ACHTZEHN - ER

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Wenn ich es früher gewusst hätte, dann hätte ich wahrscheinlich meine Klappe gehalten. Aber wer macht es schon? Mein Gehirn legt automatisch den Knopf um und die Worte sprudeln wie ein Wasserfall aus meinem Mund.

«Was fällt dir eigentlich ein, dich mit unserem Stargast anzulegen?», wirft mir Clary währenddessen vor.

«Du nennst Mona einen Stargast? Da bleibt mir ja glatt die Spucke weg!»

So ein Buch zu schreiben, das kann doch jeder. Man tippt wie wild auf der Tastatur herum, worin die feurigen Gefühle mit den belebtesten Farben, in zarten Worten geschildert werden. Das ist doch keine Hexerei.

„Louis! Es ist ja schön, dass du wieder deinen Schabernack treibst. Aber Mona auf diese Art und Weise zu beleidigen ist einfach respektlos!

Sie hat es nicht verdient, gedemütigt und beschimpft zu werden. Es gibt keinen wesentlichen Grund!"

Ich lache mich ja schlapp.

Clary dreht meinen Rollstuhl um und antwortet kläglich. „Das hast du doch gar nicht nötig, dir Feinde zu schaffen."

Ihr Blick ist ausdruckslos.

„Niemand kann für eine Sache kämpfen, ohne sich Feinde zu schaffen."

„Louis Walker! Unterbrich mich nicht.", brüllt sie hysterisch und verschränkt wütend die Arme vor ihrer Brust.

„Das mache ich ja nicht, Honey!"

„Ich bin nicht dein Honey!"

„Aber du sagtest doch heute M-orgen..."

„Ich bin masslos von dir enttäuscht. Eigentlich wollte ich mit dir die Prothesen anschauen."

„Prothesen? Du hast meine Versicherung überreden können?

Sie schüttelt enttäuscht den Kopf.

„Sie sehen es nicht ein, den Betrag für die Prothese zu übernehmen, da du ja bereits eine hast.

„Hatte!", korrigiere ich sie.

Es gibt moderne Prothesen, die viel leichter sind, als die früheren einfachen Holzbeine. Und es gibt ein spezielles Model, das ich mir schon lange wünsche. Schon bevor ich meine erste Prothese erhalten habe. Es ist ein mega Hightech-Ding, das dir das Gefühl von einem richtigen Bein gibt. Ein Gefühl, dass ich nicht mehr beschreiben kann.

Was die heutige Medizin alles auf den Markt bringt, ist einfach unglaublich. Aber auch echt sauteuer.

So ein Ding kostet locker über 10'000.

Meine Eltern werden mir es nicht finanzieren. Denn sie haben den Kontakt zu Ihrem Krebs-erkrankten Sohn abgebrochen. Es wäre viel zu viel Leid, meinten sie damals, als ich die 2. Diagnose erhalten hatte. Zwar zahlen sie mir den Krankenhausaufenthalt und die Spesen, die dabei noch anfallen wie beispielsweise Medikamente, Routineuntersuchungen etc. mehr aber auch nicht.

„Ich begleite dich noch in dein Zimmer und dann muss ich mich noch in aller Form bei Mona entschuldigen. Es wird noch ein Nachspiel geben, mein Lieber!"

Es bringt mich umso mehr zum Lachen, als es mir wehtut. Als ob es ein Nachspiel geben wird.

Hauptsache, ich sehe diesen Star nie wieder. Sie kann aus dem Loch zurückkehren, woher sie auch gekommen ist. Wenn ich mich richtig entsinne, müsste sie aus der Schweiz kommen. Die reichen Käsefreunde erkennt man ja sofort an ihrem „CH", was bei den Deutsch Ohrenschmerzen verursacht. Noch ein Grund Mona abgöttisch zu verabscheuen.

Mona ist hübsch, aber nicht wirklich anziehend. Zudem scheint sie mir auch sonst keiner besonderen Beachtung wert zu sein.

Wortlos schiebt mich Clary Richtung Bett und ich erhebe mich aus dem ach so geliebten, Rollstuhl. Währenddessen schlägt Clary die Bettdecke zurück und hilft mir auf den letzten Meter.

«Wir können noch eine Runde Uno spielen?»

Clary schüttelt den Kopf.

«Nein, meine Schicht ist bald zu Ende und ich will nach Hause. Ich glaube, du kommst jetzt selber klar», entgegnet Clary und drückt mir dann die UNO-Karten in die Hand.

Ich verziehe mein Gesicht. Mein Gott, da scheint wirklich gleich jemand einen Herzinfarkt zu bekommen. Toll, jetzt bin ich der Böse und sie spielt die beleidigte Leberwurst. Clary spinnt doch!

«Danke!».

«Bis morgen dann, kleiner Frechdachs", wirft Clary mir grinsend nach, als sie die Tür erreicht habe. „Ja, bis morgen, Honey!"

„Bye!" Mit diesen Worten verlässt sie mein Zimmer. Die Tür fällt mit einem Klicken ins Schloss.

Mich fröstelt es und ich spüre, wie sich die Einsamkeit mich umgibt. Es macht mir sehr wohl etwas aus alleine zu sein. Ich hasse es.

Seit seinem Tod habe ich das dringende Bedürfnis jemanden zu brauchen, der mir das Gefühl gibt, nicht mehr alleine zu sein.

Eine unendliche Wut steigt in mir auf, gemischt mit Panik und Verzweiflung. Ich balle die Hände zu Fäusten. Einzelne Tränen laufen über meine Wangen, ich lasse sie zu.

Simon, ich vermisse dich so sehr!

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Where stories live. Discover now