¡Feliz Pascua!

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Die Wochen vergingen weiter, ich lernte alles auf einmal und viel zu viel. Mein Kopf schwirrte von morgens bis abends und ich wünschte mir einfach mal Zeit für mich. Meine Verschnaufpause kam zwei Wochen später. Ich merkte, wie sich die Stimmung im Haus änderte. An einem „miércoles" (ich hatte gelernt, dass es sieben Tage gab, die jeder ihren eigenen Namen hatten und sich ständig wiederholten. „el miércoles" war der mittlere Tag dieser sieben.), traf ich im Haus immer wieder jemanden betend an. Dabei knieten diese Personen auf unbequemen Holzbänken und beteten eine Figur an, die einen Mann an einem Kreuz zeigte. Der Mann an diesem Kreuz hatte Wunden und sah aus, als wäre er gerade gestorben, so wie er am Kreuz hing. Vor dem Kreuz stand seit heute eine Schüssel mit einem zerbrochenen Laib Brot

Als ich Lucía danach fragte, antwortete sie mir schlicht, es sei „Miércoles Santo" und als ich sie immernoch begriffsstutzig ansah erklärte sie mir, dass morgen „Jueves Santo" sei. Ich wusste, dass der Tag nach „Miércoles" „Jueves" genannt wurde, doch warum hießen beide Tage jetzt auch noch „Santo"? Da ich in ihrer Sprache nicht weiterkam, fragte ich Yermo nach der Bedeutung.

Er erinnerte mich an die Lektionen, die ich zu dem Gott bekommen hatte. Ich wusste, dass sie an nur einen Gott glaubten, der für alles verantwortlich war, von der Schaffung der Erde, der Menschen und der Tiere, sowie dafür, dass Frieden herrschte. Dieser Gott, den sie einfach nur Gott nannten, war so wie ich es verstand, für sie sowohl Vater als auch Richter. Yermo hatte mir erzählt, dass dieser Gott irgendwann einen Sohn hatte, der aber kein Gott war, sondern ein Mensch, außerdem gab es da dann noch den „Espírítu Santo" ein Wesen, welches Gott entsandte und was manchmal in Form einer weißen Taube auftrat. Auch wenn unsere Götter und deren Beziehungen untereinander auch schon immer schwierig für mich zu verstehen waren, verstand ich diese dreier Kombination, die verehrt wurde, wo aber nur einer ein Gott war, noch weniger.

Yermo erzählte mir jetzt, dass es bei diesen Tagen um „Jesús" ging, den Sohn von dem Gott. Er sagte, dass „Jesús" an dem morgigen Tag seine Freunde um sich versammelt hatte und mit ihnen gemeinsam gegessen hatte, wobei er das Brot für alle brach. Verwundert betrachtete ich, wie einer der Küchenjungen sich vor das Kreuz und das Brot kniete und fragte mich, wieso heute alle beten müssen, wenn der, den sie anbeten an diesem Tag nur gegessen hatte? Doch Yermo erzählte weiter und langsam verstand ich. „Jesús" wusste, dass er sterben würde, obwohl er noch ein junger Mann war. Er wusste, dass einer seiner Freunde ihn verraten würde, doch statt ihn bloßzustellen und vor ein Gericht zu ziehen, hat er mit ihm gegessen. Auch hat er allen seinen Freunden die Füße gewaschen, um zu zeigen, dass er nicht über ihnen steht. Nach dem Essen ist er mit einigen seiner Freunde auf einen Hügel gestiegen und hat dort gebetet. Einer der Freunde hatte ein bisschen Geld von den Feinden bekommen, dafür sollte er zu „Jesús" gehen und ihn für die Krieger der Feinde enttarnen. Die Krieger nahmen ihn gefangen.

Yermo beendete seine Erzählung und als ich ihn fragte, warum er endete, sagte er, dass die Geschichte erst am „Viernes Santo" weitergeht, also in zwei Tagen.

Nach dem Frühstück am „Jueves Santo" gingen alle aus dem Haus sowie alle, die nicht unbedingt arbeiten mussten zur „iglesia" einem Gebäude, welches allein für ihren Gott gebaut worden war und mit vielen bunten Bildern ausgemalt war. Normalerweise gingen die meisten nur am „Domingo" dem letzten Tag der Woche zum Beten in das Gebäude, doch Yermo hatte mir erklärt, dass dies Feiertage waren, an denen man jeden Tag in das Gebäude ging. Da ich so viel Interesse an der Geschichte zu diesen Tagen gezeigt hatte, lud er mich ein mitzukommen. Von dem „misa", wie sie die Zeiten nannten, in denen sie in das Gebäude gingen und mit dem Mann vorne beteten, verstand ich nur wenig. Vielmehr überforderten mich die vielen Regeln, die es hier gab. Man musste zu festgelegten Zeiten aufstehen, die festgelegten Worte sagen und sogar zu bestimmten Zeiten Beten. Ich versuchte alles so gut es ging nachzumachen und als alle aufstanden und sich der Reihe nach nach vorne begaben um dort den dem Mann in dem weiten, verzierten Gewand ein Stück Brot und einen Schluck auf einem Kelch zu bekommen, hielt mich Yermo zurück und erklärte, dass ich nicht daran teilnehmen dürfe. Auch wenn ich es nicht verstand, blieb ich auf meinem Platz und beobachtete weiter die Leute.

Am „Viernes Santo" brauchte ich Yermo nicht auffordern mir die Geschichte zu erzählen. Erneut hatte ich eine Veränderung im Haus bemerkt. Jedes Kreuz, welches ging oder stand, ob mit dem Menschen dran oder nicht, war durch dunkle Tücher abgedeckt.

Nachdem „Jesús" gefangen genommen worden war, wurde er vor das Oberhaupt der Stadt gebracht, der ihn zum Tode verurteilte. Aber anstatt schnell hingerichtet zu werden, wurde ihm der Tod am Kreuz zugedacht. Er musste selbst dieses Kreuz den ganzen Weg bis zu dem Ort tragen, an dem er sterben sollte. Da „Jesús" gesagt hatte, er sei ein Oberhaupt, wurde ihm aus Rache und aus Spaß eine Krone aufgesetzt, die aber so viele Dornen hatte, dass sie ihm ins Fleisch schnitt. Auf dem Hügel, wo sein Kreuz aufgestellt werden sollte, waren bereits zwei andere Verurteilte, sie waren mit Seilen am Kreuz festgebunden, doch „Jesús" wurde mit Nägeln durch die Hände und die Füße an dem Kreuz befestigt. „Jesús" wurden noch weitere Wunden zugefügt, bis der ungefähr zur Mittagszeit starb.

Während Yermo erzählte gruselte es mich und ich rieb mir unbewusste die Handflächen bei der Vorstellung. Es war eine spannende Geschichte, die er erzählte und doch fragte ich mich, wie ein Vater zulassen konnte, dass sowas mit seinem Sohn geschah. Und dieser Vater war ein Gott und hätte was dagegen machen können. Ich war noch in meinen Gedanken versunken, als wir zum Essen gerufen wurden und danach ging es erneut in die „iglesia". Auch hier war das Kreuz überall abgedeckt. Es wurde diesmal nicht gesungen und auch der Mann vorne sagte wenig. Stattdessen kehrte irgendwann absolute stille ein in der der Mann vorne flach und alle viere von sich gestreckt dalag, während die anderen Menschen beteten und dann nach und nach still das Gebäude verließen. Es war eine drückende Stimmung, die sich über alles gelegt hatte und ich fragte mich, warum es Feiertage hieß, wenn hier niemand in der Stimmung war zu feiern.

Am nächsten Tag war die „iglesia" geschlossen und auch die Geschichte von Yermo ging nur weiter, als dass er erzählte, dass „Jesús" vom Kreuz genommen wurde und einer seiner Bekannten ihm sein Grab überließ und sie ihn dort bestatteten. Dann war ein Fest in der Stadt, dadurch konnten die Frauen, die den toten normalerweise mit teuren Ölen salbten, nicht zu ihm.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wartete ein Kleid auf mich, welches in einem hellen Gelb erstrahlte mit aufgestickten Blumen und mich an das Kleid erinnerte, welches ich bei Nefets Vereinigung mit Vazal getragen hatte. Trauer überkam mich, als ich daran dachte, was alles seitdem passiert war. Doch die Trauer verschwand schnell wieder, als Lucía strahlend und ebenfalls in einem wunderschönen Kleid auftauchte und mir half. „¡Feliz Pascua!" rief sie mir zu, bevor sie wieder verschwand.

Gespannt fand ich mich im Wohnzimmer ein und wartete auf die Geschichte, die für mich schon nach dem Tod beendet gewesen war. „¡Feliz Pascua!" sagte auch Yermo zu mir und als ich ihn nach der Bedeutung fragte, setzte er die Geschichte fort.

Durch das Fest konnten die Frauen erst am dritten Tag nach dem Tod zu „Jesús" sie gingen zu dem Grab, einer Höhle, die mit einem großen Stein verschlossen war. Doch als sie ankamen, war der Stein zur Seite gerollt, sie betraten das Grab und „Jesús war verschwunden stattdessen wartete ein „ángel" auf sie und erzählte ihnen, dass „Jesús" nicht mehr tot sei und sie daher woanders nach ihm suchen müssten. Die Frauen liefen sofort zu den Freunden und erzählten ihnen davon. Daher wird der Tag gefeiert, denn Gott hat seinen Sohn vom Tod wiedergeholt. Dieser Tag bedeutet neues Leben.

Auch in der „iglesia" wurde wieder gefeiert und viel gesungen. Da ich von den Texten wenig verstand, summte ich die Leider mit und ich fing an mich an das gemeinsame Treffen in diesem Gebäude zu gewöhnen.

Sintalis - Weiße RoseWhere stories live. Discover now