5| Süchtig nach Sucht - Dimmu

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»Bewundernswert, dass du von dem Scheiß wegbleiben kannst. Ich könnt's nicht. Ich finde, du bist stärker, als die Jungs«

Schöne Worte von einer eigentlich schönen Frau. Die Pestkönigin hockt auf der blanken Theke, die wahrscheinlich nicht mehr allzu lang so sauber bleibt, jedenfalls nicht, wenn die anderen auch gleich hier aufkreuzen. Irgendwie tut sie mir ein bisschen leid, die Pestkönigin, wie sie sich die Mühe gibt, eine Schießbude aufzubauen, nur damit irgendwelche vollen Vollidioten hier wieder alles unordentlich verlassen können.

Ich denke, sie hat sich heute schon einen Schuss aufgekocht, denn sie ist sehr ruhig und ich unterhalt mich schon eine gefühlte halbe Stunde auf einer Augenhöhe mit ihr. Wenn hier alles voller suchtkranker Hurenböcke ist, kann man das gleich in den Wind schießen. Verständlich eigentlich, die Pestkönigin hat keine Zeit, mit irgendwem zu plaudern, wenn sie nebenbei aufpassen muss, dass sich hier keiner 'ne Überdosis reinhaut.

Letzten Sommer ist es trotzdem passiert und sie hat dem Typen doch tatsächlich die Hand gehalten, als er starb. Das hätte ich nicht getan. Ganz bestimmt nicht. Den Kerl, der da ins Gras gebissen hat, den kannte ich nicht einmal und selbst wenn doch, es hätte mich wahrscheinlich gar nicht interessiert, ob er stirbt, oder doch wieder aufsteht und sein Leben weiter wegwirft.

Ich bin ganz ehrlich, für die ach so harten Schweine hab ich echt nicht viel übrig. Manchmal ist es sogar schwer für mich, Øyriøn und die anderen nicht als Loser zu bezeichnen, denn hier in scheiß Neukölln denkt man kaum an andere. Wo wären wir da? Lächerlich, als würde man auch nur eine Sekunde damit verschwenden, einem anderen Menschen zu helfen. Welchen Lohn bekommt man schon dafür?

Eigentlich will ich noch ein bisschen leise vor mich hin fluchen, da haut's die von innen leicht lädierte und kaum noch sichtbar vollgekotzte Tür auf und die drei dümmsten Kerle von ganz Berlin betreten die Schießbude. Der lethargische Øyriøn, sein komisch gekleidetes Anhängsel Pin Pin und Tonic, der primitivste Wichser, den ich kenne. Ach, verdamm mich doch, ich mag sie trotzdem irgendwie.

»Wenn ihr Drecksäcke noch öfter herkommt, fang ich bald an, Miete zu verlangen«

Giftet die Pestkönigin und rutscht von der Theke, Tonic grinst sie bloß verschwörerisch an. Ich denke, sie würde ihm gern ins Gesicht rotzen, diesem besserwisserischen, rechthaberischen Haufen Hundescheiße. Einmal hab ich ihm tatsächlich in die Eier getreten und ihm gesagt, was ich von seiner Lebensphilosophie von wegen Ficken, Feiern, Tralala halte. Begeistert war er nicht und vielleicht kann er mich deshalb nicht wirklich leiden, aber das ist mir ehrlich gesagt scheißegal.

»Tut mir leid, aber ich hab nichts mehr zu Haus und ich vermiss langsam das Gefühl, wie's mir die verfickten Organe durch die Magengrube jagt, als wären 'se 'ne scheiß Bombe«

Lacht Øyriøn und lässt sich zu meiner Rechten auf einen freien Hocker fallen. Der Typ wird auch immer weniger, früher fand ich ihn ja fast hübsch, aber mittlerweile sieht man wirklich, dass er abhängig ist. Die Wangen hohl, die Augäpfel ekelhaft gelb und sein Haar ohne jeden Glanz. Er zittert auch so apathisch, ob er auf Turkey ist? Wundern würd es mich überhaupt nicht.

Da fällt mir auf, dass Pin Pin auch nicht zwingend besser aussieht. Er hockt zu meiner Linken und hebt seinen ausrangierten Zylinder zum Gruß, darunter seine ungewaschenen, schwarzen Haare. Gott, den Kerl hätte ich nur ungern als meinen Vater. Ein Mysterium, dass seine Alte sich noch nicht von ihm hat scheiden lassen, wo sich die zwei doch ständig streiten.

»Ich bin nur aus Gruppenzwang hier. Deine Opiumzäpfchen sind voll für'n Arsch«

Beschwert sich Pin Pin und die Pestkönigin fängt unkontrolliert an, zu lachen, als hätte er einen wirklich geschmackvollen Witz mit Würze erzählt. Dabei hat er eigentlich einen ganz widerlichen Humor. Einen seiner Scherze bring ich gar nicht mehr so richtig zusammen, ich weiß nur noch, dass ich ihn grauenhaft fand. Irgendetwas mit toten Babys und Mülltonnen.

Die üblichen Verdächtigen [✓]Where stories live. Discover now