Kapitel 34

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Ein lauter Schrei betäubt meine Ohren. Der Schrei von meiner Mutter. Dünya zieht wieder das Messer mit ihrer letzten Kraft raus und lässt es mit einem lauten Klickern auf den Boden fallen. Entsetzt und mit offenen Mund schaue ich mir das Blut an, dass von ihrem Oberschenkel fließt. Als ich das ganze Blut so anschaue wird mir schwindelig und übel. Es ist viel zu viel Blut und es hört einfach nicht auf zu fließen. Meine Augen gleiten zu Dünya, die emotionslos zu meiner Mutter schaut. Ihr Blick erinnert mich in den Moment an Umut's Blick. Diesen ausdruckslosen Gesichtsausdruck kenne ich schon mittlerweile in und auswendig und es lässt mich erschüttern. Ich kannte diese Seite nicht von Dünya, sie schien immer so liebevoll, als würde sie keiner Mücke etwas antun können.

"Du- du kleine hinterhältige Schlampe!" zischt meine Mutter mit verzerrten Gesicht und hält sich das Bein fest, um irgendwie die Blutung zu stoppen.

Mit voller Mühe schaffe ich es mich vom Fleck zu bewegen, um meiner Mutter zu helfen. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, weil sie mir auch nicht geholfen hat, aber sie ist nun mal meine Mutter. Eine Mutter kann sich niemand aussuchen. Ich frage mich, warum Dünya so etwas schreckliches getan hat, was sie dazu veranlasst hat. Sie hat einen anderen Menschen geschadet, so wie es ihr Sohn immer tut, dabei hätte ich gedacht, dass sie so etwas niemals unterstützt.

Meine großen Schritte führen mich zu meiner Mutter und als ich das Blut näher betrachte, wird mir kurz schwarz vor Augen. Ich kneife kurz die Augen zu und schüttele leicht mein Kopf, um ja nicht umzukippen.

"Wi-r brauchen ein Krankenwagen" meine Hände zittern, als ich nach meiner Mutter greife, die schon mittlerweile auf dem Boden liegt.

Vom Augenwinkel sehe ich nur, wie sich die ganzen Männer von meinem Vater um uns versammelt haben und gezielt die Waffe auf Dünya halten, um jeden Moment abzudrücken. Ich habe alles dafür getan innerlich, um meine Eltern zu verabscheuen, aber jetzt wo ich sie hier blutüberströmt am Leiden sehe, dann merke ich, wie sehr es mir das Herz bricht. Es kann mir nicht egal sein, so sehr ich es auch möchte. Mein Kopf schreit mir entgegen, dass ich aufstehen und ihr den Rücken wenden soll, nicht mehr zurück blicken soll, doch meine Füße sind wie festgenagelt und wollen sich nicht fortbewegen.

"Mira fass sie nicht an" knurrt mir die dunkle Stimme von Umut entgegen und schon packt mich Umut's fester Handdruck an meinem Arm und zerrt mich zu sich.

Ich Knalle leicht dabei gegen seine Brust.

"Umut tue doch etwas!" fordere ich ihn auf und will mich lösen, aber Umut verfestigt seinen Griff und lässt mich nicht los.

Als ich damit beschäftigt bin mich irgendwie von Umut's festen Griff zu befreien, ertönt plötzlich ein lauter Knall. Direkt danach folgt noch einer. Aus Reflex schreie ich leicht auf und kneife fest meine Augen zu. Umut der direkt agiert, hat seinen Arm um meinen Kopf beschützerisch geschlungen. Ich klebe förmlich an ihm, während er so gut es geht versucht mich zu decken. Mein Herz pumpt mir fest gegen die Brust, weil ich nicht weiß wo der Schuss gelandet ist. Ich muss sofort an Umut denken und reiße wieder schnell meine Augen auf, um zu gucken ob er verletzt. Doch Umut der mich immer noch fest an sich drückt gibt mir nicht die Möglichkeit, mich umzuschauen.

"Korkmaz!" zischt auch schon eine Stimme zu uns. Die Stimme meines Vaters.

Ich höre schwere Schritte die näher an uns heran treten und irgendwann verstummen. Bei der Stimme meines Vaters verkrampfe ich mich und plötzlich verengt sich mein Herz. Wenn er immer in der Nähe ist, dann fühle ich mich nicht mehr sicher. Doch ich spüre eine Schutzmauer um mich. Eine Schutzmauer die mich fest an sich drückt und niemals zulassen würde, dass mir etwas zustößt.

"Cem" zischt Umut im gleichen Ton zurück und löst sich langsam von mir.

Umut packt mich aber direkt schon an der Hand und verschränkt unsere Finger miteinander. In der Zeit habe ich die Möglichkeit mich umzuschauen ob irgendjemand verletzt ist, doch ich sehe nichts. Ich sehe nur wie sich die Männer von Umut um Dünya einen Kreis gebildet haben und sie beschützen. Wahrscheinlich hat mein Vater vor Wut in die Luft geschossen.

RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt