•SECHSUNDDREISSIG - ER•

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Manchmal wünsche ich, ich kann die Zeit zurückdrehen. Nicht, um etwas zu ändern. Nein, sondern um ein paar unvergessliche Momente nochmals zu erleben.

Ich war ein recht unangenehm erscheinender Kunde im Studio, der bloss den Wunsch hatte, sich irgendein Motiv stechen zu lassen. Sich ohne wesentlichen Grund eines stechen zu lassen, das weiss ich, ist kein Spass und sollte es auch nicht sein.

Ich beginne nochmals in der Innentasche meiner Jacke nach der Geldbörse zu suchen.

«Hast wohl deine Geldbörse vergessen, Kleiner!?», neckte der Künstler mich.

Ja, verdammt! Ich habe meine Geldbörse vergessen. Ich habe wie von Sinnen den Gedanken weggefächelt, weiss aber, dass es keinen Sinn haben wird, weiss, dass ich in der Falle bin, weiss, dass ich eine Tracht Prügel bekommen werde. Fuck!

Meine Angst vor diesem Typen wächst, denn dass er mich nicht leiden kann, ist offensichtlich.

«Und Kleiner, wo bleibt mein Geld? Umso länger ich darauf warten muss, desto reicher werde ich. 50 % in einer Minute versteht sich! Als Alternative würde dir eine anständige Tracht Prügel guttun, nicht wahr?»

«Ich ... äh ... ich habe gerade bemerkt, dass ich meine Geldbörse vergessen habe.»

Sein Blick wird kalt und finster.

Panik macht sich breit, aber auch das Gefühl von Ohnmacht. Es gib sonst nichts, was ich tun kann und ich habe auch gar keine andere Wahl. Hörst du, ich habe keine verdammte andere Wahl.

Deshalb habe ich sie angerufen.

Heidi aka Mona ist sauer, richtig angepisst kann man sagen, aber ich weiss, dass es die Besorgnis und nicht um meine Person ist, oder das was ich hier getan habe.

«Sie ist wohl die Einzige, die dir aus der Patsche helfen kann, Kleiner! Hast wohl kein anderne Freunde?»

«Nein, ich bin mehr so der Einzelgänger.», erwidere ich.

«Nein, Einzelgänger bist du nicht, so wie ich dich einschätze, Kleiner.»

Jetzt ändert sich sein Tonfall, als wäre der geschuldete Geldbetrag bloss eine Nebensächlichkeit.

«Du bist ein Kämpfer, dein Instinkt sagt dir, sie zu hassen. Aber wenn du vernünftig werden möchtest, musst du dich verändern.»

«Solche Vorwürfe und Anklagen sollen wohlüberlegt sein. Du scheinst zu glauben, wie es mir geht, weil du meine Narben gesehen hast?»

«Sollte mich das interessieren?» Der Künstler lacht tonlos. «Du magst doch eh keinen, also belassen wir es. Im Übrigen das heisse Kätzchen kommt. Sie ist sehr attraktiv, wenn ich ehrlich sein sollte.»

Seine Wortwahl macht mich wütend.

«Lass die Finger von ihr!», zische ich gereizt.

«Warum bist du denn auf einmal so gereizt?»,

«Quatsch nicht, sonst knall ich dir eine!»

«Das Kätzchen bedeutet dir mehr, als du dir eingestehen willst.», spottet er.

Plötzlich reisst ein Luftzug die Ladentür auf.

Das Klingel verkündet Monas Kommen. Fast zeitgleich drehe ich meinen Kopf um.

Eine Aura perfekt manikürte Eleganz umgibt sie. Oh Gott, niemand hat mir gesagt, dass eine Frau in einem Blazer so atemberaubend aussehen kann.

Ich atme tief durch. Fuck! Er hat Recht. Ich mag sie. Ist das alles, nach so einer kurzen Zeit?

Furchtbar gerne würde ich die wirkliche Mona kennenlernen, die sich, wie ich glaube irgendwo verbringt, aber das wird mir wohl nie gelingen.

Ich glaube ... ja, ich glaube, vielleicht möchte ich ihre Lippen berühren.

«Lou!», sagt Mona mit ihren sinnlichen Lippen, die ohne Vorwarnung so grausam werden können, sobald diese geöffnet werden.

«Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, ich dachte dir wäre etwas passiert!»

«Du hattest die Wahl. Du konntest dir Sorgen machen, bis du davon tot umfällst. Oder du konntest es vorziehen, das bisschen Ungewissheit zu geniessen.», entgegne ich ihr grinsend.

Ein schwaches Lächeln spielt um ihren Mund.

Gerade wenn sie mich so ansieht, fällt es mir erstaunlich schwerer.

«Hast du nichts Besseres zu tun, als mich in den Wahnsinn zu treiben?!?»

«Ehmm Nein?»

«Du bist ein ... ein .... Arg.»

Mona wendet ihren Blick von mir ab und fragt den Künstler: «Und was bin ich Ihnen schuldig?»

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Where stories live. Discover now