ZWEIUNDSIEBZIG - ICH

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Zum allerersten Mal hatte ich nur ein bisschen Glück in meinen Händen gehalten. Und anstatt fest danach zu greifen, ist es mir durch die Finger entglitten. Vorhin hätte ich aufrichtig gegenüber Louis sein sollen. Ich hätte ihm alles erklären sollen, warum und weshalb alles passiert ist. Auch die unangenehme Geschichte mit Carl, die ganze Kampagne - komplett alles. Von Anfang bis zum Schluss.

Nur wenigstens einmal in meinem Leben hätte ich über meinen Schatten springen können und um jemanden wie Louis kämpfen sollen. Stattdessen habe ich innerhalb von wenigen Sekunden kampflos aufgegeben und bin weinend aus dem Gebäude gerannt.

So schnell wie an diesem Abend bin ich noch nie nach Hause gegangen. Die komplette Strecke vom Krankenhaus bis zu meinem Apartment bin ich zu Fuss mit meinen geliebten Chucks gegangen, bis ich gar nichts mehr spüren kann.

Am liebsten würde ich laut schreien oder mit dem Kopf gegen die Tür rennen.

Es brennt, es schmerzt und tut höllisch weh. Ich fühle, dass ich wütend werde und sich mein Körper anspannt. Als ich endlich in meinem Apartment bin, schnappe ich zuerst mein Notizbuch und werfe es mit voller Wucht gegen eine Wand.

«Scheiss Shadow Light!», brülle ich und muss mich für einen Moment auf Sofa setzen, weil es mir plötzlich Schwarz vor den Augen wird.

Eingehüllt in eine Kuscheldecke sitze ich dann bloss da und warte. Vielmehr auf eine Eingebung, ein Nachspiel und eine Zugabe des Schicksals. Gequält schliesse ich meine Augen und lasse den Schmerz wieder zu.

Zwanzig Minuten voller Qualen und peinigendem Schluchzen. Meine Tränen rinnen unaufhaltsam wie ein Wasserfall über meine Wangen.

Vielleicht kann ich ein wenig Alkohol vertagen, um meinen Kummer zu ertränken. Moment! Ist das wirklich echt? Habe ich etwa Liebeskummer?!

Diese höllischen Schmerzen, diese unendliche Trauer in mir und das elende Gefühl von Leere, das soll Liebeskummer sein? Das Universum will mich wohl auf den Arm nehmen?!?!

Ich hätte nie damit gerechnet, dass die Liebe so belasten sein kann. Erst dann nicht, wenn man sie verliert.

Bitte... bitte lass mich einen Moment alleine sein! Ich will dich nicht länger belasten, aber du sollst wissen, was ich fühle und wie leid es mir doch tut. Ich fühle mich so leer und so einsam.

Das Einzige was jetzt hoffe, dass morgen ein neuer, besserer Tag sein wird. Oder leichter gesagt, dass ein guter Tag mit weniger Herzschmerz wird.

Fest entschlossen werfe ich meine Kuscheldecke noch zur Seite, stehe auf und marschiere in meine Küche.

Ich greife nach der ungeöffneten Weinflasche im Kühlschrank, ziehe den Korken heraus. Ein starker Alkoholgeruch steigt mir in die Nase.

Nach dem Leitsatz «Alkohol ist die beste Lösung.» setze ich sie an und trinke.

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Where stories live. Discover now