Gefangen

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Stöhnend schlug ich die Augen auf. Mein Hinterkopf pochte unangenehm. Aus einem Reflex heraus versuchte ich meine Hand zu heben und mir die schmerzende Stelle zu reiben. Weit kam ich nicht. Wieder etwas klarer im Kopf registrierte ich meine Situation. Ich lag zusammengekrümmt mit zusammengebundenen Händen in einem dunklen Raum. Durch eine Rechteckige Öffnung drang Licht und ließ mich die Konturen meines Käfigs erkennen. Es schien eine natürliche Steinhöhle zu sein, die jedoch so niedrig war, dass ich mich geradeso eben aufrecht sitzen konnte. Die rechteckige Öffnung wurde durch ein stabil aussehendes Gitter aus zusammengebundenen Hölzern.

So gut es ging streckte ich meine schmerzenden Glieder und setzte mich so bequem, wie es meine gefesselten Hände und die Höhle zuließen, hin mit dem Gesicht zur Öffnung. Die Zeit verging und nichts passierte. Der Möglichkeit beraubt irgendwas zu tun und die Gedanken auf etwas anderes als die triste Umgebung zu lenken, döste ich immer wieder ein. Das Licht veränderte sich und ich schätzte, dass ich nun schon vom frühen Morgen bis späten Nachmittag so mehr oder weniger bewegungslos vor mich hindöste. Erneut fielen mir die Augen zu, doch ich riss sie wenig später wieder auf, als ich schwere Schritte hörte, die schnell näherkamen.

Durch das Gitter konnte ich zwei große Füße erkennen. Jemand machte sich an dem Gitter zu schaffen, dann wurde es hochgehoben und eine große Hand langte in die Höhle. Ich versuchte auszuweichen, aber die kleine Höhle ließ es nicht zu. Die Hand erwischte mich an meiner Kleidung an der Schulter, sie griff zu und zog so, dass ich nicht anders konnte, als zu folgen und mich durch die schmale Öffnung zu zwängen. Der Mann, der nun wie ein Riese vor mir stand richtete mich auf, band ein Seil an meinen Handfesseln fest und marschierte los. Steif von meiner Nacht auf dem Boden und dem Sitzen, stolperte ich ihm hinterher.

Die Sonne war bereits am untergehen, bot jedoch noch genug Licht um den schmalen Trampelpfad den Hügel hinunter zu erkennen. Von dem Hügel konnte man das Lager der Twinkikis überblicken. Große Zelte in weitem Abstand, alle hell erleuchtet. Dies war kein Clan, der sich vor irgendwas fürchtete, erst Recht nicht vor anderen kriegerischen Clans. Dies war ein Clan, mit dem sich keiner anlegte und erstrecht keine zierliche Heilerin. Meine Chancen auf Flucht schienen gar nicht erst zu existieren.

Der Mann führte mich durch die Zelte zu dem größten unter ihnen. Ein so großes Zelt, hatte ich noch nie gesehen und fragte mich sofort, wie so ein Zelt einem Sturm standhalten kann. Mein Wächter blieb neben mir stehen, stieß einen kehligen Laut aus, gefolgt von einem Ausruf. Ich zuckte kurz zusammen. Die Plane des riesigen Zeltes wurde angehoben und der Mann zog mich durch den Spalt. Im inneren war es ungewöhnlich hell, doch bevor ich dem auf dem Grund kam, wurde mein Blick von dem kräftigen Mann am anderen Ende des Zeltes angezogen. Er war über und über mit gefärbten Stoffen und Schmuck behängt und saß auf einem Stuhl, der für die funktion des Sitzens viel zu aufwendig gestaltet war.

Ich wurde von meinem Aufpasser grob durch das Zelt gezogen, bis er etwa eine Mannslänge vor dem Mann in dem aufwendigen Stuhl stehen blieb. Der Mann neben mir brummte und schlug sich dabei kräftig dreimal gegen die Brust, sodass der Ton vibrierte. Diese Geste wurde von dem sitzenden Mann vor mir, der hier scheinbar das Oberhaupt war, mit einem würdevollen Nicken entgegengenommen. Dann sahen mich mit einem Mal beide Männer mit einem abwartenden Blick an. Ich zögerte kurz, dann brummte ich leise und schlug mir dreimal gegen die Brust. Die Männer schienen nicht ganz begeistert von meiner Vorstellung zu sein, sie schnaubten kurz, wandten dann jedoch ihre Aufmerksamkeit wieder von mir ab.

Die beiden schienen sich zu unterhalten, ich hörte jedoch nur eine scheinbar willkürliche Abfolge von jeweils mindestens vier verschiedenen Klick- und Grunzlauten. Nach einer Weile trat ein Mann an die Seite des Oberhaupts. Ich erkannte den Mann, der mich aus meinem Zelt entführt hatte. Er mischte sich nicht in die Diskussion der anderen Beiden ein, sondern stand stumm neben ihnen, bis sich das Oberhaupt an ihn wandte. Er sagte etwas zu ihm, woraufhin sich mein Entführer an mich wandte und in seiner gebrochenen Sprache das Gesagte übersetzte: „Du Heiler der Twinkikis. Wir dich holen, wenn Hilfe. Du Gefangene. Fliehen, dann Tod. Kranke sterben, dann Tod“ Ich schluckte, ich sollte also wirklich als Gefangene ihre Kranken behandeln. Und sobald einer, von den Clanmitgliedern sterben würde, wäre das wohl auch mein Tod. Es klang nicht so, als hätte ich hier ein langes Leben.

Die Unterhaltung war zu ende und mein Wächter zerrte mich wieder nach draußen. Uns folgte der Übersetzter. Es ging nicht direkt wieder zurück zur Höhle, sondern erst einmal zu einem Zelt, welches im Gegensatz zu den anderen Zelten, beinahe winzig wirkte. Mein Wächter gab das Seil an den Übersetzter weiter und stellte sich dann neben dem Eingang auf. Der Übersetzte lotste mich deutlich sanfter in das Zelt. Er entzündete eine Fackel und mir stockte der Atem. Das Zelt war bis zum letzten Platz gefüllt mit allem, was das Heilerherz begehrte. Ich erkannte unzählige der Pflanzen, deren Wirkung ich in meiner Lehrzeit gelernt hatte und von denen wir oft nur wenig Vorräte hatten, da wir sie nur selten fanden. Hier waren die Pflanzen im Überfluss vorhanden. Ich erkannte die Werkzeuge, die jeder Heiler brauchte. Auch diese waren vielfach vorhanden. Insgesamt zählte ich acht Mörser und Stößel in den verschiedenen Größen, Farben und auch Formen.

Mit offenem Mund drehte ich mich in diesem Zelt herum. In der einen Ecke entdeckte ich Pflanzen, die ich noch nie gesehen hatte, jedoch hatte mir Mandoo einige davon grob beschrieben. Ich kramte in meinem Gedächtnis, bis ich wieder seine Worte im Ohr hatte: „Das sind die Pflanzen aus der anderen Welt. Sie kamen über das große Wasser. Viele glauben es sind nur Märchen. Den Pflanzen werden magische Fähigkeiten zugeschrieben.“ Neugierig sah ich mir die Pflanzen an. Sie sahen anders aus, jedoch konnte ich nichts magisches entdecken.

„Du heilen, hier. Ich helfen. Ich Fissul.“ Er schnalzte einmal und schlug sich mit der flachen rechten Hand auf den linken Oberarm. War das sein Name in deren Sprache? Ich wiederholte seine Geste und fragte: „Fissul?“ Er nickte. „Darf ich etwas gegen meine Kopfschmerzen nehmen?“ fragte ich vorsichtig und fasste mir gegen den Kopf und verzog schmerzhaft das Gesicht um meine Worte zu verdeutlichen. Fissul zögerte kurz, dann nickte er. In dieser großen Auswahl war es gar nicht einfach das Gesuchte zu finden. Schließlich entdeckte ich die schwarze Primana Wurzel, doch unter all den Werkzeugen war kein einziges Messer zu finden. Dies war dann wohl dem Umstand meiner Gefangenschaft geschuldet. Ich zeigte Fissul wie viel er mir von der Wurzel abscheiden sollte und er tat es. Fissul sollte mir offensichtlich nicht nur als Übersetzter helfen. Schließlich nahm ich die abgeschnittene Wurzel in den Mund und find an darauf herum zu kauen.

Es dauerte nicht lange, bis die betäubende Wirkung der Wurzel einsetzte und ich seufzte erleichtert. Fissul schien die Erkundungstour nun für beendet erklärt zu haben, er führte mich raus und übergab mich meinem Wächter, der nicht lange zögerte, mich wieder zurück zu meiner Höhle zu bringen. Kurz bevor er mich in die Höhle stieß, sah ich mir die Konstruktion meiner Gittertür an. In die Öffnung der Höhle wurde auf beiden Seiten längliche Aushölungen in den Stein geschlagen, wo das Gitter eingeführt werden konnte. Das Gitter konnte so nur nach oben geöffnet werden. Oben wurde durch einen dicken Balken in einer Ausbuchtung das Gitter fixiert. Von der Höhle aus kam ich nicht an diesen Balken heran, dieses Gefängnis war tatsächlich Ausbruchsicher. Nach diesem Rundgang war es mir mehr als deutlich. Ich war gefangen, ohne eine Möglichkeit zu entkommen.

Sintalis - Weiße RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt