Painkiller

By AlloraFiore

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Enthält mehrere Teile, die alle hier zu finden sind. Teil 1: Abgeschlossen Teil 2: Abgeschlossen Teil 3: Abg... More

Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
53. Kapitel
54. Kapitel
55. Kapitel
56. Kapitel
57. Kapitel
Painkiller 2
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
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13. Kapitel
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16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
Charaktere Q&A
Charakter-Interview
Painkiller 3: Plan Tropea
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
Painkiller 4
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
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22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel

27. Kapitel

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By AlloraFiore

«Jetzt reißt ihn nicht aus dem Bett! Lasst ihn doch mal einfach kurz durchatmen! Er ist vollkommen durch den Wind!» Gio war weg. Ich denke, sie war auch draußen in der Küche und hörte zu, wie Santiago mit Marco und Lex diskutierte.

«Du kannst uns nicht verheimlichen, dass er bei dir ist, Santiago. Das macht dich strafbar.» Ich vergrub mich tiefer in mein Kissen und versuchte, nicht zuzuhören. «Ich weiß das. Aber ich kann ihn nicht immer zu allem zwingen. Er wollte mit Giorgia hier schlafen, also habe ich das erlaubt.»

«Warum?! Der Junge hat dich doch sonst nie interessiert!» «Ja, na und?! Wenigstens tut er es jetzt! Ich habe viel Scheiße gebaut, aber ich sehe wenigstens, dass das, was jetzt im Moment abgeht, alles andere als gut für ihn ist!» Ich drehte mich seufzend auf den Rücken und starrte an die Decke. Ich wollte dieses Zimmer nicht mehr verlassen.

«Nichts ist gut für ihn! Egal, was man versucht, nichts hilft! Ich gebe mein Bestes, ihm irgendwie unter die Arme zu greifen, aber es ist verdammt schwer, wenn er es nicht will, Santiago! Du weißt selbst, wie stur er ist!» Und man redete wieder über mich, als wäre ich völlig bekloppt und behindert.

«Wir wissen nicht mehr weiter! Die Therapie nimmt er nicht an, die Medikamente helfen nichts, die Leute, die ihn lieben, kommen nicht mehr richtig an ihn ran... Er-» «Er kann nicht anders! Marco, er kann nicht anders! Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn man weiß, was das Richtige ist, man es aber einfach nicht auf die Reihe bekommt, weil es der eigene Kopf nicht zulässt und auch nicht aufrechterhalten kann!»

Ich langte nach meinem Handy und sah, dass es kurz vor 11 Uhr war. Bewegen wollte ich mich nicht. Nicht heute. Ich tauchte unter die Decke und kugelte mich zusammen. «Dann sag mir, wie man ihm helfen kann! Sag es mir! Ich weiß nämlich nicht mehr weiter!»

«Er kann uns hören, Marco! Schrei nur weiter! Sag ihm doch direkt ins Gesicht, dass er eine Last ist und keinen Wert hat!» «Ich liebe diesen Jungen, Santiago! Dario ist ein super, lieber und vor allem wertvoller Junge und ich habe Angst um ihn!» «Um ihn oder um deine Tochter?!»

«Komm mir nicht damit! Ich habe es lange zugelassen, weil ich weiß, dass die beiden einander helfen können, doch es ging zu weit! Noè ist in Italien fast kaputtgegangen!» Ich konnte mir das nicht mehr anhören und stand auf. Im Bad, unter der Dusche, waren ihre Stimmen nicht mehr so laut und ich rieb mir gedankenversunken das Gesicht, während ich darüber nachdachte, was mir jetzt wohl blühen würde.

Ich hatte Dränge. Ich brauchte wieder was zum Nehmen. Diese dummen Stimmen im Kopf waren mittlerweile ein Teil von mir, den ich immer bei mir trug und manchmal gar nicht mehr wahrnahm, doch jetzt... Sie drohten mir meinen letzten Verstand zu rauben.

«Wenn es darum geht, beide zu verlieren oder nur einem der beiden zu helfen, werde ich verdammt nochmal meine Tochter vorziehen!» Ich knallte die Badezimmertür zu und konnte hören, wie alle verstummten.

Gio kam die Treppen hoch und sah mich vorsichtig an. Hinter ihr lauerte dieser Lex. Sie sah nicht wirklich erfreut darüber aus. «Rio, wie geht es dir?» Ich winkte ab und wollte wieder zurück ins Zimmer, doch Lex versperrte mir den Weg. «Es ist chaotisch und alles andere als einfach, Dario. Aber ich bin dazu verpflichtet, dich zurück in die Wohngruppe zu bringen.»

Ich schüttelte meinen Kopf und wollte mich an ihm vorbeidrängen, doch er packte meinen Oberarm und zwang mich dazu, ihm ins Gesicht zu schauen. Ich sah ihn nur verschleiert. Ich wollte gerade einfach nur schlafen und mich in den verdammten Tod weinen. Ich wollte, dass Gio mit mir hierblieb und-

«Dario? Hi», kam Marco die Treppen hoch und ich verdrehte meine Augen. «Nein.» Ich riss mich von Lex los und verschanzte mich wieder in meinem Zimmer und sperrte die Tür hinter mir zu. Unter der Decke fühlte ich mich gerade am wohlsten, doch ich konnte nicht hierbleiben.

Schuhe hatte ich keine mehr. Meine waren unten, doch das würde mich nicht stoppen, von hier zu verschwinden. Hier konnte ich auch nicht bleiben. Ich machte das Fenster auf und kletterte vorsichtig an der Fassade runter, bis ich den kühlen Rasen unter mir spüren konnte.

Ich konnte die Stimmen der anderen noch hören und sie klopften nicht gerade leise gegen die Zimmertür, doch es erwartete sie ein leeres Zimmer, wenn sie die Tür aufkriegen würden. Ich stahl mich die Straßen runter, tiefer ins Dorf hinein, wo ich dann müde auf einer Bank in der Nähe vom Kino, Pause machte, weil ich gerade einfach keine Kraft hatte.

Ich konnte nirgends hin. Ich wollte bei meiner Schwester bleiben, doch man versaute mir wieder alles. Ich wollte dort im Zimmer bleiben, bis ich meinen letzten Atemzug atmen würde. Ich wollte einfach nur noch einschlafen und nie mehr aufwachen müssen. Verdammt nochmal, ich lief hier in Socken durch die Gegend...

Meine Knie zitterten, ich wusste, dass ich was essen musste, doch ich wollte nicht. Ich wollte gar nichts mehr. «Dario?» Ich schaute müde auf und erkannte Kelly, die mich etwas verdattert anschaute. «Wo sind deine Schuhe? Was machst du hier?»

Sie kam auf mich zu, doch ich stand schnell auf und wich zurück. «Nicht du auch noch. Du bringst mich nur wieder zurück zur dummen Wohngruppe.» «Hey, nein. Ich will wissen, was los ist. Wieso bist du hier?» «Weil ich nirgends mehr hin kann.» Meine Augen tränten und ich gab mein Bestes, hier jetzt nicht auch noch zu heulen.

«Hey... Nein, das stimmt nicht.» «Wo kann ich denn noch hin, ohne eingesperrt zu werden?» Sie zögerte und seufzte dann auf. «Ich bin nirgends mehr willkommen. Ich bin so kaputt, dass ich sogar die Leute um mich herum zerstöre und besser werde ich nie mehr. Ich bin nichts. Ich bin einfach nur noch ein besetzter Platz im System und ich werde nur noch hin und her geschoben, bis jemand wichtigeres diesen scheiß Platz braucht und kriegt.»

Kelly langte nach meinen Händen und führte mich vorsichtig zurück zur Bank. «Ich will das alles nicht mehr. Es ist zu anstrengend. Ich pack' das nicht mehr. Bitte, lasst mich doch einfach irgendwo verrecken. Ich bin es echt nicht mehr wert.» Ich löste meine Hände von ihren und zog mich wieder etwas zurück.

Mein Herz lag verteilt auf dem Boden vor mir. Ich konnte es nicht mehr zusammen- und festhalten. Ich hatte es schon längst verloren. Dass es noch schlug, war nicht mehr meine Entscheidung. «Bitte, zerr mich jetzt nicht zurück zu diesen Sozialleuten und Ärzten. Lass mich einfach gehen. Ich will jetzt einfach richtig high sein und nichts mehr spüren.»

«Hey, hey, hey. Nein, Dario, das ist nicht-» «Wieso nicht? Sag mir einen Grund, wieso ich nichts nehmen sollte. Was stoppt mich davor?» Sie wollte etwas sagen, als Marco wieder auftauchte. Verdammte Scheiße, ich wollte einfach Ruhe.

«Oh Gott, dir geht es gut.» Ich sah ihn aus glasigen Augen an. Wenn er der Meinung war, dass es mir gutging, sollte er seine Berufswahl als Sozialarbeiter verdammt nochmal hinterfragen. «Marco, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um-»

Kelly stockte, da ich mich einfach gegen sie fallen ließ und mich nach jemandem sehnte, der mich festhielt. Ich konnte mich nicht mehr selbst halten. Ich spürte sie verkrampft ein- und ausatmen und brach fast zusammen, als ich ihre Finger durch meine feuchten Haare streicheln spürte.

«Du bist nicht allein, Dario. Okay? Ich bin auch da und das nicht nur als Therapeutin oder Sozialarbeiterin. Ich bin da, weil du mir wichtig bist und ich nicht möchte, dass du gehst oder stirbst», flüsterte sie mir zu und schlang ihre Arme enger um mich.

Ich fror am ganzen Körper und hatte Gliederschmerzen, die mich dazu zwangen, mich zu verkrampfen. Ich war nicht krank und hatte keine Grippe. Das war mein Kopf, der die Schmerzen in ihm, zu verkörpern versuchte.

Die Depressionen und meine Traurigkeit waren längst nicht nur mehr in meinem Kopf. Es waren Schmerzen, die meinen ganzen Körper lähmten. «Wie wäre es, wenn wir uns was für deine Schmerzen holen und dann zusammen schauen, was wir-» Ich schüttelte meinen Kopf und sank tiefer in ihre Arme.

Ich wollte nirgends mehr hin. Sie seufzte und sah hilflos zu Marco und Lex. «Du wirst auch gehen, oder?», fragte ich leise nach, während ich mich am Stoff ihrer Jacke festhielt. Kelly biss sich auf die Unterlippe und sah mich entschuldigend an. «Nein. Nicht jetzt.»

«Aber irgendwann? Spätestens dann, wenn ich 18 werde, oder?» Sie gab mir keine Antwort und hielt mich einfach noch fester. Ich wusste, sie würde irgendwann auch gehen. Ich wollte mich nicht danach sehnen, gehalten zu werden, aber ich wusste nicht mehr weiter.

Ich hatte so große Angst davor, ganz von der Kante gestoßen zu werden. Ich konnte vernehmen, dass es nicht mehr lange gehen würde. Die Leute um mich herum begannen zu kapieren, dass man mich nicht mehr reparieren konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie mich entsorgen würden.

«Es tut mir leid, Capo. Aber ich muss dich jetzt loslassen...» Ich wollte protestieren und wieder nach der Wärme greifen, als aber Lex nach meinen Handgelenken langte und mich auf der Bank fixierte. Kelly lief zu Marco und hielt sich das Gesicht. Ich sah nur noch, wie er sie in die Arme nahm und dann fiel mir erst auf, dass ein Krankenwagen vor uns anhielt.

Ich riss an Lex rum und wollte mich wehren, doch er sah mich nur traurig an. «Lass es zu, Dario. Es ist okay.» Ich wollte nicht, doch ich konnte nicht entkommen und spürte nur ein Piksen am Oberarm, welches brannte, bis mir langsam schwarz vor Augen wurde.

Mir war schlecht und schwindlig. Mein Hals war trocken und der Kopf brummte, was das Zeug hielt. Ich wagte es nicht einmal mehr, mich zu bewegen. Ich wusste gleich nach meinem Aufwachen, dass ich im Krankenhaus lag. Wo auch sonst würden mich diese Leute hinbringen?

Mittlerweile war mir der Geruch von dieser Hütte heimischer als die Leute, die mich seit 15 Jahren betreuten. «Was wir getan haben, Marco, ist, dass wir einen kleinen Jungen verstummt haben, ihm danach aber mit einer Bezugsperson, in diesem Fall Noè, Halt gegeben haben, und dann, als er zu reden begonnen hat und endlich zeigen konnte, wie es in ihm aussieht, haben wir wieder alle Stützen unter ihm weggerissen und jetzt sind wir hier.»

Ich presste meine Augenlider fest zu und umarmte das Kopfkissen doller. Wenigstens konnte ich das halten, ohne fürchten zu müssen, dass es gehen würde. «Wir haben ihn dazu ermutigt, seine Gefühle zu teilen, und kommen jetzt nicht damit klar und ziehen uns wieder zurück. Das, was wir hier machen, ist komplett falsch und verdammt gefährlich.»

Ich hörte nur ein Seufzen und vergrub mein Gesicht tiefer in der weißen Bettwäsche. Ich hatte meinen Rücken zu den beiden gedreht. Es waren Kelly und Marco. «Es tut mir leid...», hörte ich ihn leise murmeln. «Ich weiß, dass es-, Ich habe Angst, okay? Ich-, Das sollte alles nicht so persönlich sein, aber es ist sehr familiär für mich. Du musst verstehen, dass ich meine Tochter nicht auch noch verlieren kann. Ich habe meine Frau verloren... Und jetzt verliere ich auch noch Noè.»

Ich atmete tief durch und versuchte, den Druck in meiner Brust zu mindern. «Noè hat verdammte 7 Kilos in Tropea verloren. Sie hat dort nur noch knapp 4 oder 5 Stunden in der Nacht schlafen können und sie zuckt mittlerweile bei lauten Stimmen zusammen, als würde man sie schlagen wollen.» Meinetwegen...

Aber musste man mich deswegen jetzt so fallen lassen? War ich denn wirklich so unwichtig, dass man mich alleine zurücklassen musste? «Ich weiß, dass Dario nichts dafür kann und es auch nicht extra macht, aber mein Kind muss nicht an einer Sache kaputtgehen, die ich nicht lösen konnte. Ich habe bei Dario wirklich versagt. Fiona und ich, wir wussten es. Wir wussten, dass etwas schiefgeht, doch wir konnten nicht sehen, was es war, und es war verdammt nochmal, unser Handeln, was Darios Betreuung und Vermittlung anging. Wir haben versagt. Nicht er, weder noch Rosie, Hannah, Giacomo oder du. Ich und Fiona haben unsere Arbeit verbockt un-» Kelly seufzte und ich konnte hören, wie sie sich wieder hinsetzte.

«Es geht jetzt aber nicht darum, was getan wurde, sondern was jetzt getan werden muss. Ich-, Es bricht mir das Herz, aber-, Ich weiß mittlerweile auch nicht mehr, wo wir überhaupt anfangen sollen. Darios Leben ist ein verdammtes Chaos und den Schmerz, die Angst verlassen zu werden... Alles, er tut mir so richtig leid. Er... Ich kann vollkommen verstehen und nachvollziehen, warum dieser Junge Tabletten schluckt, Alkohol trinkt, raucht, nichts mehr essen will, sich selbst verletzt und sich nach dem Tod sehnt.»

Meine Unterlippe begann zu zittern und ich biss mich an ihr fest, damit niemand hören konnte, dass ich wieder weinte. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören. Gefühlt weinte ich schon drei Tage durch. Wenn nicht äußerlich, dann innerlich.

«Was machen wir jetzt? Er wird laut Ärzte nicht mehr lange schlafen... Ich weiß, dass er Krankenhäuser hasst.» «Ich denke, bevor wir an die Suchtprobleme denken können, müssen wir an seinen Emotionen arbeiten. Also, nein, ich meine, er muss irgendwie lernen, sie besser zu verstehen und diese Impulsivität muss er unter Kontrolle kriegen.»

Marco seufzte und ich hörte ihn leise auflachen. «Ist das nicht, was wir schon seit Wochen versuchen?» «Nein, was wir versuchen, ist bei einem kaputten Boot, die Löcher zu stopfen, damit nichts mehr raus kann und zusätzlich möchten wir es noch neu lackieren und jegliche Erinnerungen an das alte Boot beseitigen. So schmerzhaft wie es für Dario auch sein wird, aber er muss zurück. Er muss-, Tief in seinem Inneren haust ein zerstörtes, kleines Kind. Er muss es selbst finden und-»

Die Tür ging auf und ich erkannte Gios Stimme. «Hi, wie geht es ihm? Ist er schon wach?» Ich schloss meine Augen und vergrub mich noch tiefer ins Kissen. Ich konnte meine Schwester vor mir spüren. Sie langte nach meinen Haaren und dann nach meiner Wange, die nur zur Hälfte aus der Bettwäsche lugte.

Kelly stand auf. Das konnte ich an ihren Schuhen hören. «Er weiß im Moment nicht mehr, wo er hinsoll. Ich-, Ich habe ihn noch nie so verloren und hilflos gesehen. Er klammert sich an alles und jeden, der ihm auch nur irgendwie Zuneigung und Wärme schenken kann.» «Sogar Santiago», kam es von Giorgia, die nach meinen Fingern griff und sie festhielt.

Ich konnte mir das kaum mehr anhören. Es machte mich fertig, wie sie über mich redeten, als wäre ich eine verdammte Missbildung, eine Last, die keiner entgegennehmen wollte. Das Beben im ganzen Körper konnte ich nicht verstecken, als ich wieder diese Traurigkeit spürte, die mich komplett einnahm.

Selbst, wenn ich mich kontrollieren wollte, ich konnte es einfach nicht. Ich konnte nicht einmal mehr selbst bestimmen, ob ich weinen wollte oder nicht. «Hey, Dario... Shhh...» Ich sah nicht auf und kugelte mich enger unter meine Decke.

Es war echt so, als wäre ich wieder drei, fünft oder acht. Wie damals, als man mich auch zum Arzt gebracht hatte, nachdem man mich von Mom weggerissen oder von einer anderen Familie zurückgeholt hatte. Ich fühlte mich wieder genauso, nur war ich jetzt 15... Und ich musste nun selbst damit klarkommen. Niemand konnte mir helfen.

«Dario, sono qui. Resterò finché non avrai più bisogno di me.» Ich langte nach ihren Fingern und zog ihre Hand ganz nahe an mich heran. Ich spürte auch Kelly, die sich zu uns setzte und mir über den Rücken streichelte.

Und Marcos Seufzen... Ich kannte es mittlerweile schon in- und auswendig. «Dario, ich möchte mich für alles entschuldigen-» Ich tauchte unter meiner Decke hervor und rieb mir die Augen trocken. Ich konnte mir diese halb patzige Entschuldigung echt nicht geben. «Lass es. Du machst deinen Job. Familie geht vor. Noè geht vor, also entschuldige dich nicht dafür, dass ich nicht in dein verficktes System passe.»

Er wollte etwas sagen, doch entschied sich dazu, lieber den Mund zu halten. Ich konnte Kelly ansehen, dass sie mich eigentlich nicht damit nerven wollte, doch sie musste es ansprechen. Aber dieses Mal war es kein Befehl, sondern eine Frage. «Was hältst du von einer Rauchpause? Draußen können wir in Ruhe über die Zukunft reden, okay?»

Ich zuckte nur mit den Schultern und ließ mich dann von meiner Schwester aus dem Bett ziehen. Mein Stolz lag zerbrochen auf dem Boden. Ich konnte nicht glauben, dass ich Hilfe beim Hoodie anziehen und Schuhe schnüren brauchte. Aber ich war so gut wie gelähmt.

Ich fühlte mich tausend Kilos schwer. Gehen bekam ich aber doch auf die Reihe. Auch, wenn der einzige Ansporn dafür, nur meine Kippen waren. Ich fummelte zittrig nach einer und schützte schon beim Austreten vom Krankenhaus, mein Feuerzeug vorm Wind, um die Kippe anzuzünden.

Ich machte es mir auf einem Block, der neben dem Ausgang war, bequem und rauchte erstmals eine. Ich ignorierte Kellys besorgten Blick und Gio schrieb was auf ihrem Handy rum. «Cico! Halt!»

Eine Frauenstimme brachte mich zum Zusammenzucken, doch sie wurde mir relativ schnell egal, als sich ein großer Labrador in einem Geschirr gegen mich warf und mir sogar die Kippe aus der Hand schlug. Ich versuchte ihn von mir loszubekommen, doch er drängte sich richtig auf mich drauf und stupste seine Nase die ganze Zeit gegen mein Gesicht.

Wenn ich ihn loswerden wollte, wich er aus und legte sich über meinen Schoß. «Cico! Was?» Diese Frau stoppte vor mir und musterte mich. Sie wurde vorsichtig. «Bist du okay?» Ich zog meine Augenbrauen zusammen und legte meinen Kopf schief. «Ja, wieso?»

Kelly kam leise dazu und half der Dame, den Hund von mir runterzuziehen. Aber er winselte und wollte die ganze Zeit zurück auf meinen Schoß. «Weil Cico sehr stark auf dich reagiert...» «Und?» Ich stand auf, damit der Hund nicht mehr auf mich drauf konnte, doch er ging auf die Hinterbeine und drängte mich zurück an die Wand des Krankenhauses.

«Er ist ein Therapiehund in Ausbildung für Assistenz bei Stressattacken oder Angststörungen und er versucht dich zu warnen, wenn nicht sogar schon zu beruhigen.» Ich sah zu Kelly, die ein schwaches Lächeln trug. Fand sie das witzig? Jetzt alarmierten mich schon fremde Therapiehunde... Wie tief wollte ich bitteschön noch sinken?

«Halte und streichle ihn.» Bitte? «Nein.» Die Dame sah zu Kelly, die die Arme auf der Brust verschränkte. «Er wird dich nicht mehr in Ruhe lassen, bis er deine volle Aufmerksamkeit hat.» Gio nickte mir ermutigend zu und ich setzte mich wieder hin.

Der Hund spickte wieder zurück auf meinen Schoß und ich tätschelte seinen Kopf, bis er aufhörte, mich fast mit seinen Windungen auszuknocken. «Ich will dir wirklich nicht zu nahe treten, aber ich muss wissen, ob er da wirklich eine valide Warnung von sich gegeben hat oder ob er dich einfach zum Kuscheln haben wollte.»

Ich sah unsicher zu Kelly, die zum ersten Mal wieder reden konnte. «Der Hund hat das schon richtig wahrgenommen. Dario hier hat Borderline und macht eine nicht gerade einfache Zeit durch.» Der Hund war mittlerweile zu einer Decke geworden und ich kraulte ihm durch das dicke Fell.

Gio kniete sich zu mir runter und wollte auch, doch der Hund wimmelte sie wieder ab und kuschelte sich zurück auf meinen Schoß. «Ich wollte dir nicht zu nahe treten, doch Cico wollte helfen. Es tut mir leid, wenn dir das jetzt unangenehm ist.»

Ich nickte nur und konzentrierte mich auf die braunen Augen von Cico. Er sah mich die ganze Zeit an. «Gibt es das denn? Also mit welchen Absichten werden Hunde wie Cico ausgebildet?» Kelly wurde ganz neugierig.

Die Dame wandte sich an sie. «Man kann Hunde auf jegliche Dinge fixieren. Sie können bei Diabetes, beim Paniksyndrom und eigentlich wirklich bei allem helfen und unterstützen.» Der Hund ließ Gio endlich auch ran und patzte mit der Pfote nach meiner Hand, als ich mir nervös die Schulter reiben wollte.

Er schnupperte ganz komisch an mir und ich wusste ehrlich gesagt nicht mehr, was ich tun sollte. Meine Schwester kicherte bloß, weil sie es niedlich fand, wie animiert dieser Hund mit mir zu kommunizieren versuchte.

«Er kann bei Überstimulationen, innerlicher Unruhe und vor allem auch bei selbstverletzendem Verhalten gut helfen, Druck auf den Patienten ausüben und schlimme Eskalationen verhindern.» «Aha, okay. Interessant.»

Ich biss mir nervös auf der Unterlippe rum, als diese Frau mit dem Hund ging und ich Kellys Blick auf mir liegen spürte. «Was?» Sie legte den Kopf schief und setzte sich zu mir und Giorgia auf diesen Steinblock. «Denkst du, dir könnte ein Haustier helfen?»

Ich verzog mein Gesicht und schüttelte den Kopf. Gio konterte meine Abneigung dagegen, «Aber der Hund hat dich gerade voll abgelenkt.» «Ja, klar hat er das, wenn er mich fast zu Tode trampelt und mir die ganze Zeit in der Fresse rum nuschelt.» «Es-» «So verdammt krank bin ich nun auch wieder nicht...»

«Dario, Hunde oder allgemein Tiere könnten dir echt helfen, wenn's um deine Emotionen geht.» Gio nickte und legte eine Hand auf meine Schulter. «Lass es uns wenigstens anschauen, okay? Nur schauen.» Wie schon so oft gesagt; eine andere Wahl hatte ich nicht, weshalb ich widerwillig nickte und mir eine neue Kippe anzündete, um die beiden Damen auf Abstand zu kriegen.

«Und ich habe mir gedacht, dass dir ein zwanzigwöchiges Programm für deine Ausbrüche helfen könnte. Und-» «Ich brauche, glaube ich, wieder Medikamente. Sonst geh ich und hau mir was anderes rein...» «Bist du dir sicher?» Ich schüttelte meinen Kopf.

Ehrlich gesagt, war ich mir überhaupt nicht sicher. Bei den letzten Medis hatte ich mich total leer und schwer gefühlt, aber wenigstens waren die Leute um mich herum geblieben und hatten mich nicht versucht abzuschieben. «Für den Anfang vielleicht...»

«Willst du denn überhaupt was dagegen machen?» Ich zuckte wieder mit den Schultern. «Habe nicht wirklich eine andere Wahl, als immer weiter zu versuchen, besser zu werden.» Giorgia strich mir eine Strähne von der Stirn und lehnte sich an meiner Schulter an.

«So wird das aber nichts, Dario. Du musst es wollen und ich bin ehrlich gesagt nicht mehr dazu bereit, dich in Programme zu bringen, ohne, dass sie dir helfen.» Mir das Gesicht reibend, seufzte ich schwer auf und schnippte die Asche von der Kippe. «Mach, was du für richtig hältst. Mir ist es langsam echt scheißegal, wo ich hin muss oder was ich tun muss.»

Wenn Dario einen Hund haben könnte, was für einen und was für einen Namen?

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