Ein Wunder

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Es dauerte drei Tage, bis die Twinkikis nicht mehr nach mir suchen ließen. Die ganze Zeit verbrachte ich auf dem Felsen und stahl mich ab und zu, wenn die Männer vom Clan weit genug weg waren, zum Fluss. Nahe des Flusses fand ich Treiborn Fahn, der einerseits essbar war und anderer Seits auch eine reinigende Wirkung hatte. Mein Bein verband ich jeden Tag neu. Immer mit einem zerkauten Brei des Fahns auf der Wunde. Als ich auch nach dem vierten Tag auf der Flucht keine Anzeichen einer Entzündung fand atmete ich erleichtert auf.

Am dritten Tag auf dem Felsen, kam erneut Stürme auf. Die Twinkikis flüchteten und ich kauerte mich so nah wie möglich an die Felswand. Diesmal schickte der Gott Tamis drei Stürme. Sie fegten kreuz und quer über die Ebene vor der Felswand, kamen jedoch der Felswand und den Bäumen davor nicht zu nah. Ich überstand die Stürme ohne einen Kratzer, doch die Twinkikis schienen überzeugt davon zu sein, dass ich spätestens diese Stürme nicht überlebt haben konnte, jedenfalls erschienen keine Männer mehr, die nach mir suchten. Zur Sicherheit wartete ich einen weiteren Tag, dann kletterte ich von dem Felsen und machte mich wieder auf den Weg.

Da nun der Weg Richtung Norden frei war, konnte ich mich endlich in Richtung meines Clans wenden. Ich reiste so gut es ging im Schutz von Bäumen oder Büschen, die mich hauptsächlich zum Lager der Twinkikis hin abschirmten. Ohne große Probleme lief ich mit Abstand an ihrem Lager vorbei. Sie jedoch danach im Rücken zu wissen, machte mich noch nervöser als vorher. Ich hatte mir angewöhnt bei jedem noch so kleinen Geräusch als erstes nach hinten zu schauen, ob mir da auch kein Twinkiki auf den Fersen war.

Tamis schien der Gegend nicht wohlgesonnen zu sein, denn er schickte nur fünf Tage nach meinem Aufbruch erneut zwei Stürme über das Land. Diesmal ging alles unglaublich schnell. Ich sah, wie sich der Nachmittagshimmel verdunkelte, als auch schon Regenmassen auf mich niedergingen. Vollkommen durchnässt und voller Panik sah ich mich um. Ich war umgeben von Bäumen, doch wie ich am eigenen Leib erfahren hatte, sollte man bei einem von Tamis Stürmen nicht mal in der Nähe eines Baumes sein. So schnell ich konnte rannte ich aus dem kleinen Wäldchen und gelangte auf eine offene Fläche. Ich hörte schon das heulen eines Sturmes, während der Regen immer heftiger wurde. Doch ich konnte auf der Ebene nichts erkennen, was mir Schutz geboten hätte und der Regen erschwerte die Sicht.

Da ich keine bessere Möglichkeit hatte ging ich vorwärts. Vor allem, da ich noch weiter von den Bäumen wegkommen wollte. Immer schwerer fiel es mir, mich gegen den Wind und den Regen zu stellen, doch ich versuchte weiter voran zu kommen. Mit einem Mal sah ich einen kleinen Umriss vor mir. Schon fast außer Kraft von der Anstrengung gegen den Wind zu gegen stolperte ich auf diesen Umriss zu. Ich hatte keine Ahnung was es war, aber alles war besser, als ziellos und fast blind durch die Gegend zu laufen, während ein oder vielleicht sogar zwei oder drei Stürme auf mich zukamen. Erst als ich direkt davor stand konnte ich erkennen, was es war. Ein größerer Stein, der mir etwa bis zur Hüfte reichte aber länglich war schien hier mitten auf der Ebene zu liegen. Ich dachte nicht länger nach, ging in die Knie und legte mich schließlich dicht an den Stein gedrängt hin. So vor dem Wind und dem schräg kommenden Regen geschützt, hatte ich das Gefühl kurz durchatmen zu können.

Die Erleichterung hielt jedoch nicht lange vor. Schon wenig später hörte ich das unverkennbare Geräusch der Zerstörung, welches schnell näher kam. Ich kauerte mich noch enger an den Stein und dichter auf die Erde, während ich so inbrünstig ich konnte die Worte zur Verehrung von Tamis dem Sturm entgegen schrie. Es war, als hätte Tamis mich vernommen und noch schnell den Kurs geändert. Der Sturm, der den Geräuschen nach direkt auf mich zugekommen war, änderte plötzlich die Richtung und entfernte sich wieder. Ein paar aufgewirbelte Äste, Steine und Erdklumpen fegten über die Ebene und prallten gegen den Stein, doch der Sturm, der mich samt und sonders mitgerissen hätte war nun so weit entfernt, dass ich mich traute den Kopf über den Stein hinweg zu strecken.

Ich konnte mein Glück kaum fassen und vergas in dieser vollkommenen Verwirrung fast Tamis. Doch schließlich besann ich mich wieder, wem ich diese Glück zu verdanken hatte. Obwohl der Sturm noch tobte und der Regen unaufhörlich auf die Erde prasselte, kniete ich mich hin, richtete meinen Blick in die Richtung, in die ich den Sturm vermutete und verneigte mich ehrfurchtsvoll. „Habt Dank verehrter Tamis. Mein Dank sei Euch auf ewig. Nie werde ich euch vergessen. Seid gewiss, dass meine Verehrung euch gilt.“ Ich schrie es dem Sturm hinterher und verneigte mich erneut. Natürlich hatte ich die Götter verehrt wie es alle im Clan taten. Gerade als Heilerin gab es viele Gebräuche, bei denen die Götter angerufen wurden. Mal mehrere auf einmal, mal nur ein bestimmter. Auch wenn einige aus dem Clan, besonders die Alten, oft von Wundern erzählten, die die Götter vollbrachten, hatte ich bisher keines erlebt.

Da es schon so lange kein Wunder mehr im Clan gab, munkelten bereits einige, dass sich die Götter womöglich von uns abgewandt hätten. Viele gaben natürlich mir die Schuld daran und innerlich war ich mir nie sicher gewesen, ob die Götter wirklich auf mich hörten. Manchmal hatte ich mich gefragt, welche Götter wohl meine leibliche Familie verehrten, ob dies andere Götter waren und ob die Götter des Clans nicht auf mich hörten, da ich eigentlich zu anderen Göttern beten sollte. In manchen schwachen Stunden hatte ich mir die Worte des Clans zu Herzen genommen und wirklich daran geglaubt, dass die Götter dem Clan die Wunder versagten, da sie mich aufgenommen hatten. Doch all diese Bedenken waren nun wie weggewischt. Ich hatte ein Wunder erlebt und dieses Wunder galt allein mir.

Die Stürme legten sich und der Regen ließ auch wieder nach. Da bereits die Nacht angebrochen war, legte ich mich zum Schlafen immernoch mit dem wohligen Gefühl im Bauch, welches das Wissen um das Wunder in mir ausgelöst hatte. Mit einem Lächeln schlief ich ein, jedoch nicht ohne vorher erneut Tamis zu danken. Dies würde ein Ritual werden, welches ich vor dem Schlafen gehen wiederholen würde.

Am nächsten Tag setzte ich meine Reise fort. Weiterhin Richtung Norden, ohne Anhaltspunkte. Nachdem mir nach zwei Tagen die Gegend immernoch nicht bekannt vorkam, wandte ich mich nach Osten. Mit dieser Taktik versuchte ich den Weg, den ich bei meiner Flucht eingeschlagen hatte wieder zurückzugehen. Nach meinem Ermessen befand ich mich nun weit genug vom Lager der Twinkikis weg und müsste demnächst auf das Lager meines Clans treffen. Nach einem weiteren Tag in dem ich stur einen Fuß vor den anderen setzte, entdeckte ich gegen Abend eine Baumreihe.

Drei helle Bäume, die wie ein Dreieck  so dicht nebeneinander standen, dass sie sich weiter oben verhakt hatten und von dort an gemeinsam gen Himmel wuchsen. Es war ein heiliger Ort des Clans und für alle Jäger ein sicheres Zeichen, damit sie den Lagerplatz des Clan wiederfinden. Von den Bäumen aus kam man innerhalb eines halben Tages zum Clan, wenn man ein sehr gemütliches Tempo einschlug, wo auch die Ältesten mithalten konnten. Vor lauter Freude rannte ich auf die Bäume zu und umarmte einen von ihnen. Dann kniete ich mich, wie es für zurückkehrende Reisende üblich war, auf einen flachen Stein, der extra dafür in die Erde gelassen worden war, mit Blick zu den Bäumen und hob dankend die Hände mit den Handflächen nach oben. Ich dankte Leiku, der Göttin der Tiere und Reisenden, für meine sichere Heimkehr. Dankend verneigte ich mich vor den Bäumen, dann stand ich auf und schlug den Weg zum Lager ein.

Sintalis - Weiße RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt