Die üblichen Verdächtigen [✓]

51| Koksgrinsen - Charlie

»Alter, ich kann das Universum sehen«

»Nein, Mann. Es sieht dich«

»Ob's mich wohl beobachtet, wenn ich schlaf?«

»Ich glaube nicht, irgendwann schläft es nämlich bestimmt auch«

Wir erklären uns gegenseitig das Universum und wen von uns es denn jetzt beim Schlafen anstarrt. Mein Vater is nich mal anwesend, diese Unterhaltung hier is sicher zu hoch für ihn. Entweder das, oder Tonic kuriert mich. Wär das der Fall, würd ich für immer bei ihm bleiben. Oder eben so lange, wie er mich brauchen kann. Immerhin is er nich unbedingt der Typ Mensch, der sich an jemanden bindet. Ich weiß nich, ob ich ihn verstehen kann, doch gehasst ich ihn deshalb nie so wirklich. Mein Kopf liegt auf seiner Brust und wir schauen an die mit Kacheln geflieste Decke. Mir is auch gar nicht mehr so übel, vielleicht liegt es ja irgendwie an Tonic. Er hat den Arm um mich gelegt und lacht kaum hörbar, es klingt fremdartig, weil ich ihn ehrlich gesagt noch nie lachen gehört hab.

»Was machen eigentlich Nutten, wenn sie ihre Periode haben? Werden die dann freigestellt oder müssen die trotzdem arbeiten? Das würde mich interessieren, weil ich vor Ewigkeiten mal mit dem Gedanken gespielt hab, mir eine Nutte nach Hause zu bestellen, aber dann ist mir das eingefallen«

Meint er da auf einmal und ich versteh nur noch Bahnhof. Natürlich, jeder redet vielleicht 'n bisschen Scheiße, wenn er vollkommen drauf is, aber zur Hölle kommt Tonic so plötzlich auf Prostituierte in besonderen Umständen? Auf der anderen Seite weiß ich das auch nicht so genau. Eigentlich könnt es mir ja egal sein, aber die Art, wie Tonic es betont hat, weckt in mir doch warum auch immer die Neugier. Jetzt würd ich auch gern wissen. Schade nur, dass ich davon überhaupt keine Ahnung hab. Prostituierte, die ich aus Respekt nicht Nutten nenn, hab ich bisher immer bloß aus der Ferne gesehen und doch nie eine angesprochen. Øyriøn hat vor 'ner Ewigkeit mal einer 'nen Pullover geschenkt, weil's Winter war und die junge Frau zitternd mit ihren viel zu kurzen Kleidern im Schnee stand.

»Ich weiß es auch nicht, aber dafür gibt's doch bestimmt irgendwelche Pillen und ich kann mir gut vorstellen, dass die sich im Jahr ein paar Tage frei nehmen dürfen«

Geb ich zur Antwort und Tonic denkt für den Intervall eines Herzschlags über meine Worte nach, dann setzt er sich langsam auf und ich vermiss schon fast die Wärme, die er ausstrahlt. Ich weiß doch auch nicht genau, was die Scheide soll, aber Tonic is irgendwie gar nicht so 'n Arsch, wie man vielleicht denken könnte. Er baut sich bloß 'ne Mauer aus Arroganz und Eitelkeit um sich herum, damit ihn niemand verletzen kann. Jedenfalls bin ich der festen Überzeugung, dass er so in etwa funktioniert. Wahrscheinlich is er einfach komplex und wir beide sind auf ein und demselben Level, was das Kaputtsein angeht. Natürlich wünsch ich's ihm nicht, denn niemand sollte einen Vater haben, wie ich einen hatte, aber irgendetwas muss doch in Tonics Vergangenheit passiert sein, dass er sich heute so verhält.

»Da könntest du Recht haben. Hey, im Wohnzimmer hab ich irgendwo Koks gelagert, sollen wir uns etwas reinziehen?«

Fragt er plötzlich und greift nach meiner Hand, ohne noch groß auf 'ne Antwort zu warten. Er zieht mich auf die Beine, weil er weiß, dass ich immer liebend gern für weißes Pulver zu haben bin. Zwischendurch 'n bisschen Weihnachten in der Nase feiern hat schließlich noch keinem geschadet, der sich in seiner Freizeit voll Gift pumpt. Irgendwann lernt man mit großer Wahrscheinlichkeit, das Böse unter den Drogen vom wirklich Bösen zu unterscheiden und entscheidet sich spätestens zwei Jahre danach ohnehin fürs wirklich böse Zeug, denn man braucht's ja ganz plötzlich. Mit 'nem Joint fängt manchmal an und ehe man sich versieht, wohnt man in 'ner runtergekommenen Ranzbude über 'nem ekelhaften Imbiss und zersticht sich zum Frühstück die Adern. Ich will ehrlich sein, an manchen Tagen bereue ich es, überhaupt jemals mit dem Drücken angefangen zu haben, doch dann fällt mir wieder ein, dass ich nur mit Dope im System glücklich sein kann.