•FÜNFZIG - ER•

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Wenn ich immer gegen die Angst kämpfe, wird sie nur grösser und frisst mich auf.

Da liege ich in meinem Bett - wie immer. Die letzten Tage habe ich auch nichts anderes getan als zu liegen und mich zu erholen. Zum einen von meiner Chemotherapie, zum anderen von meinem kleinen Unfall.

Ich hasse mein Leben so dermassen. Manchmal da wäre ich froh darüber, wenn es mit einem Finger schnipsen vorbei ist. Einfach so. Ohne Rücksicht auf Verluste! Aber etwas Unerklärliches hält mich noch davon zurück.

Im Zimmer ist es warm und stickig. Ich richte mich auf und schaue mich um. Mein Blick bleibt jedoch an ihr hängen.

Mona, die ihre Arme auf dem Tisch gelegt und ihren Kopf auf ihre Jeansjacke gebettet hat, rührt sich nicht. Sie schläft tief und fest.

Ich kann sie noch einen Moment beobachten und habe jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren.

Der Kuss klebt noch immer auf meinen Lippen und ich beginne zu lächeln. Doch schon kommen Zweifel auf. Mir ist klar, dass sie das Gleiche will wie ich, jedoch besitze ich nicht den Mut dazu, ihr zu sagen, wie es um mich und mein Leben steht. Die Angst macht sich breit.

Ich kann nicht beides gleichzeitig. Gegen den Krebs kämpfen und das Herz von Mona erobern. Ich kann nicht drinnen und draussen gleichzeitig den Kampf austragen.

Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als mich zu entscheiden wie ein Wanderer, der sich entscheiden muss, welchen der zwei vor ihm liegende Wege er gehen möchte.

Den einfachen und kürzeren oder den steinigen Weg?

Ich komme mir vor, als ob ich an einem Abgrund stünde. Der Gedanke quält mich.

Allmählich bewegt sich Mona. Sehr langsam richtet sie sich auf.

«Morgen!", grüsse ich sie.

Mona streckt die Arme in die Höhe, als müsse sie die Wirbelsäule samt Nacken dehnen. Dann schaut sie mich mit ihren unergründlichen Augen an. Ihre Augäpfel glänzen - es ist, als schaue sie durch mich hindurch. Ich bekomme Gänsehaut bis unter die nichtvorhandenen Haare und glaube auch, etwas rot zu werden.

«Guten Morgen», gibt sie mir den Gruss gähnend zurück.

«Oh, ich muss wohl eingeschlafen sein», sagt sie und streicht sich mit der Hand durch ihr braunes Haar.

«Ja, sieht so aus! Was hast du denn so lange gemacht?», will ich schliesslich von ihr wissen.

«Ich habe in mein Notizbuch die Fortsetzung von Shadow Light geschrieben. Also nur ein Teil davon...Naja... aber ich bin nicht zufrieden damit. Ich habe festgestellt, dass Wortwahl und Satzbildung nicht meinem Schreibstil entsprechen. Kurz gesagt: Es hört sich verdammt langweilig an. Die Leser werden mich hassen...», klagt sie und legt die Hände vors Gesicht.

«Ach, Mona, so ein Quatsch, was erzählst du da nur, du machst dir viel zu viele Gedanken.

Du nimmst das Buch viel zu wichtig. Lass bitte diesen Unsinn sein?»

«Wie bitte? Ich soll alles an den Nagel hängen und aufhören?»

«Was? Nein! Das habe ich nicht so gesagt. Du solltest dich entspannen.»

«Ich bin entspannt...», zischt sie.

«Ich sehe es...»sage ich und muss echt lachen.

«du weisst ganz genau, was ich meine. Komm her, zu mir ins Bett.»

Sie zögert.

«Komm jetzt endlich! Es hat genügend Platz!»

Langsam kommt sie zu mir. Sie macht das Bett flach und legt sich zögerlich neben mich. Schliesslich nehme ich sie in den Arm, betrachte sie noch ein wenig und strich ihr vorsichtig die Haare aus der Stirn.

Ich rücke etwas näher, sie liegt dicht gepresst mit dem Rücken an meiner Brust und plötzlich schlägt mein Herz noch schneller.

Fuck! Nicht schon wieder!

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Where stories live. Discover now