Der Valls Clan

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Nachdem ich von dem Alene Clan verstoßen worden war ließ ich ziellos umher. Mein Wissen über die Gebiete jenseits des Alene Clans waren begrenzt, bis nicht vorhanden. Ohne das Wissen über weitere Lager, blieb mir nichts anderes übrig, als durch Wälder und Täler zu Laufen in der Hoffnung durch Zufall auf das Lager eines Clans zu Treffen. Drei Wochen irrte ich so umher, bis ich auf den Valls Clan traf. Beziehungsweise, bis Wächter des Valls Clans unvermittelt aus dem Gebüsch sprangen und mich mit festen Griff ins Lager vor den Anführer zerrten.

Erneut erzählte ich meine Geschichte. Das Oberhaupt namens Pendt sah mich abschätzend an. Dann wandte er sich zu drei seiner Männer zu seiner Rechten und diskutierte im Flüsterton mit ihnen. Schließlich blickte er mich wieder an und sagte mit dunkler, leiser Stimme: „In Ordnung, du kannst hier bleiben, jedoch musst du im Clan helfen um dir dein Zelt und dein Essen zu verdienen. Ich erwarte, dass du ohne zu klagen dort hilfst, wo Hilfe gebraucht wird und erst wenn die Arbeit erledigt ist an deine Bedürfnisse denkst.“ Freudig über die Aussicht nicht mehr unter freiem Himmel schlafen zu müssen und eine warme Mahlzeit zu bekommen nickte ich eifrig.

Die Wächter, die mich aufgegriffen hatten führten mich zu einem Zelt, welches mir gerade mal bis zur Schulter reichte und lediglich Platz bot für einen liegenden Körper. Doch die Zeit im Freien hatten mich ermüdet und ich strich glücklich über den mit Fell ausgelegten Boden des Zeltes. Die Männer brachten mich als nächstes zu einem großen Feuer, wo mir die Frauen eine Schüssel mit dampfender Suppe und Brot reichten. Die Männer zogen sich zurück und ich verschlag die Mahlzeit während ich den Gesprächen der Frauen lauschte. Mir fiel erst jetzt auf, dass die Mitglieder des Clans einige Buchstaben, wie das „r“, das „t“ und das „s“, anders betonten. Teilweise klangen dadurch die Wörter vollkommen anders und ich brauchte einige Momente, bis ich sie verstand. Nach dem Essen schleppte ich mich in mein Zelt, rollte mich auf dem weichen Fell zusammen und verfiel sofort in tiefen Schlaf.

Das Zelt über mir wackelte und ich schreckte aus dem Schlaf. Es dauerte einige Momente, bis ich mich daran erinnerte, wo ich war. Erneut wackelte das Zelt über mir und ich begriff, dass jemand draußen stand und gegen das Zelt trat. Ich kroch nach draußen, es war noch dunkel und so brauchte ich einige Minuten, bis ich eine Frau erkannte, die mit verschränkten Armen auf mich herunter sah. Noch müde und steif vom Schlafen rappelte ich mich hoch. Ohne ein Wort zu sagen drehte sich die Frau um und ging in die Richtung des Feuers, welches jedoch noch nicht entzündet worden war. Schweigend folgte ich ihr.

Von dem großen lodernden Feuer von gestern war nur noch ein großer schwach glühender Haufen Asche übrig geblieben. Die Frau war vor diesem Haufen stehen geblieben, bückte sich und hob etwas vom Boden auf. Als ich bei ihr angekommen war drückte sie mir die beiden Gegenstände in die Hand: „Schaufel die Asche aus dem Feuerkranz, dann fülle ihn mit Holz und entzünde das Feuer. Und beeil dich Mädchen, das Frühstück muss fertig sein, bevor die Sonne aufgeht.“ Gehorsam nickte ich und machte mich mit der Schaufel und dem Eimer auf zur Asche.

Es dauerte nicht lange, bis mir der Schweiß den Rücken hinunter rann. Die Asche war noch warm und der Eimer war schnell gefüllt, sodass ich ihn in einer Grube außerhalb des Lagers ausleeren musste. Die Frau trieb mich zur Eile an, sodass ich den ganzen Weg rannte. Endlich war die Asche weggeschafft, doch die gehackten Äste waren so riesig, dass ich sie kaum tragen konnte. Ast für Ast schleppte ich sie zur Feuerstelle, dann richtete ich sie auf und wollte sie aneinanderlehnen, doch immer wieder fielen sie um. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich den Dreh raus hatte und das Feuer ordnungsgemäß aufschichten konnte. Die Frau hatte mir zwei Feuersteine an die Seite gelegt und so entzündete ich schnell das Feuer. Vollkommen außer Atem ließ ich mich auf einen der Sitzblöcke nieder, doch kaum dass ich saß, kam auch schon die Frau und trieb mich mit ihrem missbilligenden Blick in die Senkrechte. Ich ging mit ihr in das angrenzende Zelt, in dem die Vorräte gelagert wurden. Die Frau drückte mir ein Messer in die Hand und bedeutete mir einen Berg von Kartoffel zu schälen und zu schneiden.

Während wir beide mit dem schnippeln beschäftigt waren, versuchte ich mich an Konversation: „Ich bin Siela und wie heißt du?“ „Lima“ „Wie schön dich kennen zu lernen Lima. Bist du hier alleine für das Frühstück zuständig?“ „Nein“ „Wie alt bist du?“ „30“ „Hast du Kinder?“ „Nein“ „Bist du verheiratet?“ „Nein“ „Was isst du am Liebsten?“ „Alles“ „Stehst du immer so früh auf?“ „Ja“

Ich gab es auf und den Rest der Zeit verbrachten wir schweigend damit das Frühstück vorzubereiten. Die fertigen Zutaten warfen wir in einem großen Kessel zusammen und als wir fertig waren, hievten wir ihn gemeinsam nach draußen und hängten ihn an die Konstruktion über dem Feuer. Lima drückte mir einen großen Eimer in die Hand und beschrieb mir den Weg zum Fluss. Ich fand den Fluss und füllte den Eimer, jedoch den vollen Eimer war fast unmöglich, immer wieder musste ich ihn absetzten und bei jedem Absetzten und Hochheben schwabbte ein wenig Wasser aus dem Eimer. Als ich endlich wieder am Feuer war, fehlte ein deutlich sichtbarer Teil des Wassers und Lima sah mich finster an.

Als die Sonne den Himmel rosa färbte, köchelte das Frühstück bereits. Kaum, dass die Sonne aufgegangen war, strömten auch schon die ersten Männer und Frauen aus dem Clan herbei und Lima und ich verteilten das Frühstück. Durch den nicht abreißen wollenden Strom von Clansleuten, kam ich erst, als auch die letzten versorgt waren dazu, mir selbst eine Schüssel zu füllen. Ich hatte meine Schüssel bis zur Hälfte geleert, als Lima mich anstieß und mir bedeutete, dass es nun Zeit war, die leeren Schüsseln einzusammeln. Seufzend stellte ich meine halb volle Schüssel zur Seite und sammelte das Geschirr ein. Mit dem Geschirr in vier großen Körben ging ich schließlich alleine zum Fluss um diese auszuspülen. Die monotone Beschäftigung langweilte mich schnell und so fing ich an die Schüsseln zu zählen. Als ich endlich auch die 64. Schüssel abgewaschen hatte, trug ich immer zwei Körbe auf einmal nehmend in zwei Gängen die Schüsseln zurück zum Zelt.

Lima war nicht mehr da, dafür eine etwas jüngere Frau, die mich freundlich anlächelte. „Hallo, ich bin Wirrla.“ „Hallo, ich bin Siela.“ Grüßte ich freundlich zurück. „Na dann Siela, wir müssen jetzt das Mittagessen vorbereiten.“ Ich schaute zum Himmel und erkannte, dass es wohl nur noch zwei Stunden bis Mittag war. Wieder gingen wir in das Zelt und fingen an Gemüse, Fleisch und Kräuter zu schneiden. Wirrla war deutlich gesprächiger als Lima, doch so langsam überkam mich eine unglaubliche Erschöpfung. Das Muster wiederholte sich. Sobald das Essen fertig war, kamen die Frauen und Männer des Clans und erst als sie alle versorgt waren, konnte ich mir selbst war genehmigen. Diesmal, war ich durch die Erfahrungen des Frühstücks schlauer und aß mit doppelter Geschwindigkeit, dennoch schaffte ich es nicht, meine Schüssel zu leeren, bevor die meisten der Clanleute fertig waren und die Schüsseln eingesammelt werden mussten. Erneut schleppte ich die Schüsseln zum Fluss und wusch alle 64 Schüsseln. Als ich sie wieder zurücktrug, erwartete mich Reilir, eine schüchterne Frau, die mir berichtete, dass die Männer ein Wildschwein erlegt hatten und wir es nun für das Abendessen vorberieten müssten.

Und erneut wiederholte sich das Muster. Diesmal mussten jedoch nicht sofort die Schüsseln abgewaschen werden. Am Feuer wurde gesungen, getanzt, Geschichten erzählt und getratscht. Doch ich bekam alles nur verschwommen mit, der Tag hatte seinen Tribut gefordert und ich durfte nicht schlafen gehen, bis alle mit Essen fertig waren, ich die Schüsseln einsammeln konnte und im Fluss gewaschen hatte. Völlig erschöpft schlief ich ein, sobald mein Kopf das Fell in meinem Zelt berührte.

Am nächsten Morgen, wobei es eher noch mitten in der Nacht war, wurde ich erneut durch das Schütteln meines Zeltes geweckt. Lima wartete diesmal nicht auf mich und ich wiederholte stur die Arbeitsschritte von Gestern. Der Tag wiederholte sich 1:1. Erst die Wortkarge Lima, dann die Fröhliche Wirrla und schließlich die schüchterne Reilir. Während mir der gestrige Tag noch in den Knochen steckte, fielen mir die Aufgaben noch schwerer als vorher. Doch es gab kein entkommen, den dies war die Bedingung gewesen in den Clan aufgenommen zu werden und so wiederholte es sich Tag für Tag.

Etwa eine Woche nach meiner Ankunft hörte ich ein Gespräch zwischen Wirrla und einer anderen Frau, während ich mir mein Essen so schnell wie möglich in den Mund stopfte. „Die Suppe ist wirklich köstlich“ sagte die andere Frau „Ja, seit Siela da ist, bleibt viel mehr Zeit um die Suppe anständig zu machen.“ Antwortete Wirrla „Ich stelle mir das ja richtig anstrengend vor. Ich bin ja nur froh, dass ich nur den Vormittag sammeln muss. Aber du musst ja das ganze Mittagessen hier vorbereiten.“ „Ach, das geht schon, so hat jeder halt seine Aufgaben und es macht wirklich Spaß das Essen zu kochen und seit Siela da ist, muss ich auch nicht mehr abwaschen und so bin ich schon viel früher fertig.“ Wirrla und die andere Frau lachten, während mir der Löffel auf halben Weg zum Mund stecken geblieben war.

War die Aufgabe einer Frau wirklich nur einmal am Tag ein Essen kochen oder den Vormittag mit Sammeln verbringen? Wenn ja, dann tat ich mehr als das dreifache von dem was die anderen Frauen taten. Ich sah auf und schaute mich in der Runde um. Seit einer Woche war ich nun hier und die einzigen, die ich kennen gelernt hatte, waren die drei Frauen gewesen. Während des Tages blieb mir keine Zeit um mich mit den anderen unterhalten zu können und am Abend war ich meist so geschafft vom Tag, dass ich den Zeitpunkt herbeisehnte, in dem ich das Geschirr abräumen und abwaschen konnte, nur um dann ins Bett gehen zu können.

Wirrla unterbrach meine Gedanken und so kam ich erst am Abend, während der Clan um mich herum ausgelassen sang und tanzte, mich erneut mit den Gedanken vom Mittag zu beschäftigen. Mit dem Versprechen, welches ich dem Oberhaupt gegeben hatte, hatte ich mich ihnen praktisch als Sklavin angeboten. Mich überlief es kalt, als mir bewusst wurde, wie sehr ich mich selbst herabgewürdigt hatte. Bisher hatte ich für alles gekämpft und war stark gewesen, doch jetzt hatte ich mich für etwas zu Essen und ein Zelt, welches man kaum als solches bezeichnen konnte, dem Clan unterworfen. Ich hatte ohne Murren alles getan, was sie verlangt hatten, hatte geschuftet ohne dafür auch nur den Hauch an Anerkennung zu bekommen.

Das ging so nicht weiter. Mit einer Kraft, die ich mir selbst nicht mehr zugetraut hatte, stand ich schwungvoll auf und ging zu dem Clanoberhaupt, der grölend lachend mit ein Paar starken Männern auf der anderen Seite des Feuers saß. Ich stellte mich mit etwas Abstand vor die vier Männer und wartete, bis sie mich bemerkten. Da nichts geschah, ging ich näher. Die Männer bemerkten mich und reichten mir sofort ihre Schüsseln ohne jedoch mit dem Gegröle aufzuhören. Als ich ihnen die Schüsseln nicht abnahm, schenkten sie mir nun doch endlich ihre Aufmerksamkeit. „Pendt, ich möchte mich nochmal bedanken, dass ich im Clan aufgenommen wurde. Jedoch möchte ich ein vollwertiges Mitglied des Clans sein und ich möchte, dass für mich die gleichen Regeln gelten, wie für die anderen Frauen. Besonders bei der Verteilung der Aufgaben.“ Verdutzt schauten mich die Männer an, wie ich da so mit in die Seite gestützten Armen vor ihnen stand. Dann brachen sie in Gelächter aus. Ich wartete, bis das Gelächter etwas abebbte und schaute Pendt erwartungsvoll an.

„Es tut mir leid Mädchen, doch glaubst du wirklich, wir würden dich als vollwertiges Mitglied aufnehmen, so wie du aussiehst? Du bist ein Sonderling und als solches verdienst du nicht die gleiche Stellung wie unsere Frauen. Also los an die Arbeit Kleine, sonst werfen wir dich raus.“ Erneut brachen alle in Gelächter aus, während mir sich der Magen umdrehte. Also war ich nichts besseres als eine Sklavin für sie. In meinem Magen fing die Wut an zu brodeln, doch mein Kopf war erstaunlich kühl, egal was ich jetzt tat, ich würde es bereuen, schließlich stand ich in mitten der Wächter und Krieger des Clans. Stumm und mit vor Wut zitternden Händen sammelte ich die Schüsseln ein und ging zum Fluss. Das kühle Wasser und die Einsamkeit beruhigten mich und ich ersann einen Plan.

Der nächste Tag verlief wie gewohnt, wobei ich mir bei jedes Mal sobald eine der Frauen nicht hinguckte etwas von den Kräutern nahm und sie in meinem Gewand versteckte. Als wir schließlich das Abendessen anrührten und Reilir das letzte Mal von der Suppe kostete und sie für gut befand, streute ich heimlich die gesammelten Kräuter hinein und rührte kräftig um. Ich hatte mich heute beeilt und so köchelte die suppe noch einige Zeit, bevor die Ersten zum Essen kamen. Alles langten kräftig zu, nur ich nahm mir eine Schüsseln, rührte sie allerdings nicht an. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Müdigkeit bekundeten und zu Bett gingen. Mit einem Mal waren die Plätze am Feuer wie leergefegt. Ich ließ alles wo wie es war, schlich in das Vorratszelt und schnürte mir so viele der Vorräte zusammen, wie ich tragen konnte, dann holte ich mir meine Sachen aus meinem Zelt und bewegte mich vorsichtig zum Rand des Lagers. Ich wusste, dass Reilir den Wachen immer das Essen brachte, konnte jedoch nicht sicher sein, dass auch bei ihnen mein Schlaftrank gewirkt hatte. Doch als ich kurze Zeit später auf eine schnarchende Wache traf, lächelte ich voller Schadenfreude und machte mich aus dem Staub. Mit Hilfe meines Tranks würden sie mindestens bis zum ersten Sonnenstrahl schlafen und bis dahin würde ich weit genug weg sein.

Sintalis - Weiße RoseOnde histórias criam vida. Descubra agora