FÜNFZEHN - ICH

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Manchmal reicht ein kurzer Augenblick und die Liebe stiehlt sich in ein Herz. Anonym

Mir ist heiss und kalt zugleich. Ich bin wie in einem Rausch und der Schweiss läuft mir aus allen Poren. Meine Augen können sich nicht mehr von diesem Gesicht lösen, das für mich alles hier ausstrahlt.

Eine Aura der Leidenschaft umgibt sein makelloses Gesicht. Ich kann einfach nicht aufhören an ihn zu denken. Es macht mich wahnsinnig!

Mein Blut pumpt durch meine Adern und ich spüre, wie es innerlich ein Feuer entfacht wird.

Wenn ich diese Begegnung in einem Buche festhalten würde, dann wäre ich absolut wortlos. Ich hätte wahrscheinlich wieder den leidenschaftslos blinkenden Cursor angestarrt. Nach einer Sprache gesucht, die es überhaupt gar nicht gibt. Gedankenverloren die Umgebung gescannt und mich auf den Songtext konzentriert.

Mit dieser Situation bin ich überfordert.

Niemals im Leben hätte ich gedacht, dass mich eine solche Begegnung dermassen aus dem Konzept bringen würde. Vielleicht bilde ich mir das nur wieder ein.

Die letzten Jahre habe ich gelernt mich strikt an meinen Weg zu halten und mich dabei emotional abzukoppeln. Was heute passiert ist, dass hätte nicht passieren sollen.

Ich bin es mir nicht gewöhnt solche Gefühle zuzulassen. Gefühle sind für mich ein Mysterium, dass ich zwar in einem Buch beschreiben kann, aber im Endeffekt nicht im echten Leben fühlen darf.

Es tut gut sich das Ganze von der Seele zu schreiben. Schon lange kann ich nicht mehr weinen und mich über die kleinen Dingen im Leben erfreuen.

Wer war eigentlich dieser junge Mann?

Was war seine Botschaft?

Ich muss mich erst mal besinnen, bevor ich überhaupt wieder klar denken kann.

Irgendwas war doch noch...Wie ein Geistesblitz kommt mir es in den Sinn...

Genau da ist ja noch die Lesung.

Im Krankenhaus!

Lucy, Parker und Tommy äusserten sich kaum zum kleinen Zwischenfall. Sie waren wahrscheinlich zu beschäftigt mit der Vorbereitung meines Auftritts.

Es soll alles perfekt werden. Aber wie soll das überhaupt gehen? Wenn ich überhaupt gar nicht vorbereitet bin? Zum einen habe ich mich gar nicht darauf eingestellt eine Lesung im Krankenhaus zu halten. Zum anderen ist mein Kopf leergefegt.

"Mona..."brüllt mich Parker an und greift nach meiner Hand.

„Hörst du mir überhaupt zu, wenn ich mit dir spreche?"

Ich nicke heftig. „Klar doch, Parker!"

„Also, was hälst du davon, wenn du hier....

Er setzt fort...

Ich höre ihm nur teilweise zu, weil ich selbst noch mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt bin.

„Also in knapp 15 Minuten beginnt die Lesung...Brauchst du noch irgendetwas, Mona?"

„Ein Glas Wasser wäre nicht schlecht!"

Er schaut mich verwundert an und lacht plötzlich.

„Du hälst ja eine Wasserflasche in der Hand." sagt er grinsend und deutet mit seinem schelmischen Blick auf meine Hände.

Ich blicke darauf. Mist! Da ist tatsächlich eine Wasserflasche.

„Gehts dir wirklich gut, Mona?"

Du fragst mich ob es mir gut geht? Nein, überhaupt nicht. Ich glaub, ich stehe kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Diese sogenannte Überraschung ging ja komplett in die Hose. Was fällt dir eigentlich ein mich in ein Krankenhaus zu schleppen? Du weisst ja, dass ich Krankenhäuser abgöttisch hasse. Der Geruch, Spritzen, Blut. Bedingungslos einfach alles was das Thema Krankenhaus beinhaltet. Zweitens hat mich vorhin ein Rollstuhlfahrer mit traumhaftschönen Augen überfahren,

der im Übrigen echt toll aussieht und mir seit einer halben Ewigkeit nicht mehr aus dem Kopf geht? du hast dich kein Sterbenswort darüber geäussert. Und zu guter Letzt, jetzt noch in diesem verwirrten Zustand eine Lesung zu halten, wird bestimmt hervorragend! Du hättest mich echt vorwarnen können, was der Tag mit sich bringt.

„Nett, dass du fragst. Mir geht es gut."

Und jetzt zurück zur Lesung...

„Mona ohne Plan - Chaos garantiert."

Ich hätte mich auf diese Lesung vorbereiten können d.h. jedes einzelne Wort hätte ich fein säuberlich in mein Notizbuch eingetragen, damit ich die Kontrolle hatte. Und meine erst Nervosität, die hätte ich auch noch vorab mit meinen Notfalltabletten in den Griff gekriegt. Irgendwie. Hauptsache ich krepiere nicht, hier in einem Krankenhaus.

Na ja, ich bin ein Kontrollfreak.

Leider gebe ich viel zu viel Energie aus, um zu verhindern, dass schlimme Dinge passieren.

Man könnte sich das so vorstellen, dass ich mit einem Ruderboot aus Holz den unberechenbaren Indischen Ozean durchquere. Dunkle Wolken ziehen auf. Der Wind pfeift. Es beginnt zu regnen. Anstatt mich auf den Sturm vorzubereiten, versuche ich den Sturm zu verhindern - auch wenn ich es nicht kann.

„Habt Ihr noch Fragen?" sage ich und schaue lachend in die Runde.

Die Lesung war einigermassen okay.

Ich hätte es definitiv besser machen können.

Punkto Kontrollfreak und Perfektionist.

„Warum hast du angefangen zu schreiben?"

„Ich habe eine Möglichkeit gesucht meine Gefühle und Gedanken auf eine Art und Weise auszudrücken. Musik war eine davon. Aber da ich überhaupt kein Rhythmusgefühl habe geschweige denn auf dem Klavier vielleicht nur „Alle meine Entchen" spielen kann, hielt ich diese Idee nicht für optimal. Meine Nachbarn sind mir auch deshalb sehr dankbar, wenn ich sie mit meinem schönen Gesang endlich in Ruhe gelassen habe.", beantworte ich die Frage.

Das Publikum lacht.

„Ich war stetig auf der Suche, bis ich eines Tages auf Wattpad gestossen bin. Na ja, der Rest ist der Geschichte.", setze ich fort.

„Wie findest du die Ideen für deine Geschichten?"

„Ich gehe einfach mit offenen Augen durch die Welt. Das reicht vollkommen aus, wenn man sich umsieht. Das Leben ist so schön und voll, dass man viel daraus ziehen kann."

Ich schaue mich erneut um, doch dieses Mal versuche ich intensiver die Gesichter zu betrachten.

Mein Blick bleibt einfach hängen, ich kann nicht mehr weiter durch die Reihen schweifen.

Ich hänge an diesen Augen fest.

Diese azurblauen Augen. Ich starre diese an. Ganz ehrlich ich liebe blaue Augen. Bis heute rede ich mir immer ein, dass ich sie leblos und fade finde und dass ich dunkle Augen, die ich von meinem Vater geerbt habe, vorziehe. Aber das ist eine Lüge. Es ist eine ganz andere, wildere Art von Liebe - ja, so nenne ich es mal, obwohl ich nicht an diese grosse Sache glaube -, die ich für die blauäugigen Menschen der Welt empfinde.

Er ist zu meiner Lesung gekommen.

Ich möchte gern hin und her überlegen, doch meine Gedanken drehen sich im Kreis. Alles wirbelt durcheinander.

Ich mag jetzt nicht schon wieder Chaos

im Leben haben.

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt