ZWEIUNDSECHZIG - ER

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Ich starre an die Decke und setze mich aufrecht aufs Bett. Wie oft sass ich hier und habe die Decke angestarrt. Meine wunderschöne weisse, sehr gut verputzte Decke. Sie hat etwas Beruhigendes an sich. Und jetzt dreht sich in meinem Kopf alles im Kreis. Die Decke treibt mich in den Wahnsinn!

Verdammt! Ich muss hier raus! Ich will hier raus. Ich setzte mich in den Rollstuhl und bewege die Hebel, beide Vordrücken und dann nach hinten Ziehen, und der Stuhl bewegt sich kerzengerade nach vorn.

Ich quäle mich vergebens herum, dann öffne ich die Türe und fahre hinaus.

Wohin ich gehen werde, weiss ich noch nicht. Viel bleibt mir nicht übrig, da sie mich dazu verdonnert haben, hier zu bleiben. Sie sind so verrückt, dass sie mir sogar einen Chip in meinen Rollstuhl verbaut haben.

Meine Prothese wurde immer noch geliefert, was wahrscheinlich auch nie der Fall sein wird. Scheisse, verdammt! Nicht einmal das coole Hightech-Ding kann ich testen.

Eine halbe Stunde später, sitze ich auf der Terrasse und schaue kurz auf die Uhr.

Ich halte es für brillant, wenn ich schon abkratzen werde, dann weiss ich wenigstens mein eigener Todeszeitpunkt.

Ich kann dir gar nicht sagen, was das in mir ausgelöst hat. Und in dem Augenblick wird mir ganz plötzlich klar, wie nahe am Abgrund ich bin. Am Abgrund der Verdammnis.

Niemand kann mich aufhalten. Niemand wird mich stoppen können, das steht schon mal in Stein gemeisselt. Ich fahre zurück zur Eingangstüre. Dann atme ich tief ein und aus.

Ich geniesse noch meinen letzten Augenblick. Denn darum geht es letzten Endes im Leben, im Moment zu leben und diesen in vollen Zügen auszukosten. Ich habe mein Leben gelebt, zwar nicht bis zum bitteren Enden.

OneRepublic hat ein Lied namens «I lived». Ich liebe den Text, weil es einem daran erinnert wird, dass man leben sollte. Es erinnert einem auch, dass man sein Leben in vollen Zügen geniessen muss - alles aus jedem Kampf herauszuholen und am Ende des Tages zu feiern. Ab heute bin ich es leid, zu kämpfen. Ich habe es satt und deshalb steht mein Entschluss fest.

An dieser Stelle bedanke ich ganz herzlich, dass du mich auf meiner Reise begleitest hast. Ich hoffe, dass es dir gefallen hat. Und sonstigem poetischem Scheiss, denn du dir liebend gern hier jetzt ausdenken kannst!

Ich sage dir Lebewohl, weil ich weiss, dass du mich nicht mehr brauchst.

Tu mir noch einen Gefallen und sag Mona bitte, wie sehr ich sie gemocht habe.

Dann rase ich mit übertrieben hoher Geschwindigkeit los.

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Where stories live. Discover now