NEUNUNDFÜNFZIG - ICH

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Was schätzt du, wie oft wir Menschen am Tag belogen werden?

a) gar nicht

b) 50 - 100-mal

c) 100 - 150-mal

c) fast 200-mal

Gemäss einem Artikel der New Yorker Times, werden wir jeden Tag im Schnitt fast 200-mal belogen. Somit wäre «c» richtig gewesen. Herzlichen Dank fürs Mitmachen! ;)

Und weisst du, was das Schlimmste daran ist, das wir uns die Hälfte davon selbst belügen. Wahnsinn, oder?

Nicht nur Sätze, sondern auch Wörter können lügen. Dabei ist das Verhältnis der Ironie zur Lüge so gering.

Na, jetzt bist du überrascht. Nicht wahr?

Und ich erst!

In diesem ganzen Jahr habe ich die Wahrheit verheimlicht. Die Wahrheit über meine Gefühle zu Tom, die nie wirklich existierten.

Klingt hart, oder? Aber so ist es, wenn ich meine Gefühle zu beiden Männern auf eine Waagschale legen würde, schiesst eine davon binnen Sekunden in die Höhe.

Wieso ist mir das nicht schon früher aufgefallen? Schliesslich verwerfe ich den Gedanken sofort wieder. Erst hinterher ist man schlauer und weiss, was richtig oder falsch war.

Zwischen Lüge und Wahrheit ist meistens ein schmaler Grat. Vermutlich war es auch einer der Gründe, weshalb ich in Herrgottsfrühe eine Sondersitzung einberufen habe.

Ich habe also dann das Taxi gerufen, um so schnell wie möglich ins Büro zu gelangen.

Überpünktlichkeit liegt mir im Blut, was mir wieder zum Verhängnis wird, als ich dann viertel vor sechs vor dem geschlossenen Wolkenkratzer stehe.

Wenn ich mich recht entsinne, öffnet der Starbucks an dem Broadway pünktlich um 06:00 Uhr.

Es ist bloss ein Katzensprung entfernt, also marschiere ich los und warte wieder ein paar Minuten vor verschlossener Türe.

Diese Macke kann ich mir wohl nicht abgewöhnen. Ich werde also immer die Erste sein und warten müssen.

Nach einer Weile meldet sich dann der Barista «Der Cappuccino für Mona ist fertig» und überreicht ihn mit einem zauberhaften Lächeln.

Ich setze mich ans Fenster, weil man einen schönen Blick auf das bunte Treiben am Broadway.

Hinter den dunkeln Dächern geht langsam die Sonne auf. Die knallrote Kugel an sich hat schon etwas Magisches an sich.

Am Broadway verschwinden den Neonlichtern in ihrer gewaltigen Farbkraft, die gelben Taxis hupen auf ihrem Weg, allmählich wacht die Millionenstadt aus dem Tiefschlaf auf.

New York betrachte ich als mein zweites Zuhause. Es ist nach wie vor eine unglaubliche Stadt. Sie hat alles zu bieten, was dein Herz begehrt. In Momenten wie jetzt, wo ich alleine mit meinen Gedanken bin, vermisse ich etwas, treibt mich eine Sehnsucht an, die ich nicht beschreiben kann. Ich habe Heimweh nach dem Bodensee, es ist ein so trauriges, melancholisches Gefühl.

Der Alarm des Handys weckt mich aus den Gedanken. Zum ersten Mal bin ich darüber dankbar, dass ich mir einen Wecker gestellt habe. Sonst bin ich immer sehr schreckhaft, wenn dieser klingelt.

Also mache ich mich wieder auf den Weg.

BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt