23| Hassmord - Dimmu

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Was habe ich getan? Er ist tot. Andreas ist verfickt nochmal tot und ich hab ihn umgebracht. Ich bin eine Mörderin. All diese Tüten in meinem Gefrierschrank und das Blut an meinen Händen. Ob die Nachbarn schon die Polizei gerufen haben? Nein, wahrscheinlich nicht, immerhin is es doch schon fast wieder Mittag und die Menschheit vorm Fenster lebt weiter.

Ohne sich zu fragen, ob der Wohnung nebenan vielleicht 'n Mord geschehen ist. Hoffentlich. Gott, is mir schlecht. Kein Wunder, aber es hat mich ja auch keiner gezwungen, die Tüten nochmal zu zählen, das hab ich dumme Schlampe ganz für mich allein entschieden. Wo sind seine Augen? Verdammt, ich hab sie gegessen. Ich bin ein verficktes Monster, aber ich bin frei.

Jedenfalls, solange die Bullen mich nicht finden. Mein Shirt ist fast vollkommen rot und trockene Hirnmasse klebt im Stoff fest. Das kann ich doch nicht einfach waschen, das muss ich wegwerfen. Nur wohin damit? Gibt's hier nicht irgendwo 'ne Mülldeponie? So 'ne Scheiße, ganz Neukölln ist 'ne Müllkippe. Jedes Bundesland wirft hier den Dreck ab, der uns am Leben hält und nehmen es einfach hin.

Würde ich damit irgendwie vor Gericht durchkommen? Mit einem Mord, der aus Selbstverteidigung resultierte? Ein Mord zum Schutz? Vielleicht, allerdings hätte ich Andreas dann nicht unbedingt durch den Fleischwolf drehen sollen. Meine Gedanken kreisen und rotieren über mir. Sie schweben durch die Küche und lachen mich aus, weil ich nicht nach ihnen greifen kann. Ich will sie einfangen, aber die Biester sind zu schnell und verschwinden in den Wänden.

In meinem Kopf tanzt gerade echt der Teufel und er kann's irgendwie nicht so richtig, deshalb steppt er lieber und das sieht ziemlich beschissen aus. Mein Magen rumort und ich hab das Gefühl, dass gleich nicht nur Blut auf der vergilbten Tapete klebt. Die Kacheln hinter mir tropfen noch etwas, roter Lebenssaft läuft auf die Ablagen und bleibt auf den Herdplatten zurück. Erstaunlich, dass es bis dahin gespritzt hat. Ich wusste nicht, dass ich so viel Kraft aufbringen kann.

Wahrscheinlich müsste ich mich jetzt hassen, weil ich 'nen Menschen umgebracht hab, allerdings fühl ich mich seltsam befreit. Als hätte ich mir Monate alte Hundescheiße von den Schuhsohlen gekratzt. Die Pfanne liegt noch vor mir auf dem Boden. So unschuldig und doch voller Grütze. Der Griff is irgendwie abgebrochen und unter dem Tisch gelandet. Es sieht aus wie auf dem Schlachtfeld und ich will das alles nicht aufräumen.

Dieser Arsch wird sich niemals wieder über mein Essen beschweren. Mich niemals wieder 'ne Schlampe nennen und ich muss ihn niemals wieder ertragen. Wir hätten uns auch einfach scheiden lassen können, allerdings hätte er das wahrscheinlich gar nicht verstanden. Er war dumm, hat es trotzdem immer auf mich geschoben. Weil er der Hurensohn mit dem Job war und ich nur die Alte, die seine Wohnung in Schuss hält.

Viel zu oft hat er auf meinem Speed rumgeritten und am Ende bin ich doch die Siegerin. Ich lache und er verrottet jämmerlich in meiner Gefriertruhe. Man sollte sich nicht mit einer Frau anlegen, die viel Zeit in der Küche verbringt, denn sie kennt die Waffen, die sich ihr dort bieten. Vielleicht wird Tonic auf eines Tages so sterben. Das wäre lustig. Er is ein Arsch und schafft es nicht, jemanden zu respektieren, aber das is ja keinem neu. Wenn eine Frau hübsch is, kann er sie nicht ernst nehmen.

Ich glaube, die ganze Welt ist einfach pathetisch und ich bin nur ein Sandkorn im Haufen der Scheißigkeit. Das ist so ein Satz, den Øyriøn gesagt haben könnte. Eigentlich hätte ich ihn jetzt wirklich gern hier, denn er weiß immer, was zu tun ist. Er is die ganze Zeit über ruhig und in seinem Schädel kollidieren Welten miteinander. Vielleicht is er 'n Genie, aber wahrscheinlich bloß 'n großer Denker. Ist mir scheißegal, er könnte mir helfen. Er hat doch schon viele Menschen verrecken sehen.

Na gut, er hat sie bestimmt nicht selbst ermordet, immerhin ist er nicht so 'n verschissenes Monster, wie ich eines bin. Ich sollte ihn da nicht mit reinziehen. Ob die im Bau Heizungen haben? Irgendwie bin ich froh, dass ich nicht in Amerika lebe, dort gibt es für Mörder noch die Todesstrafe und hier in Deutschland sind sich die Politiker zu fein dafür. Sie füttern die Arschlöcher lieber mit Steuergeldern durch und lassen sie später wieder auf die Menschheit los.

Gut, dass sie solche Feiglinge sind. Für mich. Und für die anderen deutschen Mörder. Ich spür das verkrustete Blut auf meinen Unterarmen und mir fällt ein, dass ich den Scheiß hier mal langsam sauber machen sollte, wenn ich nicht auffliegen will. Der rote Dreck trocknet schnell auf meiner Haut und es fühlt sich fast an, als würde er damit verwachsen. Alles um mich herum stinkt erbärmlich nach Metall und Kotze. 'N bisschen Pisse is auch dabei, aber nur, weil Andreas sich im Angesicht des Todes wahrscheinlich noch schnell eingenässt hat.

Ich hieve mich auf die Beine und speihe röchelnd in die Spüle, in der ein oder zwei kleine Knochensplitter liegen. Sie schwimmen besser gesagt im roten Wasser und ich fühl mich, als wär ich 'ne Metzgerin. Was für ein seltsamer Beruf. Ich will meine Hände in Unschuld waschen, doch es wird Magensäure draus. Egal, das Blut lässt sich von meiner Haut spülen und ich sehe langsam aber sicher nicht mehr wie eine Killerin aus. Ich komm mir trotzdem noch so vor, doch ich denke, das wird jetzt einfach so bleiben.

Darauf wollte ich scheinbar all die Jahre über hinaus und irgendwie is es nicht mal halb so spektakulär, wie ich es mir ausgemalt hab. Allerdings bin ich ziemlich betäubt und nichts ist mehr von Bedeutung. Jedenfalls nicht für mich. Speed macht dich lethargisch und ich war schon immer die Art von Mensch, die sich um nichts kümmern will. Kein Abschluss? Wofür sollte ich den brauchen? Aus dem Testament gestrichen? Meinetwegen, ich kann doch sowieso nicht mit Geld umgehen.

Die Lampe über mir flackert und erstirbt. Er interessiert mich allerdings kein bisschen und ich wasche mir nur weiterhin die Hände, in der Hoffnung, nicht erkannt zu werden. Von niemandem. Niemals wieder. Der Duft der süßen Verwesung in meinem Rücken lässt mich immer wieder daran denken, dass ich noch die Teile einer Leiche in meiner Wohnung hab und der Teufel in meinem Kopf tanzt mittlerweile zu Helena. Ich liebe die Misfits.

»If I cut up your arms and cut up your legs would you still love me anyway? Why don't you love me anyway?«

Singe ich leise vor mich hin und wende mich von der vollgekotzten Spüle ab, mir ist nur noch bedingt schlecht und ich hab auch nicht mehr den Wunsch, den Inhalt der Tüten ebenfalls zu essen. Oder zu trinken. Schließlich ist ein großer Teil von Andreas mittlerweile flüssig. Ich muss lächeln und fange an, zu tanzen. Zwar kann ich's nicht, aber das geht mir am Arsch vorbei.

Im Wohnzimmer sind noch die Fenster offen und ich lehn mich nach draußen, um zu rauchen. Es liegt ja immer 'ne Schachtel Zigaretten auf'm Fensterbrett. Die alte Frau von gegenüber steht im Innenhof und ihr Dackel sieht aus, als würde er gleich sterben. Ein hässliches, altes Vieh, das mich die ganze Zeit anbeltt, nur jetzt nicht und ich weiß auch nicht, weshalb. Sein Frauchen heißt zum Nachnamen Möck und ist 'ne alte Klingelschlampe.

Deshalb wundert es mich auch, dass sie heute noch nicht vor meiner Tür gestanden hat, um mich zu fragen, was passiert sei. Vielleicht hat sie ja auch einfach ihr Hörgerät verlegt, kann gut sein. Ich meine nämlich, dass sie fast taub ist. Sie schaut zu mir hinauf und winkt kurz, dann bemerkt sie, dass Blut auf meinem Shirt klebt und verzieht das Gesicht. Ich grinse bloß zurück und asche auf die Fensterbank.

Wenn ich rauchen möchte, dann mach ich das eben und Andreas kann mich jetzt nicht mehr davon abhalten. Frau Möck ruft irgendetwas in meine Richtung, das ich nicht verstehe, denn sie spricht mit grauenvollem Dialekt. Ich meine, sie kommt aus Sachsen. Is hergezogen, als die Mauer fiel, weil sie zu Hause nichts mehr hielt. Kann ich verstehen, Sachsen is hässlich, find ich. Sie ruft mir noch etwas zu und ich schon wieder nicht entziffern kann. Deshalb zucke ich mit den Schultern und nehme einen Zug von meiner Zigarette. Daraufhin antworte ich das einzige, das mir gerade durch meinen verrauchten Schädel fliegt:

»Frau Möck, ich hab vorhin meinen Mann erschlagen und ich war noch nie so glücklich«

»Frau Möck, ich hab vorhin meinen Mann erschlagen und ich war noch nie so glücklich«

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Die üblichen Verdächtigen [✓]Where stories live. Discover now