19| Poet in der Todeszone - Øyriøn

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»Vielleicht sollt ich mich mal wieder auf'n Weg machen. Danke nochmal für den Schuss«

Ich hoff mal schwer, dass es das is, was ich grad von mir geb, denn ich hör's nich mehr richtig und mir is schon wieder höllisch übel. Mein guter Freund Heroin hat sich in meinem Stammhirn festgekrallt und lenkt mich mit eiserner Faust. Jawohl, reit mich ins Verderben, ich senk bloß den Kopf und renn auf die Stürme zu. Im Auge des Nadeltornados will ich verrecken, an 'ner Überdosis, die selbst Kurt Cobain vor Neid hätte erblassen lassen.

Nur Idioten sprechen noch von 'ner verfickten Danger Zone, ich lauf mutig auf die Todeszone zu und ich werd auf'm Weg noch 'n paar Terroristen abhängen mit meiner Abhängigkeit. Ich werd die ganze Welt schockieren, jedenfalls den Teil davon, der mich interessiert, also niemanden. Schwarze Poesie kotz ich vor mir auf'n Boden und die unterscheidet sich nich von dem anderen Zeug, das da schon gammelt.

Poesie is für Arschgesichter und all die, die's werden wollen und alle lesen nur noch, um zu lesen, ebenso, wie die ganze scheiß Menschheit bloß noch redet, um etwas gesagt zu haben. Wir sprechen viel und sagen doch so wenig aus. Wir sind uns selbst nich wichtig und lieben uns nur, wenn wir teuer dekoriert sind, weil wir nur dann schön sind, wenn wir glücklich sind und ich glaub, ich muss speihen. 

Es fühlt sich fast an, als würd irgendein ungnädiger Hurensohn mir immer und immer wieder mit 'nem Knüppel auf'n Schädel klopfen und sich dabei 'n zweites Loch in den Arsch freuen. Alle Türen schließen sich und Fenster schwingen quietschend auf, ich glaub, das is 'n verficktes Zeichen. Ich muss in den metaphorischen Abgrund springen. Jawohl, das sollt ich tun.

»Immer wieder gern, ich bring dich noch zur Tür, damit du sie auch findest«

Charlie klopft sich den Dreck von der Jeans, als er noch Charlotte hieß, wusste ich 'n paar Monate lang nich einmal, dass er eigentlich 'ne Frau is und irgendwie hab ich's später höllisch bereut, ihn ab und an wie 'n Mädchen zu behandeln, obwohl er keines sein wollte. Mit 'nem arschigen Grinsen steht er langsam auf und wankt 'n bisschen.

Sein Schädel scheint 'n Tick zu sehr zu brummen, denn er greift sich an die Stirn und seufzt leise vor sich hin. Erbärmlich klingt er, aber nich auf dieselbe Art und Weise wie Tonic, sondern eher so, dass ich tatsächlich in der Lage bin, Mitleid für ihn zu empfinden. Im Fall von Tonic is mir das einfach nich möglich, denn er is 'n verficktes Arschloch, der Frauen und auch sonst keinen zu schätzen weiß.

»Øyriøn, wir zwei sollten echt mal 'nen Entzug zusammen durchstehen, wir hätten auf jeden Fall Potential«

Lacht Charlie und schüttelt den Kopf, wahrscheinlich weiß er tief in seinem koksflippigen Inneren, dass ich niemals aufhören werd. Jedenfalls nich, bis ich mich vollends auflös und kein Teil mehr dieser verschissenen Welt bin. Darum hab ich nie gebeten, zu gern wär ich einfach schon viel früher draufgegangen, wer weiß, vielleicht funktioniert's ja irgendwann ausversehen.

Ich muss nach Hause, die Einsamkeit ruft nach mir, sie fühlt sich nich gut und ich soll kommen um 'se zu trösten. Hätt ich 'n Mitbewohner, wär das natürlich auch 'ne gute Ausrede, um einfach wieder abzuhauen, wenn's mir auf'n Sack geht, mein Sozialleben zu wahren, allerdings will ich's eigentlich jedem noch so verhunzten Fickfehler ersparen, zu viel Zeit mit mir verbringen zu müssen.

Immerhin kann ich 'n verfickt anstrengender, dämlicher Bastard sein und solange ich down bin und alles so seh, wie's ursprünglich vorbestimmt war, bin ich unerträglich. Unansehnlich bin ich immer, das lässt sich nich ändern, aber ich kann von Zeit zu Zeit ruhig sein und meine unqualifizierte Fresse halten. Gib mir nur 'n bisschen Dope und ich bin bloß für mich allein 'n Arsch.

Ehrlich gesagt wundert's mich seit Jahren, dass man mich als 'n guten Drücker sieht, wo ich doch die Menschheit so hasse und mein Alter mir die Ranzbude zahlt. Manchmal frag ich mich aber auch, an welcher Kreuzung der Selbstzerstörungsstraße ich falsch abgebogen bin und wie zur verfickten Hölle ich dort landen konnte, wo ich jetzt grad bin.

Die üblichen Verdächtigen [✓]Where stories live. Discover now