Geselligkeit

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Nach einer weiteren Woche trafen wir auf den Wehler-Clan, mit dem wir erneut verhandeln konnten. Wieder tauschten wir hauptsächlich Wissen aus. Iker und Enzo dokumentierten detailliert die neuen Informationen, während die Clans jeweils mehrere Mitglieder raussuchten, denen unser Wissen mitgeteilt wurde. Für jedes neue Thema wurde eine neue Gruppe abgestellt. So wurde das Wissen im Clan aufgeteilt und die einzelnen Gruppen konnten es verbreiten und dann an die Nachfahren weitergeben. Ich hatte bei den Forschern noch nie verstanden, wieso das Wissen dort in Büchern stand, die jedoch nicht jedem zugänglich waren. Zudem musste man erst Lesen lernen, um es zu bekommen. Doch Yermo hatte mir erzählt, dass es nicht allen Kindern vergönnt war lesen zu lernen, sondern nur denjenigen, die aus Familien mit genug Geld stammten. Mir erschien dieses Prinzip der Informationsgewinnung nicht sehr praktisch zu sein. Yermo fand es dagegen unvorstellbar sich auf die Erinnerung der Menschen zu verlassen, die verfälscht werden konnte. Es hätte eine interessante Diskussion zwischen und geben können, doch Yermo hatte meine Argumente ohne Gegenargumente abgeschmettert.

Wir verbrachten zwei Tage beim Wehler-Clan und setzten uns abends gemütlich zu den Clanmitgliedern ans Feuer. Außer Adriana, die inzwischen einige wenige Worte sprechen konnten waren die anderen ganz auf mich angewiesen. Am Feuer hatte sich ein Berg von einem Mann erhoben, der eindeutig einer der Krieger war und hob an eine Geschichte zu erzählen. Während er erzählte, übersetzte ich grob für unsere Truppe. Mit einer tiefen kräftigen Stimme erzählte der Mann: „Es war die Nacht des Vollmondes und sie war schon weit fortgeschritten. Die Patrouille langweilte sich und beschloss sich weiter vom Lager zu entfernen. Wir waren zu viert: der junge Pale, Time, Jest und ich. Eine kräftige Truppe mit den neusten Bögen ausgestattet. Wir kamen zu dem Denanachsee, von dem der Nebel aufstieg. Plötzlich leuchtete ein Licht mitten auf dem Wasser. Es schwebte über dem Wasser und kam näher. Dann ertönte ein fürchterlicher Laut, es klang wie ein Vogel in seinem Todeskampf. Wie aus dem Nichts sprangen gruselige Gestalten auf uns zu und ehe wir es uns versahen, waren wir mit unzähligen Schnitten übersäht und bluteten ohne Ende während sich die Gestalten in Luft auflösten und das Licht verschwand. Ich sage euch in diesem See wohnen die dunklen Götter, die Luktis aus der Unterwelt entkommen sind. Wir sollten den See meiden und alles, was wir daraus haben."

Das Gemurmel durchbrach die gruselige Stimmung. Ich blickte in die Runde der Menschen, die diese Geschichte durch meine Übersetzung mitbekommen haben. Ich sah ein leichtes Schmunzeln in Adrianas Gesicht. Bevor sie was sagen konnte, meinte ich scherzhaft: „Kein Urteil über die Verhaltensweisen eines anderen Volkes, die finden eure Gewohnheiten genauso komisch und das weiß ich aus eigener Erfahrung." Kurz schauten mich alle überrascht an und ich überlegte, ob es wirklich so ungewöhnlich war, dass ich einen Scherz machte. Plötzlich lachten sie alle los und ich lachte mit und fühlte mich mit einem Mal so befreit wie schon lange nicht mehr. Es war einfach zu lange her, dass die Situation so entspannt war, dass ich lachen konnte.

Am Nachmittag des nachfolgenden Tages verabschiedeten wir und von dem Wehler-Clan und zogen weiter auf der Suche nach einem Platz für die Nacht. Die Krieger des Clans hatten uns einen geeigneten Ort beschrieben und ich versuchte in der einsetzenden Dunkelheit der Beschreibung zu folgen, da tat sich unerwartet der Wald vor uns auf und zeigte eine kleine Lichtung mit einem fließenden Bach. Freudig über den schönen Ort errichteten wir schnell das Lager und kurze Zeit später brutzelte ein halbes Wildschwein, welches bei den Verhandlungen herausgesprungen war, über dem Feuer. Während wir auf das Essen warteten, begannen die Wachen Iker das Schießen beizubringen. Ich schaute interessiert zu, während Mark Iker erklärte, wie das aufwendige Laden des Gewehres funktionierte. Iker schoss 10-mal, bis er den anvisierten Baumstamm traf. Zwar weit von der Markierung entfernt, aber wir klatschten begeistert und Mark erklärte mir, dass es eine sehr hohe Kunst sei mit der Waffe genau ins Ziel zu treffen. Aber sie hatte eine so große Einschlagkraft, dass es bei einem Kampf nicht wichtig war den anvisierten Gegner zu treffen. Oft reichte es den Nebenmann zu treffen, da dies meist beide zumindest aus dem Gleichgewicht bringt. Ich runzelte die Stirn, die Kriegsgeschichten, die die Männer erzählten, gefielen mir ganz und gar nicht. In diesem anderen Land schienen die Kriege so viel schlimmer zu sein als ein Kampf zwischen den Clans.

Wir stopften uns mit dem Wildschwein voll und lauschten den schiefen Tönen von Andrés, der ein Lied seiner Kindheit zum Besten gab. Satt und müde ging es früh ins Bett. Morgen wollten wir am frühen Morgen aufbrechen, um viel Wegstrecke zu schaffen.

Ein schriller Ton riss mich aus dem Schlaf, erschrocken riss ich die Augen auf und sah nur wie der Himmel auf mich herabstürzte.


Sintalis - Weiße RoseWhere stories live. Discover now