Painkiller

By AlloraFiore

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Enthält mehrere Teile, die alle hier zu finden sind. Teil 1: Abgeschlossen Teil 2: Abgeschlossen Teil 3: Abg... More

Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
53. Kapitel
54. Kapitel
55. Kapitel
56. Kapitel
57. Kapitel
Painkiller 2
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
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13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
Charaktere Q&A
Charakter-Interview
Painkiller 3: Plan Tropea
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
Painkiller 4
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
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32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel

4. Kapitel

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By AlloraFiore

«Ihr wart einkaufen?» Dad kam aus dem Haus, als Dario davor parkte und den Schlüssel zog. Ich sprang aus dem Auto, machte den Kofferraum auf und deutete Dario, mir zu helfen, doch Dad kam auch dazu. 

Er bot Hilfe an, die ja auch willkommen war, doch als Rio und ich beide unsere Einkäufe betrachteten und mittendrin die Kondompackung entdeckten, begannen wir beide zu schwitzen. Also das brauchte Dad echt nicht zu sehen und wissen. 

Rio drehte sich hektisch zu ihm um und fing ihn geschickt ab. «Könntest du dir echt kurz die Handbremse vom Auto anschauen? Die leidet echt krass unter Noès Obhut. Vor allem auch, weil sie sie immer so grob anzieht.» Dieses Mal sah ich über Darios Angriff auf meine Fahrkünste hinweg und war einfach froh darüber, Dad die Kondome enthalten zu können. 

Ich langte nach der Packung und dann fiel mir auf, dass ich sie nirgends verstecken konnte. Sie war definitiv zu groß, um unter meinem Shirt zu verstecken. Ich könnte sie in den Koffer packen. Ideen hatte ich genug und auch gute, doch die Zeit war ausgelaufen, weshalb ich ausholte und die Packung ins Gebüsch vor unserem Haus warf. 

Dario schrak auf und Dad tat ihm gleich. Rio wandte sich stutzig zu mir, bis ihm einblendete, dass ich etwas sehr Dummes, aber auch amüsantes getan hatte. Er lachte leise auf und schüttelte dann den Kopf. «Was war das denn?» Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern und deutete zum Gebüsch. «Vielleicht ein Eichhörnchen oder ein Igel, oder so.»

Rio lief beinahe schon rot an, weil er sich so am Riemen reißen musste. Dad ging aber nicht weiter auf das mysteriöse Buschgeräusch ein und half uns beim Reintragen der Sachen. Bei den Treppen holte Lio mich ein und er schlang einen Arm um meine Schultern, um mich beim Gehen enger an sich heranziehen zu können, «Das mit Dingen verstecken und schmuggeln müssen wir wohl nochmals üben.» 

Er entlockte mir ein schüchternes Grinsen. «Ja, sorry. Ich hatte Panik. Stell dir vor, er hätte die gesehen.» Mein Freund drückte mir einen sanften Kuss an die Schläfe und ich schlang meine Arme um seinen Bauch, weil ich ihn noch auf etwas anderes anzusprechen hatte. «Meintest du nicht, dass Gewalt keine Lösung ist?» 

«Das sind Kellys Worte, nicht meine... Plus, das war keine Gewalt. Persönlich würde ich es Gerechtigkeit nennen.» Ausnahmsweise war ich mal derselben Meinung wie mein Italiener. «Wir dürfen nicht vergessen, die Kondome aus dem Busch zu holen.» Dario winkte ab. «Ich hol' sie, wenn ich nachher gehe.» 

Mich aufs Bett werfend musterte ich Dario, der sich, wie immer eigentlich, die Anime an meinem Pult anschaute. Er interessierte sich irgendwie dafür, aber wagte es nicht, sie zu schauen. Vielleicht war er aber auch einfach zu faul, um Animes mit verdammten 500 Episoden zu starten. 

«Wieso hast du die eigentlich gekauft?» «Zum Wasserballone werfen», scherzte er und sah mich verspielt schmunzelnd an. Klar, wusste ich, wieso man Kondome kaufte, aber wir hatten uns darauf geeignet noch etwas länger zu warten. Dass Dario nun spontan nach Kondomen gegriffen hatte, hatte mich etwas nervös gemacht. Sehr sogar. 

«Plus, es schadet nicht, ein paar auf Lager zu haben. Hast du gestern doch auch gesagt. Und zusätzlich habe ich einfach nach einer Packung gegriffen, weil ich nicht wusste, was ich mit meinen Händen hatte anfangen sollen. Sonst hätte ich dem Arschloch noch im Supermarkt die Fresse eingeschlagen.» 

Ich setzte mich auf und streckte meine Hände nach Darios in den Hosentaschen verstauten Hände aus. «Du musst dich nicht herausreden. Ich verstehe schon», zog ich ihn auf. Darauf ging er aber nicht mehr wirklich ein, denn er erinnerte sich an etwas ganz Anderes, als er den eben gekauften Koffer anschaute. 

«Wann gehst du?» «In knappen 8 Wochen.» Er presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und blickte gedankenversunken aus meinem Fenster. «Find' ich scheiße.» Ich wollte etwas sagen, doch er korrigierte seine Aussage. «Also, es ist mega geil für dich, aber halt-, ja, ich will, dass du bei mir bleibst. Ich weiß nicht, ob ich das ohne dich schaffen kann hier in Marblehead.» 

Mir entfloh ein Seufzen, weil ich – auch wenn ich es nicht gerne zugab – dieselbe Angst pflegte. Klar, war Dario stark genug und er brauchte mich nicht, um das hier auf die Reihe zu kriegen, doch seine Zweifel waren berechtigt. Ich half ihm schon sehr viel. 

Manchmal brauchte er einen Anstoß in die richtige Richtung und dieser bekam er meistens von mir und das direkt mitten in den Arsch. Ansonsten kamen sie nicht wirklich an und er nahm sie dann nicht ernst. 

Es gab Tage, da musste man ihm seine Medikamente beinahe den Rachen herunterdrücken, weil er sie nicht mehr nehmen wollte. Dann gab es diese Momente, wo er die Mauern hochzog und sich komplett verzog. Es gab Stunden, da musste man ihn dazu überreden, keinen Joint zu bauen oder Tabletten zu schnupfen und es gab Minuten und Sekunden, da kam der alte Dario zum Vorschein, der uns alle ans Semikolon-Tattoo in seinem Nacken erinnerte. 

Es war konstant. Er musste konstant an sich arbeiten und manchmal hatte er halt keinen Bock mehr dazu. Das war ja auch vollkommen verständlich. «Du kannst das schon.» Seinen Mund verziehend, wandte er sich wieder von mir ab und entzog sich meinen Händen. «Das sagst du immer. Das hast du immer gesagt, auch am selben Tag, wo ich in Tropea nach einem Messer gegriffen habe oder im Wohnheim in meinem Zimmer fast ausgeblutet bin...» 

Man, hierauf hatte ich gerade keine Lust. «Ja, aber du hast es doch geschafft. Ich hatte recht. Du stehst schließlich noch da.» Er wusste, dass ich recht hatte. Schließlich konterte er nicht wie gewohnt. «Gio ist weg, meine Mutter chillt es in Tropea und mein Vater ist auch irgendwo in Italien. Und jetzt gehst auch noch du...» Er rieb sich seine Augen und schüttelte den Kopf. «Vicky geht auch... Alle gehen und verlassen dieses Loch, nur ich darf nicht.» 

Ich rackerte mich aus meinem Bett und stellte mich vor meinen Freund, der widerwillig nieder in meine Augen schaute. Er wusste, dass ich nicht lockerlassen würde, bis er es tat. «Alles hat seine Zeit, Dario. Du wirst auch gehen dürfen, nur verstehst du wohl selbst, wieso mein Dad und Kelly das noch nicht für gutheißen.» 

Er nicke nur und wich meiner Hand aus, die nach seiner Wange langen wollte. «Hab' einfach Angst, dass ich es nicht hinkriege.» «Und das ist okay. Hörst du? Es ist vollkommen okay und verdammt nochmal auch menschlich.» Ich versuchte schwach zu lächeln und schlang meine Arme um seinen Bauch, damit ich mein Ohr gegen sein Herz legen und meinem Ein und Alles lauschen konnte. 

«Alles okay, ihr zwei?» Dad lugte vorsichtig durch meine Tür und trug einen besorgten Blick, weil Darios abweisender Ausdruck zeigte, dass irgendwas wiedermal nicht stimmte. «Wir reden gerade über meine Abreise in 8 Wochen...» Mein Vater nickte wissend und ich konnte ihm ansehen, wie er eine Reaktion in Darios Gesicht zu suchen versuchte. 

Dad und ich hatten auch schon Stunden darüber geredet und diskutiert, weil ich meinen Freund nicht zurücklassen wollte. Es war schließlich seine größte Angst, alleine zurückzubleiben. «Passt dir nicht, oder?» Ich ließ Dario los, als er sich seufzend an meinen Vater wandte und seine Arme auf der Brust verschränkte. «Habe nicht wirklich eine andere Wahl als es zu akzeptieren, oder nicht?» 

Mein Vater wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Es war schwer zu verstehen, ob Dario einen auf kalt machte oder ob er es wirklich zu akzeptieren versuchte. Seinen Fortschritten zufolge hoffte ich echt auf Letzteres. Rio schaute auf sein Handy und seufzte erneut. «Muss zur Arbeit. Wir sehen uns später oder halt erst morgen.» Er drückte kurz meine Hand und zwang sich ein sanftes Lächeln auf die Lippen. 

«Wenn du willst, kannst du heute Abend bei uns essen, Dario», versuchte Dad, da er es ins gemein, auch wenn er es niemals zugeben würde, gerne hatte, wenn Dario bei uns war. Dad mochte Dario. Sehr sogar. Schließlich kannte er ihn schon sein ganzes Leben lang und wusste ganz genau, dass mein Junge ein großes Herz aus Gold hatte. 

«Ich überlege es mir», meinte Rio nur und er machte sich kurze Zeit später auch aus dem Staub. Ich traute mich nicht, es auszusprechen, weil ich nicht wollte, dass ich recht hatte. Doch Dad tat es für mich. «Er macht mir Sorgen, Noè. Hat er etwas gesagt? Also, wie es ihm geht und so?» 

«Man, keine Ahnung. Es wechselt von Tag zu Tag. Heute hat er einen Scheißtag. Er hat nur knappe 30 Minuten oder so gepennt und allgemein, hat er im Moment einfach keinen Bock.» «Nimmt er seine Medikamente denn noch?» «Klar, aber ich glaube, es nagt sehr an ihm, dass alle Marblehead verlassen dürfen und er nicht. Ich meine, er hat recht. Vicky geht weg, Gio ist seit 4 Monaten weg und seine Eltern sind auch beide in Italien. Und jetzt gehe ich auch noch in 8 Wochen. Er hat Angst, es alleine nicht zu schaffen.» 

Dad hockte sich auf mein Bett und rieb sich geschaffen die Stirn. «Ich bin doch auch noch da...» Ich weiß, er meinte es nur gut, doch Dario schien mir nicht der Typ, der sich so nahe an den Vater seiner Freundin heranwagte und mit ihm über die eigenen Gefühle und Gedanken zu sprechen versuchen würde. 

Dad realisierte das dann auch und zuckte hilflos mit den Schultern. «Es ist scheiße, aber er kann auf keinen Fall mit dir mit nach New York. In Tropea ist es ja noch einigermaßen gut ausgegangen, aber stell dir vor, was für einer Gefahr er in New York ausgesetzt wäre, wenn er dort Probleme kriegt. Weißt du, wie einfach der dort rückfällig werden könnte? Er tut sich ja manchmal schon hier in Marble schwer.» 

Es klang arg und gemein, doch Dad sagte die Wahrheit. Rio befand sich auf einem guten Weg, doch ebenso auf verdammt dünnem Eis. Er tat sich immer noch schwer, nur nahm er mittlerweile die Hilfe an, die man ihm anbot. 

Ich biss mir nachdenklich auf meine Unterlippe und schaute mir meinen Sperrbildschirm, auf dem Dario mich eng von hinten umarmte, an. Sein Gesicht war in meiner Halsbeuge vergraben und so waren es seine Finger im Stoff von meinem Oberteil. 

Ich selbst hatte auch riesiges Sausen vor meiner Abreise. Ich wollte doch auch nicht ohne ihn nach New York, aber ich möchte ebenso gerne diese Schule besuchen und studieren. Ach Scheiße... «Vielleicht sollte ich mir eine Schule hier in Ohio raussuchen, Dad.» Sein Blick jagte in die Höhe und er begann schnell mit dem Kopf zu schütteln. «Du hast dir so krass den Arsch aufgerissen, um es in diese Schule zu schaffen. Wirf das doch jetzt nicht weg, weil Dario unsicher wirkt. Er kann das ohne dich. Er ist ein starker Junge und ich werde auf ihn aufpassen.» 

«Ja, aber ich möchte auch nicht ohne ihn sein.» Aber ich hatte mich nun mal für New York entschieden. Dieses Thema beschäftigte mich noch den ganzen Tag und auch als Tabs und ich am Abend rennen gingen. Ich stolperte beim Leuchtturm fast über einen Stein, weil ich so krass am Nachdenken war. 

Meine beste Freundin bemerkte es sehr wohl, doch sie sprach es nicht an. Manchmal wusste sie eben doch, dass es besser war, gewisse Dinge nicht an- und auszusprechen. Sie hatte schließlich das Glück, dass Calvin mit ihr mitgehen konnte. 

Ich wusste, dass Lio bis 19 Uhr im Studio bleiben musste, weshalb ich ihn zu Fuß abholen ging und verschwitzt vom Rennen eintrat. Er gammelte hinterm Tresen neben der Kasse in einem Stuhl und kritzelte an einem Motiv rum. Timo bemerkte mich und umarmte mich zur Begrüßung. 

«Kommst du den Sauerklumpen abholen, was?» Ich lächelte verspielt, doch registrierte die Tatsache, dass Rio wirklich sauer wirkte, klar und deutlich. Ich bekam ein leises Hi und sah ihm dann zu, wie er seine Sachen aufräumte und sich von Timo verabschiedete. 

Die ersten paar Minuten von unserem Heimweg, ließ ich das Schweigen zwischen uns weilen, doch wir alle kannten mich. Ich musste fragen. Schließlich gab es auch etwas zu bereden. «Alles okay?» Dario sah von seinen Schuhen auf und nickte, «Alles bestens. Bin nur ca. 5 Minuten von einem Mental Breakdown entfernt.» 

Er zeigte mir mit Zeigefinger und Daumen, wie viel Reserve er noch hatte. «Wegen der New York-Sache?» Er zuckte mit den Schultern, «Allgemein...» Ich schätzte seine Ehrlichkeit, doch mich überkam leichte Angst vor dem kommenden Abend. «Musst du Dampf ablassen oder ist es... ist es emotional?» «Noè, Dampf ablassen kommt auch von den Emotionen.» 

«Ja, du weißt, was ich meine. Bist du wütend oder traurig? Brauchst du einen Boxsack oder eine Umarmung? Ich versuche zu helfen.» Er verdrehte die Augen. «Ich brauch'nen fucking J. Sonst nichts.» «Ja, aber du weißt, dass du das nicht darfst.» 

Er gab mir keine Antwort mehr und da er mit mir nach Hause kam, ging ich davon aus, dass er heute bei uns essen würde. Fand ich super und Dad grinste auch erfreut auf, als er den großen Schatten hinter mir als Dario identifizieren konnte. «Wie war die Arbeit?» «Wie immer.» So gesprächig wie eh und je, der liebe Dario. 

Ich deutete Dad, dass er heute nicht zu viel auf ihm herumzustochern brauchte und war froh darüber, dass er nicht weiter nachfragte. «Ich hab' Rindersteak mit Kartoffelsalat gemacht.» Mochte ich. Ich hatte richtig Hunger und duschte in Rekordzeit, weil ich so schnell wie möglich am Esstisch hocken wollte. 

Dario hatte das Essen mittlerweile gut im Griff und ich hatte mir eigentlich keine Sorgen zu machen, doch als er schweigend begann, das Fleisch in kleine Stücke zu schneiden und danach immer weiter verkleinerte, hörten Dad und ich im Einklang mit dem Essen auf. 

Okay, vielleicht hatte er einfach keinen Bock auf das Steak. Kartoffelsalat mochte er mehr oder weniger, das wussten wir. «Magst du nicht?» Rio hob den Blick nicht vom Teller an und zerdrückte ein Stück Kartoffel mit der Gabel, während er langsam den Kopf schüttelte. 

Ich trank von meinem Glas und versuchte die leichte Panik in mir drinnen nicht zu zeigen. Es war okay, dass er heute wieder mal so reagierte. Das war nicht schlimm und kein Problem. Es gehörte schließlich zu seinem Weg zur Besserung dazu. «Probier' doch ein bisschen», spornte ich ihn an, doch ich bekam nur einen bösen Blick zugeworfen. 

Wieder ein Kopfschütteln. «Habe keinen Hunger.» Er schob seinen Teller weg und verließ die Küche, um in unseren Garten zu flüchten. «Soll ich ihm hinterher?», fragte ich leise nach und Dad zuckte unbeholfen mit den Schultern. «Du kennst ihn besser als ich.» Man, das war nicht die Antwort, die ich hören wollte. 

Die Heuschrecken zirpten draußen und die Sonne hing nur noch zur Hälfte im Himmel. «Dario?» Er lehnte sich an der Holzsäule, die unser Dach stützte, an und brach vereinzelte Holzstücke davon ab. «Sorry», meinte er nur leise. «Was? Wieso?» «Ich benehme mich wie ein Kleinkind.» 

«Ach, nein. Das stimmt nicht. Es ist okay, aber lass doch versuchen, etwas zu essen. Es ist nicht schlimm, dass du dich heute schwertust.» Er schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen. «Ich mag heute echt nichts mehr essen.» «Dario-,» «No! Non voglio più mangiare, Noè!» Ich brauchte nicht fließend Italienisch zu sprechen, um ihn zu verstehen. 

«Okay», gab ich flüsternd nach und wagte es, mich von der Seite an ihn zu schmiegen. Er atmete schnell und aufgebracht und ich konnte sein Herz rasen spüren. «Ich liebe dich», atmete ich leise zu ihm auf und er schloss seine Augen. «Und ich kann dich gerade echt verstehen, aber du solltest wirklich versuchen, trotzdem etwas zu essen.» 

Er nahm einen weinerlichen, schmerzerfüllten Ausdruck an und wandte sein Gesicht von mir ab. «Wenn auch nur eine Gabel oder so. Das ist ganz egal, aber du kannst das besiegen und-» «Bitte, Micina... Ich kämpfe gerade mit etwas ganz anderem, ich brauch' jetzt nicht auch noch mit der Scheiße zu ringen.» 

Ich tat mir schwer, zu schlucken und leckte mir nervös über meine Lippen. «Was denn? Rede mit mir.» Mir war wichtig, dass Dario und ich nur zu zweit waren, weshalb ich rasch die Terrassentür zum Haus zumachte, um Dad zu zeigen, dass er nicht zu kommen brauchte. 

«Ich-, keine Ahnung, ich kann's spüren und es nervt mich so abartig, dass ich kaum atmen kann.» Geduld, ich brauchte jetzt mehr als genug Geduld, denn ich wollte ihm nicht reinreden oder seine Gedanken durchbrechen, in dem ich voreilig versuchte, zu verstehen, was er meinte. «Wie heißt das? Kelly nennt es so speziell. Ich kann es spüren, wenn's passiert.» 

«Beschreibe es. Vielleicht kann ich helfen.» «Ich fühle mich hintergangen, glaube ich. Ich habe mir für euch die Mühe gemacht und nehme Hilfe an und jetzt geht jeder.» Er schüttelte den Kopf und schaute kurz nach oben in den Himmel. Seine Art, seine Gedanken und Worte zu ordnen, wenn er nicht mehr wusste, was er sagen oder denken sollte. 

«Es hat mich sogar happy gemacht, als ich euren Stolz gesehen habe. Und jetzt geht ihr wieder.» «Splitting.» Von weiß zu schwarz. Von Liebe zu Hass. Von Anbetung zur Verabscheuung. Er war am Splitten. «Huh?» «Du meinst Splitting. Du kannst spüren, wie du anfängst, uns zu hinterfragen und du bist wütend auf uns, obwohl du eben noch stolz darauf warst, uns eine Freude mit deinem Erfolg zu machen.» 

Sich verkrampft in die Unterlippe beißend, nickte er einverstanden. Ich hatte also recht. «Aber hey, es ist etwas Gutes, wenn du das spüren kannst. So kannst du daran arbeiten und ich kann dir auch helfen.» «Und wie willst du mir dann helfen, wenn du in fucking New York studierst?!» Ich schreckte zurück, weil ich diesen Tonfall nicht erwartet hatte. Ich war eigentlich der Meinung gewesen, Dario bei mir zu haben. 

«Macht ihr das eigentlich mit Absicht? Ich meine, ich nehme eure Hilfen an und gebe mir so krass Mühe. Und dann, wenn ich es auf die Reihe kriege, verpisst ihr euch. Dann soll ich wieder allein klarkommen, ohne eure Hilfe, oder was?! Sehe ich so aus, als könnte ich das?» Bevor er sich in dieser emotionalen Spirale verlor, umfasste ich seine Wangen und streichelte sie ihm zeigend, dass ich hier war und zuhörte, mit meinen Daumen. 

«Du wirst nicht allein sein, wenn ich in New York bin.» Die Realität anzusprechen war nun wichtig. Klar, versuchte ich Dario gut zuzureden, doch ich durfte ja nicht Dinge versprechen, die nicht passieren würden. Ich wusste, was er hören wollte, und ich würde es ihm nicht einfach sagen, um ihn zu beruhigen. Ich würde nach New York gehen und dort zur Schule gehen. Das brauchte ich nicht schönreden. 

Er holte Luft, suchte Worte, die er von sich geben konnte, doch er versagte. Das hier war kein erstes Mal seit seiner Entlassung, aber es war jedes Mal aufs Neue herzzerreißend. Ich wusste, dass wir uns durch diesen Moment hindurcharbeiten konnten, doch es war jedes Mal schmerzhaft. 

Lio vergrub sein Gesicht in seinen Händen und atmete stockend aus. Ich hatte meine Antwort. Ihn besorgt musternd, wagte ich es einen weiteren Schritt näher an ihn heran. Trauer, keine Wut. Er brauchte eine Umarmung und keinen Boxsack. 

«Darf ich dich umarmen?», fragte ich flüsternd nach und suchte seine glasigen Augen, die er kaum zu öffnen wagte. «Mhm.» Ich zog ihn eng an mich heran und wir hockten uns auf die kleine Sitzbank an der Fassade des Hauses. 

Mein Kiefer war steinhart, ich hatte mich verkrampft und versuchte selbst, durchzuhalten, weil ich diese Momente kaum selbst überstehen konnte. Sie brachen mir mein Herz immer wieder neu. 

Dario sackte in meinen Armen zusammen und ließ es raus. Seine Wangen waren verklebt und die Augen rot. Ich fuhr mit meinen Fingern durch seine Haare und schaute durch das Fenster rein in die Küche, wo mir Dad entgegenblickte. Seine Augen wanderten zu Dario und dann wieder hoch zu mir. 

Er fragte mich tonlos, was los war, doch ich gab ihm keine Antwort, weil Darios Schluchzer plötzlich verstummt waren. Suchte ich nun seinen Blick oder ließ ich es sein? Ich hatte keinen blassen Schimmer. Ich wollte seinen Namen aussprechen, während ich mich näher an ihn heranschmiegte, doch mir fiel auf, wie er konzentriert runter auf die Sitzbank schaute. 

«Hey?» Er drückte seinen Daumen auf eine hervorstehende Schraube. «Stopp, babe.» Ich stoppte ihn sanft und presste seine Hand an meine Brust. Man konnte ihm zusehen, wie er realisierte, was er gerade getan hatte und als er den kleinen Bluttropfen neben der Schraube erblickte, sah er schuld erfüllt zu mir auf in meine beinahe tränenden Augen. «Entschuldigung.» 

Ich bekam nur ein Kopfschütteln hin und versuchte zu verkörpern, dass es okay war. Doch es ging kaum ohne Worte. «Ist okay, kann passieren. Ich bin da.» Ihm die Tränen wegstreichend, versuchte ich etwas zu lächeln. «Lass heute einen Filmabend machen. Nur wir zwei. Und ja, lass ein Pflaster oder so holen, okay?» 

Er stimmte mir schweigend zu und auf dem Weg zur Hausapotheke, traf ich wieder auf Dads Blick, der alles mitbekommen hatte. Aber er blieb still und sah mir dankbar hinterher. Gewisse Tage waren schwer, aber nicht unüberwindbar. Die Hoffnung war da und wuchs mit der Sekunde an. 

Lio machte Fortschritte und Rückschritte, aber das war okay. Fehlgänge oder Rückfälle hatten nicht bestraft zu werden, sondern sollten in etwas Gutes umgewandelt werden. Was hatte man daraus gelernt? Wie konnte man es in Zukunft verhindern?

Würdet ihr ihn nach New York lassen?

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