VIERUNDZWANZIG - ER

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Was passiert eigentlich, wenn man stirbt?

Ich habe mir nie erlaubt, mir grosse Gedanken darüberzumachen - bis jetzt! Meine Krebs-Diagnose gilt in den Köpfen der meisten Menschen schon als Todesurteil.

Die ganze Welt scheint in sich zusammenzubrechen.

Niemand kann wirklich sagen, was passiert, wenn wir sterben. Aber bei dem Gedanken daran werden meine Glieder von Furcht ergriffen und ich bin wie gelähmt.

Und jetzt sitze ich hier und schaue mir das Spektakel namens little Heidi an. Dabei will ich eigentlich erst einmal alleine bleiben und mich wieder ins Chaos stürzen, jedoch lässt sich das ja nicht. All diese Scheisse, die meine Ärzte darüber reden, dass alles wieder besser wird. Sie denken, sie wüssten es, tun es aber nicht.

Ich bete, dass mich jemand rettet, jemand der heldenhaft ist. Letztendlich ist mein Leben egal. Ich weiss, tief drinnen, schmerzt es fürchterlich - ich kann es nicht zeigen.

Alle sagen, dass jedes Leben wertvoll, unter dem Strich interessiert sich niemand über meins.

Es muss langweilig für dich gewesen sein, bloss Eis mit einem krebskranken Badboy zu essen. Immerhin hast du eingewilligt, meiner öden Wette mitzumachen, wenn du wüsstest, wie schrecklich dieser Frass tatsächlich sein kann. Vielleicht hast du überhaupt nicht daran gedacht, was du für Konsequenzen tragen wirst. Von einer Lebensmittelvergiftung kann die Rede sein. Ich meine es ernst! Aber, hey! Zu Risiken und Nebenwirkungen frag doch unsere Ärzte oder Apotheker....

«Ist es gut?», frage ich neugierig.

„Ja, zum Teufel!», murmelt Mona mit vollem Mund. «Was für eine dumme Frage.»

«Jemand hat mir mal gesagt, dass es keine dummen Fragen gibt.»

«In diesem Fall ist es eine, Lou!»

«Und wenn jemand keine Schokolade mag? Dann würde er dieses Eis nicht so köstlich finden, wie du.»

«Niemand kann Schokolade widerstehen.», antwortet sie mir lachend. «Schon gar nicht der wahrhaftige Prinz von diesem Schloss.»

Ich senke den Blick und versuche ein Lächeln zu verbergen. «Ich bin sicher, dass es jemanden gibt.»

«Du findest auf der ganzen Welt keinen Menschen, der keine Schokolade mag?»

«Jetzt schränkst du die Wette also so ein, little Heidi?»

«Wer hat gesagt, dass es eine Wette ist?»

«Für mich hat jedenfalls so geklungen.»

«Also schön, Eure Hoheit!»

Heute ist ein guter Tag, weil ich es glaube und weil ich es sage. Kalter Schweiss perlt sich auf meiner Stirn. Glüht meine Stirn fiebrig oder mutieren meine Finger geradezu Heizstäben?

«Mir ist nicht gut, kannst du mich zurückbringen?»

«Kennst du nicht das schöne Wort mit 2 t's?»,

«Ein Wort mit 2 t's, spielen wir etwa Scrabble?», entgegne ich ihr zynisch.

Mona legt ihren Kopf schräg zur Seite, ihre feinen Augenbrauen ziehen sich zusammen.

«Lou? Wie wäre es mit bitte?», sie klingt genervt.

«Wie?»

«Schon vergessen? Ein Wort mit 2 t's, Lou?»

Ich strecke meine Hand in den Mund und verziehe mein Gesicht zu einer Grimasse, worüber Mona anfängt zu kichern.

«Bitte!», sage ich, falte die Hände wie zum Gebet und schaue reumütig Mona an, ja ich flehe förmlich, damit sie mich zurückbringen kann. Plötzlich dreht sich mein Magen um, mir wird schlecht, ich muss kotzen? Doch wo kann ich kotzen?

Ein merkwürdiger Ausdruck huscht über ihr Gesicht. Freude? Ärger? Was kann es bloss sein?

Ich muss kotzen. Und zwar jetzt gleich.

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Where stories live. Discover now