände zu klatschen. Ich drehte mich um und sie strahlte übers ganze Gesicht. Vielleicht würde es doch nicht ganz so furchtbar werden.

Wir brauchten fast drei Stunden von Füssen bis nach München. Es war Stau, wie immer auf deutschen Autobahnen. Auf dem Flughafen angekommen, gingen wir zum Ticketschalter und gaben unsere Koffer auf. Wir verabschiedeten uns von meiner Mutter und liefen in Richtung unseres Gates. Wir wurden abgetastet, was Grace etwas verschreckte und bei mir piepte in einem Fort dieser blöde Metalldetektor. Nachdem ich wirklich alles abgelegt hatte, was ich an metallischen Gegenständen an mir trug, musste ich dann noch meine Schuhe ausziehen. Diese wurden dann noch extra durchleuchtet um auszuschließen, dass sich darin nicht, Gott weiß was, befand. Genervt von dieser Tortur holten wir uns noch etwas zu trinken und setzten uns auf ein paar Stühle und Grace beobachtete das Treiben auf dem Flughafen. Unser Flug ging am Abend, damit wir mit der Zeitverschiebung quasi wieder vormittags in New York ankamen. Ich hoffte, wir würden den Flug über schlafen, damit wir nicht so viel Probleme mit dem Jetleg hatten. Wie ich meine Tochter kannte, würde sie putzmunter sein, während ich eine Woche total neben mir stand.

Wir vertrieben uns die Wartezeit mit Recherche in den mittlerweile fünf Reiseführern von Grace. Alle waren mit roten Fähnchen verziert, die die Orte markierten, die  wir unbedingt besuchen mussten. Sie hatte viel vor in diesen paar Tagen. Es war schon sehr spät geworden und langsam legte sich die Müdigkeit über mich. Zum Glück wurde dann unser Flug aufgerufen und wir quetschten uns in die enge Sitzreihe. Grace saß am Fenster und drückte sich die Nase an der Scheibe platt. Sie war total aufgeregt. Ich allerdings auch, denn das hier, war für uns beide der erste Flug überhaupt. Ich schnallte Grace an und schon begannen die Flugbegleiterinnen mit den Sicherheitseinweisungen. Das Flugzeug setzte sich in Bewegung und ich spürte die Nervosität in mir. Nicht nur, weil ich mich gleich 11.000 Meter über der Erde befinden würde, nein, auch weil ich wirklich ein bisschen Angst hatte, vor dieser großen Stadt. Ständig hatte ich Bilder im Kopf, wie ich mich gegen irgendeinen Typen mit Messer verteidigen musste. Und davon hatte ich nun wirklich keine Ahnung. Oh Gott, nicht jeder Tourist wurde in New York City ermordet, oder?

Ich hätte wirklich auf das Angebot meines besten Freundes und gleichzeitig Arbeitskollegen Tom eingehen sollen. Er wollte uns begleiten, aber ich lehnte ab. Aus irgendeinem Grund wollte ich diesen Trip allein machen. Gerade jetzt allerdings, fiel er mir nicht mehr ein. Ich war so dämlich. Zumindest hatte ich einen Plan, wie ich das Hotel finden würde. Der Rest ergab sich dann schon irgendwie. Ich lehnte mich zurück und das Flugzeug startete. Wow, das war ein komisches Gefühl. Ich wurde in den Sitz gepresst und auf einmal ging es in die Luft. Grace hielt meine Hand und starrte immer noch aus dem Fenster. Ich sah an ihr vorbei und beobachtete, wie die Lichter unter uns immer kleiner wurden. Mir war das Ganze, durch die Luft fliegen, immer noch nicht wirklich geheuer, aber es ging ja nicht anders. Wir bekamen etwas zu trinken und danach versuchte ich eine angenehme Sitzposition zu finden, was einfach nicht ging. Grace hingegen zog die Beine auf den Sitz und lehnte sich an meine Schulter und schlummerte ein. Auch ich fand irgendwann in den Schlaf, obwohl ich mir sicher war, dass mir nach dem Aufwachen alles weh tun würde.

So, die beiden sind unterwegs. Was sie wohl erwartet?

Who we love - Larry StylinsonWhere stories live. Discover now