ZWEIUNDZWANZIG - ER

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Es ist dunkel. Und still – ganz still.

Simon blickt hoch zu den zarten Wolken am Himmel. Bald nach dem Sonnenuntergang, am entgegengesetzten östlichen Horizont werden nach und nach mehr Sterne auftauchen.

„Hey Simon, hast du deinen Kopf mal wieder in den Wolken?"

Er schaut mich verständnislos an. «Was meinst du?»

«Warum starrst du denn immer gen Himmel?»

«Tja, das Weltall und die Sterne faszinieren mich. Es wäre wirklich etwas Besonderes, sie zu erforschen.»

Ich rümpfte die Nase. «Das ist wirklich langweilig», kommentiere ich genervt.

«Wunder sind leise, wie Sterne.», meint er darauf hin.

«Du bist also so poetisch veranlagt... Igitt!»

«Frauen stehen auf Poesie...»

«Ist das so deine Masche?», frage ich ihn verwundert.

«Lou, Ich habe keine Masche.»

«Dann ist deine Masche also, keine Masche zu haben.»

Simon hält einen Moment inne. «Du warst wohl nie verliebt, denn sonst wüsstest du es...»

«Liebe ist etwas für Idioten! Weisst du, unartige Ladies stehen bei mir Schlange...»

Simon zieht einen Mundwinkel zu einem Grinsen nach oben, lacht sein kehliges Lachen.

«Ach sehr interessant, ich werde dich gerne das nächste Mal daran erinnern...»

Plötzlich verwischt das Bild vor meinem Auge.

Nun sehe ich zu, wie Simon mit seinem Rollstuhl an den „Abgrund der Verdammnis" rollt. Als ich gerade NEIN schreien möchte, verschwindet die Szene vor meinen Augen.

„Louis!", höre ich eine mir bekannte weibliche Stimme brüllen. „Jetzt iss endlich dein Pudding auf!" Diese blaue Brühe sieht ja grauenhaft aus. Und das soll Wackelpudding sein?!

Als ich auf die Stimme zu gehe, erkenne ich durch den Nebel der Erinnerung einen Tisch, den mir den Blick versperrt.

Schlagartig öffne ich meine Augen. Wie aus dem Nichts erscheint plötzlich direkt ein Ball aus Licht, welcher auf mein Gesicht zurast. Ich kneife meine Augen zusammen.

Schmerzlos trifft mich der Lichtball; ein wohliges warmes Gefühl durchströmt meinen Körper.

Das muss wohl das Ende vom Anfang sein.

Willkommen im Paradies, lieber Lou!"

Ich richte mich auf und sehe mich um.

Merkwürdig, dass das Paradies mein Zimmer im Krankenhaus gleicht. Soll das etwa ein Zufall sein, oder doch vielleicht eine Mischung aus Sarkasmus und Schicksal. Das wird bestimmt einer der legendären Glatzkopf-Witze.

Vielleicht bin ich einfach nur im falschen Film gelandet. Gegenüber von mir sitzt jemand am Tisch, was ich leicht am Umriss erkennen kann. Ich fasse es nicht, dass mich schon jemand im Paradies besuchen kommt.

Hat wohl der Tequillashot am Empfang nicht genügt? Damit ich mir ganz sicher sein kann, reibe ich mir die Augen nochmals.

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Where stories live. Discover now