31| Verbrenn mich - Øyriøn

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»Und hier wohnst du? Sieht aus, als wär's so 'ne Crackbude, jedenfalls von außen«

Kommentiert Shelby, sie hat mich nach Hause begleitet, weil ich selbst kaum laufen kann. Mir geht's immer noch nich prickelnd, aber das muss so sein. Insgeheim steh ich doch wahrscheinlich drauf, wenn meine Kehle in sich zusammenfällt und mir dabei die Speiseröhre aufreißt. Der Schmerz is nebensächlich, nur die vollkommene Zerstörung zählt und ich werd nich aufhören, bis ich bloß noch 'n verfickter Haufen Matsch und Gedärm bin. Ob's meine Absicht is, kann ich nich genau sagen.

»Is 'se auch von innen, aber ich hab keine Kohle, geb 'se für anderes Zeug aus«

Erklär ich und schluck wieder 'n bisschen Kotze runter, die mich im Hals kratzt. Carnage schaut zu mir auf, er hat gerade ins Treppenhaus gepisst, um vielleicht sein neues Revier zu markieren. Vielleicht sollt ich daneben reihern, damit der Köter merkt, dass ich hier wohn und nich er, aber eigentlich geht's mir auch am Arsch vorbei. Was zählt is, dass ich bald verrecken werd und drüber lächeln muss.

Nur Schlappschwänze haben Angst vor'm Tod, ich bin zwar auch einer, aber das Sterben bedeutet mir 'n Scheiß. Gehört halt zum Leben und das interessiert mich schon nich, weil's bloß an mir hängt und mich nich in Ruhe lässt. Shelby klopft sich fragend auf die Armbeuge und ich kann bloß nicken. Ich schäm mich mehr als nur 'n bisschen für mich selbst. Deshalb schau ich auch peinlich berührt zu Boden und zuck zusammen, als Shelby mir 'ne Hand auf die Schulter legt. Ich fang an zu schwitzen, warum tut 'se mir das an?

»Mein früherer bester Freund is an scheiß Heroin gestorben, aber ich mag dich und will nicht, dass es dir auch so geht«

Ihre Stimme zittert etwas und ich glaub, sie heult gleich. Dieses Geräusch is für mich, als würd man mir das Hirn mit 'nem Löffel aus'm Schädel kratzen und ich will nur, dass es endlich aufhört. Wenn jemand vor mir heult, dreh ich durch, wahrscheinlich, weil ich dann ständig an meine Mutter denken muss. Gott, sie hat oft geheult, als ich jung war, aber mein Vater hat sich nie zu uns gesetzt. Er is 'n gefühlskalter Wichser ohne Herz und Seele und ich würd mich freuen, wenn er verreckt.

»Er is neben mir einfach eingegangen und ich will mir das nicht nochmal ansehen. Ich weiß, es ist nicht leicht, aber du solltest darüber nachdenken, aufzuhören«

Murmelt 'se, küsst mich auf die Stirn und dreht sich einfach um. Ihr Black-Metal Köter starrt noch 'n Moment zu mir zurück, ich kann die Verwirrung in seinen Augen sehen und ich doch nich bewegen. Bin zu betroffen und wahnsinnig, zu vollgedröhnt und frontalgefickt, um mich irgendwie zu regen. Der Krieg in mir, den ich bloß gegen mich selbst führ, zerreißt mich grad und ich muss auch noch mitansehen, wie Shelby wieder in ihre Kommode für bessere Menschen verschwindet.

Für 'nen so verfickt kurzen, schmerzhaften Moment war 'se mir nah und jetzt is 'se wieder weg. In ihrem Interesse is es natürlich, aber mich bringt's verdammt nochmal um und ich will ihr nachlaufen, doch meine gottverschissenen Fixerbeine sind bloß noch Pudding. Oder Kotze, Konsistenz und Geschmack sind sowieso gleich. Ich find da keinen Unterschied. Still in meine Mundhöhle reihernd greif ich nach der Türklinke, die verfickte Tür is schon offen, weil ich 'se nie abschließ.

Ganz scheiß Neukölln weiß, dass es bei mir nichts zu holen gibt und wenn doch, geht's mir einfach an meinem Junkiearsch vorbei. Mein Alter bezahlt mir die Bude und mein Heroin is so gut versteckt, dass es keiner findet, denn ich trag's immer bei mir. Wenn ich mal keines hab, träum ich wahrscheinlich, das passiert mir nämlich kaum noch. Im selben Moment, in dem ich meine nach Pest und verlorener Würde müffelnde Wohnung betret, schwabbt mir die Kotze aus'm Maul und ich fall auf die Knie.

Shelbys Worte sind noch immer wie 'n verfickter Dolch in meinen Eingeweiden. Sie reißen mich auseinander und die Krebszellen in meinem Schädel fangen lachend an, meine verbleibenden Atome zu ficken. Witzig, dass die kleinen Missgestalten mehr Verkehr haben als ich. Vielleicht sogar mehr als Tonic, ich will sterben. Die Welt bricht langsam über mir zusammen und verschüttet mich. Die Spürhunde sind faul und weigern sich, nach mir zu suchen, weil ich 'n Junkie bin. Die Mistviecher riechen bloß das Heroin, das an mir klebt und dafür sind 'se nich ausgebildet.

'N Leichenspürhund wird mich garantiert auch nich finden, weil ich nur noch aus verficktem Heroin besteh und mich drauf stütz, mich an mir selbst kaputtzudrücken. Ich hör, wie meine Adern heulen, oder bin ich das? Das Zeug, das mir über die Wangen rollt, schmeckt nach ekelhaftem scheiß Kochsalz. Gott, ich hab so lang nich mehr geheult, ich will nich sagen, dass es irgendwie befreiend is, doch das wär einfach gelogen. Kotze fließt wie in verfickten Sturzbächen auf den angefaulten Teppich und tropft mir auf die Hände.

Meine Organe rollen sich gegenseitig auf und klettern mir fast den Hals hoch, den Kloß spür ich schon irgendwie. Shelby komm zurück und schau mir beim jämmerlichen Verrecken zu. Ob's 'ne lustige Art zu sterben wär? An seiner eigenen Kotze ersticken? Auf 'ner Beerdigung würd's garantiert super ankommen. Meine Mutter sieht's ja nich mehr und mein alter Herr stört sich nich dran, was aus mir wird. Vielleicht fängt er dann auch an zu lachen. Meine Schwester fänd's bestimmt ekelhaft und zum Kreischen, was gut is, weil ich 'se n leiden kann.

Würd mich allgemein interessieren, ob ich's noch schaff, bis die Menschheit das ewige Vakuum endlich für alle öffnet und wir uns gegenseitig zur dümmsten Lebensform beglückwünschen können. Vielleicht sollt ich ja doch aufhören, zu drücken. Shelby wird wohl kaum noch was mit mir zu tun haben, wenn ich 'se immer an ihren alten Kumpel erinner. Wär schade, ich hab 'se gern, vor allem, weil 'se Tonic ihren Whiskey ins Gesicht gekippt hat. Das war der Moment, in dem ich 'se heiraten wollt.

Allerdings hätt ich dafür wohl kaum genug Geld und Shelby hat etwas Besseres verdient. Jemanden, der besser is als ich. Ich könnt Knochen kotzen, doch es sind bloß die blutigen Fetzen meines entzündeten Magens und meinen gelblichen Augen kann ich schon gar nich mehr trauen. Ich bin dafür nich gemacht. Für's Drücken und elendig dran verrecken schon, aber für echte soziale Kontakte doch nich. Erst recht nich für jemanden wie Shelby. Ich hör mich echt an wie so 'ne gesprungene Schallplatte und red bloß noch dasselbe, doch es stimmt leider.

Langsam aber sicher geht's wahrscheinlich zu Ende mit mir und ich werd mich nich dran stören. Sterben gehört halt zum Leben und schließt selbiges gebührend ab, keiner kann's verhindern und ich hab mittlerweile keine Angst mehr. Allerdings befürcht ich, dass ich das Sterben an und für sich so geil find, dass ich vor lauter Aufregung vergess, was ich eigentlich zu sagen hatte. Aus meinem Maul kommt ohnehin nur Scheiße und selbst wenn ich anfangen würd, zu schreiben, hätt sich keiner dafür interessiert. Was ich von mir geb, is stets verschlüsselt und kryptisch.

Man müsst schließlich nachdenken, um's vielleicht irgendwie zu verstehen. Charlie meinte mal, ich solle irgendwann all diesen komischen Scheiß aufschreiben, der mir so durch meinen Schädel fliegt, aber ich weigere ich immens. Ich muss an den Anfang der Abhängigkeit denken. Dieses Tütchen, das ich in der Hand dieser Toten gefunden hab. Tonic sagte noch, er würde selbst ihre Leiche ficken, obwohl die gar keine Augen und bloß noch ein Bein hatte. Die Magengrube stand offen und es steckte ein Löffel drin, den ich mitnahm.

Die Frage am Heroin war doch insgeheim nie ob, sondern wann verfickt nochmal etwas schiefgeht. Jeder scheiß Drücker weiß von Anfang an, dass er nich gewinnen kann und hier in scheiß Neukölln frisst einen diese Selbstmörderstadt noch 'n bisschen dazu. Ach was, scheiß Neukölln erschießt einen und vergeht sich an der verschissenen Leiche, wie Tonic's garantiert auch getan hätt. Ich würd mich ehrlich gesagt gar nich wundern, wenn er's irgendwann mal mit 'nem Kaktus treibt und ich ihm Stacheln aus'm Schwanz ziehen darf.

Verdammtes Arschloch. Mir tropft noch 'n bisschen Kotze auf die vom Tabak vergilbten Finger und ich heb nur die Hand, um's Erbrochene von meinen Fingerknöcheln zu lecken. Ich will nich behaupten, dass es besser schmeckt, als das widerwärtige Zeug, das ich normalerweise ess, aber auch das wär verfickt nochmal gelogen. Ich bin 'n scheiß Lügner und ich leb davon. Ich belüg mich selbst so ehrlich, dass ich mich dafür nich mal hassen kann.

Langsam wird es ernst

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Langsam wird es ernst. Denkt ihr, Øyriøn wird sich für Shelby vom Heroin lossagen?

Die üblichen Verdächtigen [✓]Where stories live. Discover now