Painkiller

By AlloraFiore

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Enthält mehrere Teile, die alle hier zu finden sind. Teil 1: Abgeschlossen Teil 2: Abgeschlossen Teil 3: Abg... More

Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
53. Kapitel
54. Kapitel
55. Kapitel
56. Kapitel
57. Kapitel
Painkiller 2
1. Kapitel
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24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
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30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
Charaktere Q&A
Charakter-Interview
Painkiller 3: Plan Tropea
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
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34. Kapitel
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36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
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40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
Painkiller 4
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
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26. Kapitel
27. Kapitel
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29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel

32. Kapitel

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By AlloraFiore

«Mili!» Ich hörte kleine Schritte den Flur runter tapsen und Sekunden später hing Dario an Amilias Bein, welche noch nicht einmal dazugekommen war, sich die Schuhe auszuziehen. Endlich war sie da. Ich musste dringend lernen und Dario konnte mich einfach nicht in Ruhe lassen. 

«Na, Rio?» Sie hob ihn lächelnd hoch und umarmte ihn. «Hast du die Bude unsicher gemacht? Papa sieht ganz schön fertig aus. Warst du auch ganz schön lieb zu ihm?» Er schaute mich an und nickte dann brav. Er mochte Amilias Haare so gerne und spielte wieder mit ihnen. 

«Ich bin im Zimmer und lerne. Bringst und holst du ihn von der Verhaltenstherapie ab? Er hat von 14 Uhr bis 14:45 Uhr diese dumme Lernphase auf der Station.» Amilia nickte und ließ ihn zurück auf den Boden. «Diese dumme Lernphase hat's uns schon viel einfacher gemacht mit ihm, Tiago.» Mochte ja sein, doch ich hatte keine Zeit. 

Ich könnte auf der Stelle toben, und die ganze Wohnung auseinandernehmen. Dario kapierte gar nicht, welch Druck er auf mich ausübte. Amilia sah mir an, dass ich an meine Grenzen kam und legte eine Hand auf meine Schulter. Dario rannte ins Wohnzimmer und räumte dort wahrscheinlich in seiner Spielkiste rum. Ruhe konnte er keine geben, aber was überraschte mich das auch? Irgendetwas musste er ja von meinen Genen abbekommen haben. 

«Ich geh' jetzt mit ihm los und du kannst die Zeit nutzen und dich in Ruhe ausruhen oder entspannt lernen, okay? Es ist alles gut. Ich habe es im Griff. Du weißt, du kannst mir vertrauen.» Ja, ich schuldete ihr echt die Welt. Sie war eine Riesenhilfe und nahm die Rolle seiner Mutter phänomenal ein. Wenn da nicht immer die echte auftauchen würde, hätte Dario sich sicherlich noch besser gemacht. Samantha war nüchtern und durfte ihn Samstags- und Sonntagsnachmittag sehen. Mit Beaufsichtigung natürlich. 

«Dario? Gehen wir zu Rosie?» Wir hörten, wie er sich wahrscheinlich an der Couch auf rackerte und dann wieder angerannt kam. Man konnte sagen und tun, was man wollte, aber er war schon verdammt niedlich und eigentlich eine nette Bereicherung, wenn er nicht so an mir hängen würde. Er hatte das Talent, immer etwas von mir zu wollen, wenn's mir ganz und gar nicht gut ging. 

Fiona meinte, ich musste ihm einfach klar kommunizieren, wann ich Ruhe brauchte und er das zu verstehen lernen musste, doch er hielt nicht viel davon. Böse konnte man ihm da ja auch nicht wirklich sein. Das hier war sein erstes Zuhause, mit Leuten, die ihn nicht einsperrten, schlugen, vernachlässigten oder abwiesen. 

Amilia kam mit einem schlummernden Dario nach Hause. Solche Sessions machten ihn immer ganz müde. Sie waren nicht einfach für ihn. Er tat sich so verdammt schwer, andere und deren Mienen zu verstehen. Man hatte bereits Verdacht auf Autismus gehabt, doch das konnte dann ausgeschlossen werden. 

Es waren wohl bloß seine turbulenten ersten Lebensjahre, die ihm da im Nacken lagen und sich an ihm festhielten. Aber mit Amilia und Rosie würde er da gut davonkommen. Ich machte mir da keine Sorgen. «Besser?» Ich nickte nur und rieb mir über meine Notizen lauernd, die Stirn. Ich könnte auf Knopfdruck losheulen und in mich zusammenfallen. 

Amilia umarmte mich von hinten und lehnte sich an meiner Schulter an. Ihr Blick lag auf der Matheformel, die ich selbst langsam nicht mehr sehen konnte. «Noch paar Monate. Dann hast du es geschafft.» Ich seufzte, «Ja, aber dann muss ich auch noch einen Job finden.» Sie tätschelte mir die Brust und richtete sich wieder auf. «Wirst du sicher. Du bist super.» Sie hatte bloß Mitleid mit meiner Situation und Dario. «Ich geh' mich kurz duschen. Schauen wir nachher einen Film?» «Ja ja...» 

Mir fiel der Leuchtstift vom Tisch und ich erlitt einen halben Herzinfarkt, als ich mich zur Seite drehte und Dario im Türrahmen stehen sah. Wie war er vom Bett runterkommen? Wir hatten ein Gitter drumherum. Zur Sicherheit, natürlich. «Was ist?» Er tapste leise ins Zimmer und zog dann an meiner Trainingshose. «No, Dario. Nicht jetzt. Ich muss lernen.» 

Er schmollte, «Anch'io voglio vedere!» Mir wieder die Stirn haltend schloss ich meine Augen und hob ihn dann hoch auf meinen Schoß. Er wollte auch schauen, was ich da las. Der Junge konnte nicht mal lesen... 

Ich sah ihm zu. Er schaute sich meine Notizen wirklich an, blätterte neugierig herum und zeigte immer wieder interessiert auf Bilder, Absätze und Formeln. «Cosa heißt das?» «Das verstehst du nicht. Das ist für große Menschen.» Wieder ein Schmollen. «Sono grande!» «Noch nicht groß genug. Komm, jetzt aber. Mili bringt dich wieder ins Bett, okay?» Er protestierte, als ich ihn zurück auf den Boden setzte und hörte, wie die Dusche ausging. Amilia war gleich fertig. 

«Wieso?» «Weil Papa seine Ruhe braucht.» «Wieso?» «Er kann sich sonst nicht konzentrieren.» Dario schwieg und dachte nach. Man konnte ihm ansehen, wie die kleinen Räder im Kopf drehten und als er eine Entscheidung getroffen hatte, begann er sich an meinem Schoß wieder hochzuziehen. «Dario», warnte ich ihn, doch er ignorierte mich. 

Amilia brauchte zu lange im Bad und ich wollte nicht, bis keine Ahnung wann, lernen, weshalb ich Dario packte und in sein Zimmer trug. «Du musst verstehen, dass ich nicht immer Zeit habe. Wir können die Unterlagen nachher zusammen anschauen, aber zuerst muss ich sie in Ruhe lernen, okay?» 

Ich bekam nur ein leises Wimmern zu hören und setzte ihn vorsichtig auf seiner Spieldecke ab. Ich blieb vor ihm in der Hocke und hielt ihm sein Stofftier hin, doch er traute sich nicht mehr, sich zu bewegen. Seine grünen Augen hingen glasig an mir und er schluckte schniefend. «Mili kommt gleich. Ist gut?» 

Ich hörte sie aus dem Bad kommen und ich strich meinem Sohn die Locken aus der Stirn. Sein Blick fiel und er zuckte etwas zurück. «Ich meine es nicht böse, okay?» Er nickte schwach und umarmte sein Stofftier. 

Amilia zog sich im Schlafzimmer um und ich setzte mich wieder seufzend an meinen Schreibtisch. «Was war los?» «Er wollte mitlernen.» Meine Freundin lachte leise auf und atmete entspannt aus. «Das ist doch niedlich. Und jetzt? Spielt er in seinem Zimmer?» Ich nickte nur und hob endlich den dummen Leuchtstift vom Boden auf. 

Es war alles geregelt. Dario war beschäftigt. Amilia war bei ihm und ich konnte das erledigen, was ich schon gefühlt eine Ewigkeit hinter mich bringen wollte. Auch als der Kleine zu weinen begann, war ich mir sicher, dass Mili das im Griff hatte. Schließlich rief sie nicht nach mir. Doch sein Weinen hörte nicht mehr auf und ich konnte meine Freundin gar nicht mehr hören, weshalb ich mich doch wieder erhob und in den Flur blickte. 

Neben Darios geschlossener Zimmertür hockte Amilia am Boden. Sie hielt sich genervt den Kopf und rieb sich die Augen. «Rosie meinte, dass wir es so auch mal versuchen sollen, wenn er nicht mit sich reden lässt...» «Was ist denn?» Amilia stand auf und kam erschöpft in meine Arme getaumelt. Ich umarmte sie sanft und schaute zu Darios Zimmer. Er tobte. 

«Ich weiß es nicht. Er war auf einmal ganz trotzig und hat angefangen, mich zu hauen und dann irgendwann fiel der Schalter um. Man kann nicht mehr mit ihm reden, nichts. Ich musste da raus, sorry. Manchmal sind mir diese Aussetzer auch zu viel, weißt du? Du musst mir da auch helfen. Er ist schließlich dein Sohn.» Ich liess sie wieder los und lauschte. 

Ich schrak von der Zimmertür zurück, als etwas Härteres dagegen geworfen wurde. «Und die meinten, ihn alleine zu lassen, sei richtig?» Amilia zuckte mit den Schultern, «Bis er sich beruhigt hat, ja. Er muss lernen, dass er seine Gefühle zu fühlen, aber nicht auszunutzen hat. Sonst tobt der uns jedes Mal so, wenn er was will.» 

Mir wurde es aber zu bunt, als ich sein Bett über den Bode ruckeln hörte. Er war sechs Jahre alt. Das Bett hatte er nicht zu schieben. Er könnte sich wehtun. Ich schloss die Tür auf und packte ihn an seinem Oberarm. Er haute mir entgegen, kickte nach mir und schimpfte mich aus. «Du bist partito!» Er traf mein Gesicht und ich setzte ihn bestimmt auf sein Bett und fixierte ihn dort. «Bin ich nicht! Ich bin da! Siehst du doch, oder?» 

Seine mit Tränen überströmten Wangen klebten und ich wollte ihm sein Oberteil richten, als er aber wieder nach mir kickte und mir beinahe mit den Fingern in die Augen krallte. «Mi hai lasciato solo!» «No, Dario! Habe ich nicht! Jetzt reiß dich zusammen! Du bist keine fünf mehr!» Schließlich war er schon sechs. 

Amilia tauchte neben mir auf und Darios Augen wurden scharf. Er schwang seine Hände in ihre Richtung und ich fand für den Moment keine bessere Lösung, als ihn auf der Matratze zu fixieren, bis er sich wieder selbst beruhigen konnte. Er weinte, schrie und wand sich unter meinem Griff hin und her. 

Ich suchte den Blick meiner Freundin. «Das war verdammt nochmal das erste und letzte Mal, wo wir ihn in einem Zimmer einsperren und allein lassen! Das geht bei ihm ganz und gar nicht!» Sie nickte und versuchte Dario zu beruhigen, doch das schaffte dann nur seine Erschöpfung, welche 40 Minuten später eintrat. 

Es war traurig, aber wahr; wenn nichts half, musste man seine Batterien auslaufen lassen. Das heute war nicht das erste Mal gewesen. Seine Ausbrüche waren unberechenbar und kamen meist plötzlich. 

Meine ganze Woche war mit Prüfungen befüllt. Ich musste so ziemlich alle bestehen, um es schaffen zu können und mir kam's allein schon beim Gedanken daran hoch. Dario auch, denn er schob seinen Teller über den ganzen Tisch weg und weigerte sich, sein Abendessen zu essen. 

Amilia hatte ihm extra etwas Leckeres gemacht. Doch er hatte wohl vergessen, wo seine Manieren waren. «Dann isst du halt nichts. Es gibt das, was auf den Tisch kommt.» Ich hatte die Schnauze mehr oder weniger voll und nahm ihm den Teller ganz weg. 

Unsere Trinkgläser schob ich extra aus seiner Reichweite. Wir hatten auf die harte Art und Weise lernen müssen, dass dies manchmal nötig war. Dario hatte uns schon mehrere Gläser vom Tisch geschleudert, weil es nicht das zu essen gab, was er wollte. 

Amilia stand auf und räumte unser Geschirr in die Spülmaschine. Dario machte seinen Hochstuhl selbst auf und quengelte mit den Beinen strampelnd. Er kriegte ihn zwar auf, doch wir hatten einen mit einer Schnalle kaufen müssen. Er war festgeschnallt, wie im Kindersitz im Auto. 

Dario war schlau. Er musterte uns, sah wie wir gewisse Dinge machten, öffneten und so weiter. Er lernte diese Sachen verdammt einfach. Auch jetzt, er war am richtigen Ort bei der Schnalle, nur fehlte ihm die Koordination, um sie zu öffnen. 

«Gehst du mit ihm ins Bad?» Ich trocknete meine Hände ab und schielte rüber zu meiner Freundin, welche meinen Sohn nachdenklich beobachtete und die Lippen zu einer Linie zusammenpresste. Dann schüttelte sie den Kopf. «Mach du das bitte heute. Ich brauch' eine Pause.» Ich stockte und sah sie verwirrt an. «Es war deine Idee, ihn zu uns zu nehmen.» 

«Ja, aber ich brauch' echt eine Pause. Ein Abend, bitte. Er ist so viel Arbeit. Ich will vor lauter Frust und Müdigkeit nichts falsch machen.» Ich wartete darauf, dass sie zu lachen beginnen würde und mir sagte, dass es ein Scherz sei, doch sie blieb ernst. 

Schnaubend machte ich Darios Schnalle auf und hob ihn hoch. Sein Quengeln verstummte und er hielt sich an meinen Schultern fest. Sie war müde? Und was war mit mir? Ich lernte mir gefühlt das Hirn kaputt und kam kaum hinterher mit meinem Leben. Und jetzt musste ich auch noch Dario fürs Bett fertig machen? Meine Fresse, man. 

Konnte man ein Kind einfach abduschen? Also... Ich hatte-, also... Aber nein, ich hatte Amilia immer an der Wanne knien sehen. Sie badete ihn meistens. «Dario, Arme hoch.» Er weigerte sich, doch ich zog ihm das Oberteil dann trotzdem über den Kopf und ließ warmes Wasser einlaufen. 

«Bist du jetzt wütend auf mich?» Amilia stand im Türrahmen und ich verdrehte nur meine Augen. «Ist ja nicht so, dass ich auch müde bin.» Sie räumte was rum und hielt mir einen Waschlappen und einen kleinen Schwan hin. «Damit spielt er und ist abgelenkt.» Ich warf das Vieh in die Wanne. Also den Schwan, nicht Dario... So böse war ich nun auch wieder nicht. 

Die Augen auf den Schwan fixiert, wollte er selbst in die Wanne klettern. Er wollte dringend den Schwan haben. Ich zog ihm aber noch die Hose und seine Socken aus, bevor ich ihm hineinhalf. «Er ist da eigentlich sehr selbstständig.» «Ja, wieso muss ich es dann machen?» Amilia seufzte nur und ging kommentarlos in unser Schlafzimmer. 

Dario tunkte den Schwan und haute einmal ins Wasser. Sein Trotz war verschwunden. Er war wieder zufrieden und beschäftigt. Ich wünschte, ein Schwan könnte mir auch alle Sorgen wegnehmen. Er planschte zufrieden herum und gab gar keine Acht darauf, wie ich ihm Shampoo in die Haare kippte. 

«Pass aber auf seine Augen auf!», hörte ich Amilia den Flur herunterrufen und ich konnte die Augen meines Sohnes gerade noch rechtzeitig vom Shampoo schützen, das ihm aus den Haaren übers Gesicht herunterlief. Aber ihm war's egal. Mir spritzte Wasser ins Gesicht und ich zuckte etwas zurück. So mühsam und schlimm war das nun gar nicht und irgendwie hatte es etwas Schönes an sich, ihn so gelassen und zufrieden zu sehen. 

Doch es war auch gruselig. Einmal so und dann wieder so. Laut Fiona und Marco war es wichtig, dass wir ihm einen ausgeglichenen Alltag boten, um diese Umschwünge in den Griff zu bekommen. Er hatte viele Veränderungen und Zwischenfälle hinter sich. Dass er also die Balance verloren hatte und sie kaum mehr zurückgewinnen konnte, konnte man ihm nicht übelnehmen. 

Ich wusch ihm die Hände, schäumte ihn ein und stockte, als ich kleine Striche fand. Ich strich mit dem Daumen darüber, um zu schauen, ob ich sie wegwaschen konnte, doch sie blieben. «Dove l'hai preso?» Dario schaute mich an und zuckte dann belanglos mit den Schultern. Ich hob seine Hand näher an mein Gesicht heran und strich nochmals über diese Striche. Sie waren ganz fein und überhaupt nicht schlimm, aber ja... Das waren Kratzer. 

«Bist du hingefallen?» Er schüttelte den Kopf und langte wieder nach dem Schwan. «Hat dir jemand wehgetan?» Er sagte nein und ich hockte mich ganz an den Wannenrand heran. «Hast du dich selbst gekratzt?» Er zuckte nur wieder mit den Schultern. «Nicht kratzen, okay? Das ist nicht gut.» Ein Nicken, aber der dumme Schwan war und blieb interessanter. 

Er schlief um 21 Uhr endlich ein und ich stellte Amilia zur Rede, welche auch schon halbtot in unserem Bett lag. «Ist er heute irgendwie hingefallen?» «Wer? Dario? Der fällt täglich durch die Gegend. Du weißt ja, wie er ist. Seine Beine kommen manchmal gar nicht hinterher.» Ja, sie hatte recht und ich musste beim Gedanken daran auch sanft grinsen. 

«Er hat diese Kratzer auf dem Handrücken. Denkst du, er hat sich in einem seiner Ausbrüche aus Versehen selbst gekratzt?» Sie setzte sich besorgt auf. «Vielleicht? Woran denkst du?» Ich verlor ein Seufzen und zog mir den Pullover aus, um neben ihr in die Kissen zu tauchen. «Keine Ahnung. Du weißt, dass ich da verdammt heikel bin.» «Meinst du, SVV?» Ich brummte ins Kissen und drehte mich auf den Rücken. 

«Er ist doch zu jung dafür, oder? Das war ein Versehen und nicht gezielt.» «Sicherlich. Aber wenn's öfters auffällt, sollten wir da schon was machen. Er versteht das doch noch gar nicht.» Amilia nickte und rollte sich auf mich drauf. «Denkst du, ich könnte ihm meine Diagnose vererbt haben?» 

«Das kann man nicht weitervererben, Tiago. BPS kommt von Traumata.» Ich deutete den Flur runter. «Davon hat er sicher schon mehr als genug. Und ich habe einfach Angst davor, es ihm mit meinem BPS noch schwerer zu machen.» Sie seufzte nur und legte ihren Kopf an meine Brust. «Du machst schon das Richtige.» 

Ihre Zuversicht und ihre Unterstützung hielt mich und Dario über Wasser. Sie half uns beiden verdammt viel. Ich liebte sie unsterblich doll und konnte mir ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen. 

Ich schaffte meinen Abschluss gerade noch. Es war grenzwertig, aber ich hatte mein Diplom nun und schrieb fleißig Bewerbungen. Dario verbrachte seine Morgen im Kindergarten und seine Nachmittage auf der Station bei Rosie. Er war gerne dort, denn er spielte gerne mit Diego, Noè und den anderen. Und so war Amilia auch etwas entlastet, denn sie musste im Moment mehr arbeiten als auch schon. 

Ich hatte nächste Woche drei Bewerbungsgespräche und ein gutes Gefühl. Meine Laune war endlich wieder mal oben, wir hatten die Balance gefunden. Doch die Wolke, die über Amilia hauste und immer größer wurde, machte mir Sorgen. Sie kam in die Küche und machte sich einen Espresso. «Du siehst gestresst aus.» «Bin ich auch und ich weiß ganz genau, was das heute Abend wieder für ein Theater mit Dario gibt, wenn er seine Hausaufgaben nicht machen will. Ich habe gerade echt keinen Bock auf irgendwas.» 

Ich musste schwer schlucken. Hatte ich etwas falsch gemacht? Vielleicht hatte ich etwas Falsches gesagt, oder so? «Er bessert sich. Er mag die Aufgaben halt einfach nicht, die sie ihm geben.» «Ja, aber er muss das doch nicht an mir herauslassen. Und er wird immer größer. Seine Schläge tun auch verdammt weh, Santiago. Er kommt jetzt in ein Alter, wo ich definitiv mehr Unterstützung von dir brauche.» Ich nickte nur und rieb mir die Augen. 

Ich konnte sie verstehen. Sehr gut sogar. Doch ich sah nicht, wie ernst sie es doch meinte. Ich realisierte zu wenig, welch Druck auf ihr lag. Ich kapierte es erst, als ihr Vater an unserer Haustür klopfte und wütend auf mich losging, weil seine Tochter weinend bei ihm im Auto saß und nicht mehr konnte. 

«Sie macht alles! Sie zieht den Bengel einer anderen Frau auf und lässt sich von ihm schlagen und nerven, und du?! Das kann's doch nicht sein, Santiago! Das ist dein Sohn! Nicht ihrer!» Mir fiel fast die Tasse aus der Hand, so überrumpelt war ich. 

Ich hatte einen Kater von gestern. Amilia war aus der Wohnung gestürmt, weil wir uns gestritten hatten und ich hatte mir danach etwas zu viel Wein heruntergekippt. Dario hatte davon nichts bekommen. Er war da bereits im Bett gewesen. «Es war ihre Entscheidung, ihn aufzunehmen. Ich wollte ihn doch gar nicht», zischte ich dann und flüchtete von diesem Mann gehetzt in den Flur. 

«Ja, na und? Sie geht kaputt an dir und deinem Kind! Dieses Kind ist der Horror!» Ich schüttelte meinen Kopf und stellte meine Tasse im Flur auf eine Kommode. «Dario kann da am wenigstens dafür. Er kommt aus schwierigen Verhältnissen. Er mag Amilia richtig doll!» «Es ist aus! Das hat heute ein Ende! Du wirst von Amilia nichts mehr hören und sehen! Sie zieht aus!» 

Es war wie ein Schlag mitten in den Magen. Mir wurde schlecht und ich lief ihrem Vater aufgebracht hinterher. Amilia stand draußen beim Auto. Sie weinte und sah mich verloren an. «Halt! Das kann nicht sein! Ich komme ohne dich nicht klar!» Ich lief auf sie zu und wollte ihre Hände nehmen, doch ihr Vater riss sie von mir weg. 

«Ein Nichtsnutz! Kann nicht mal sein eigenes Kind versorgen!» Ich versuchte, ihn zu ignorieren und suchte Milis Augen. Sie schniefte und zuckte mit den Schultern. «Ich will dich nicht verlassen, Tiago. Ich liebe dich, aber er wird mir zu viel. Ich kann das nicht mehr. Dario macht mich fertig.» «Aber er liebt dich! Du ihn doch auch!» 

Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte, ihr Zittern zu bändigen. «Ja, ich liebe ihn. Er ist und bleibt mein Sohn, doch ich kann das nicht. Ich kann auch nicht für immer von zu Hause aus arbeiten. Ich will auch Karriere machen. Und das klappt so alles nicht mehr. Deine Launen, seine Ausbrüche und Probleme. Ich geh' daran kaputt.» Ich wollte sie in meine Arme schließen, doch ihr Vater schubste mich weg. «Krieg' dein Leben zuerst in den Griff, bevor du andere mit herunterziehst, de Moreno!» 

«Mili?» Dario kam aus dem Haus getapst und rieb sich müde die Augen. «Rio, hi», lächelte sie und ging in die Knie. Er lief weiter auf sie zu und wollte von ihr hochgehoben werden. «Dove gehst du hin?» Ihr Vater schnaubte genervt auf und schaute Dario böse an. «I-Ich gehe zu meinem Papa.» Dario schaute ihn an und rümpfte nervös die Nase. Fremde Männer machten ihn noch immer unsicher und verängstigten ihn. 

«Papa?» «Ja, das ist mein Papa. Ich habe auch einen.» Er sagte ihm leise hallo und hing sich dann an Amilia. Er spürte die Unruhe in der Luft sicherlich. Ich wusste, dass er sehr sensibel war. «Wann kommst du wieder zurück?» Sie hob ihn hoch und lief zu mir hin. «Bal-» 

«Gar nicht!» Ihr Vater. «Mili kommt nicht mehr zurück!» Amilia hatte mir Dario übergeben und schluckte schwer. Dario streckte direkt wieder die Arme nach ihr aus, «Mil-, Mama? Mama, bleib.» Amilia traute ihren Ohren nicht und brach beinahe zusammen. «Mama!» 

«Dario, wir gehen rein, okay?» Er strampelte mit den Beinen und begann sich zu wehren, doch ich fand es am schlausten, ihn jetzt wegzubringen. Ich sperrte die Haustür hinter mir ab und ließ Dario alleine im Flur warten. Ich musste Amilia sprechen. 

Sie hockten beide bereits im Auto. Mein Mädchen schluchzte und zitterte. Ich lehnte mich an ihr Fenster und langte nach ihrer Hand. «Nicht nur ich brauche dich. Er auch. Wir lieben dich. Du kannst mich jetzt nicht verlassen. Wir finden da eine Lösung, versprochen! Es tut mir leid, dass ich nicht besser zugehört habe. Es tut mir so krass leid. Bitte, Babe. Tu mir das nicht an.» 

Sie weinte, doch schüttelte den Kopf. «Sag ihm, dass ich ihn liebe. Ich denke an ihn, Santiago. Ich werde ihm Briefe schreiben, aber das hier geht nicht mehr.» Mir fiel ein Schalter um und ich richtete mich auf. 

Sie liebte ihn, sorgte sich um ihn, doch was war mit mir? Plagte sie kein schlechtes Gewissen, mich nun alleine zurückzulassen? Und das mit einem Kind, welches ich nicht hüten, weder noch großziehen konnte. Sie hatte das alles nie wollen, oder? Sie war doch diejenige gewesen, die Dario aufnehmen wollte. Sie hatte mir das eingebrockt und jetzt ließ sich mich alleine zurück? 

«Wenn das so ist, braucht er keine Briefe von dir! Du kannst mich mal, Amilia.» Ich lief zurück in die Wohnung und hörte ihren Vater noch etwas sagen, «Er ist's nicht wert, Amilia. Sei froh, dass du ihn los bist. Er ist krank und sein Kind auch.»

Wenn man bedenkt... Dario ist da sechs...

Nur sechs Jahre später raucht und trinkt er schon, und hat sein erstes Tattoo...

Und sieben, fast acht Jahre später wird er missbraucht. Und neun Jahre später stirbt er beinahe an Selbstmord...

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