Virginia - Ein Trauerfall und ein neuer Bewohner

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„Mi sol..." mein Mann kam hinter mir her, als ich in mein Arbeitszimmer gehen wollte. Für heute hatte ich keine Lust mehr auf Gesellschaft. Ich wollte einen guten Wein, ein Buch was mich ablenkte und alleine sein.
„Nein, ich brauche eine Auszeit, Haytham!" meine Stimme war kaum hörbar, weil mir immer noch ein Kloß im Halse steckte und ich den Tränen nahe war.
Enttäuscht ließ er die Schultern hängen und ging ohne weitere Worte an mir vorbei hinunter. Noch jemand der mir nicht wohlgesonnen war heute. Toll.
Ich bat Magda mir den Wein zu bringen, als sie mich in mein Nachthemd gesteckt hatte.
„Mistress Kenway, der Tag war ja nicht sehr schön. Es tut mir aufrichtig leid." flüsterte sie, als sie mir meinen Morgenmantel reichte.
„Danke, Magda. Es kann ja nicht immer nur Sonnenschein geben, nicht wahr?" ich versuchte ein Lächeln, aber es erstarb schon beim Gedanken daran.

Wie lange ich in meinem Arbeitszimmer am Kamin verbrachte, kann ich nicht sagen. Aber irgendwann war das Feuer heruntergebrannt und ich dämmte es noch ein. Dann ging ich leisen Schrittes hinüber in unser Schlafzimmer, wo mich niemand zu erwarten schien.
Auf der Galerie stehend, sah ich aus dem Salon noch einen Lichtschimmer und ging hinunter.
Vor dem Kamin saß mein Mann, versunken in einem Buch, ähnlich wie ich kurz zuvor auch.
„Darf ich hereinkommen?" fragte ich zögerlich, weil ich nicht wusste wie ich anfangen sollte.
„Natürlich, es ist ja auch dein Zuhause." Bei Odin! Warum war dieser Mann manchmal so seltsam?
Es war noch warm hier und ich stellte mich vor den Kamin um meine Hände zu wärmen. Wie fange ich jetzt ein Gespräch an? Warum hatte ich ein schlechtes Gewissen? Verdammt noch mal!
„Alex, ich weiß, dir gefällt meine Einstellung nicht, was die Erziehung im Bezug auf den Verlust von Haustieren angeht. Es ist aber und das musst du zugeben, ein normaler Prozess im Leben. Auch unsere Kinder werden sich dem stellen müssen. Je früher, desto besser. Sie müssen sich dem stellen können und lernen damit umzugehen! Ich will sie nicht zu eiskalten Monstern erziehen, aber wenn es zu diesen Aufständen und dem späteren Krieg kommen wird, sollten sie mit solchen Dingen vertraut sein!" für einen Moment sah ich ihn an, weil er im Grunde ja Recht hatte.

„Trotzdem! Florence ist noch zu jung, um das überhaupt zu begreifen. Warum musstest du ihr den toten Körper von Mina noch zeigen, war das auch zu Lehrzwecke? Das geht dann doch zu weit, finde ich." ich erinnerte mich an das Sezieren von Fröschen an unserer und auch Yannicks Schule. Für mein persönliches Empfinden, muss man mit so etwas nicht konfrontiert werden.
„Und wie hättest du es unserer Tochter erklärt, wenn SIE Mina gefunden hätte? Sie wäre dann sicherlich noch mehr erschrocken, weil die Katze einfach so draußen in den Büschen lag. Glaub mir, es ist besser so sie aufzuklären." Haytham hatte sich erhoben und kam zu mir herüber. „Lass uns den beiden bitte die Wahrheit über Leben und Tod erklären. Unsere Kinder können mehr verkraften als du annimmst. Sie wachsen nicht in deiner Zeit ..." plötzlich wurde ich bei diesem Ansatz wütend.
„Ach, du glaubst also, ich bin verweichlicht großgezogen worden? Immer noch gehst du davon aus, dass ich all das hier nicht einfach so wegstecken kann, wie ihr hier?" fauchte ich ihn an.
„Herr Gott, Alex. Dreh mir doch nicht das Wort im Munde rum. Du selber hast gesagt, dass es friedlicher bei euch zuging und man nicht immer mit Kriegen, Verlusten und ähnlichen Ängsten wie das nackte Überleben konfrontiert war. Natürlich hast du deswegen eine andere Einstellung, dass spreche ich dir ja auch nicht ab. Bedenke aber, wir müssen wissen, dass die Kinder nicht gleich aufgeben, sobald sie mit solchen Dingen in Kontakt kommen." vorsichtig legten sich seine Arme um meine Taille.

„Oh man, ja ich weiß ja..." seufzend legte ich meinen Kopf auf seine Brust. Ja, er hatte Recht. Es fiel mir aber auch nach 8 Jahren noch schwer mich an diese Gepflogenheiten zu gewöhnen. Auch ich würde mich bald einem Krieg stellen müssen, welcher uns die Angst lehren wird, alles zu verlieren.
Ein leises Glucksen war zu vernehmen.
„Ich finde deine Ausdrucksweise hin und wieder immer noch faszinierend." langsam hob er mein Kinn an und gab mir einen vorsichtigen Kuss. „Bitte, wir werden gemeinsam weiter zusammen wachsen und die Kinder ebenso. Hab auch du ein wenig mehr Vertrauen in mich in solchen Momenten!"
Stumm nickte ich und schmiegte mich in seine Arme. Meine Wut und die Trauer ebbten langsam ab und machten Platz für ... eine unerwartete heftige Müdigkeit, welche mich herzhaft gähnen ließ.
„Wir sollten zu Bett gehen, mi sol. Der Wein hat dich wohl ein wenig müde werden lassen." er drehte mich Richtung Tür und gab mir einen Klaps auf den Po. „Verführerisch wenn du in deiner Nachtwäsche so vor mir hergehst." ich konnte seine dunklen Augen auf meinem Hintern regelrecht spüren.
„Du hast es aber erfasst, ich bin müde, mi amor. Das Bett ruft nach mir." kicherte ich leise.
Ich weiß noch, dass ich angekuschelt an meinen Mann einschlief und in einen traumlosen Schlaf glitt.

Von schicksalhaften Zeitreisen und dem Ruf der Nornen - Part IIWhere stories live. Discover now