42| Generation Nadel - Pin Pin

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»Hast du wieder Glück inne?«

Nein, Natalie. Man nennt's verdammt nochmal Heroin und es tötet mich, auch wenn ich's von mir stoße, weil ich bloß 'n dummer Fixer bin und nich mal im geringsten weiß, was ich überhaupt vom Leben will. Meine Tochter schaut zu mir auf und ich will schon wieder sterben. Das Leben is es mir nicht wert und mein Bruder verreckt elendig wie unwürdig, während ich hier auf der scheiß Couch sitz und mein Schädel mich umbringt. Jennifer is nich zu Hause, ich weiß gar nicht, wo genau sie is. Vielleicht im ranzigen Supermarkt um die Ecke und irgendwelche scheiß Tabletten holen.

Als würd mir der pharmazeutische Mist helfen. Antihelden und Aktionisten haben sich heut alle irgendwie gegen mich verschworen, denn Natalie fragt mir klaffende Löcher in den Magen, ihre Stimme zerätzt meine Schleimhäute und meine Gedanken fliegen durch den versifften Raum. Wie gern würd ich jetzt einfach draufgehen, mir is so übel und ich will nich mehr lamentieren. Natalie soll mich nich so sehen, warum is sie überhaupt noch hier? Jennifer hätt sie zum Einkaufen mitnehmen sollen, solange sie allerdings hier is, kann ich mich so gar nich aufs Sterben konzentrieren. Ich mach mich schon wieder nur dran, mich in die Misere zu meditieren.

Katharina wirft den Fernseher um und springt aus dem Fenster. Als letztes seh ich noch ihr müdes Lächeln, das mein kaltes, steinernes Herz früher immer zum Schmelzen gebracht hat. Heute sind nur noch Schmerzen und die trockene Erinnerungen an eine bessere Zeit, die ich wie in Ekstase nachzuspielen versuch. Ich krall mich an alte Düfte und Fetzen und bin enttäuscht, wenn das Leben mir doch wieder bloß in die Hände scheißt. Kotze streichelt meine Speiseröhre und 'n Dolch bohrt sich durch meine Eingeweide. Natalie, halt dir die Augen zu und zähl bis zwanzig, dann is alles vorbei. Hoffentlich.

Ich will eigentlich aufstehen und mich rüber ins Bad kämpfen, damit ich Natalie kein verficktes Trauma verpass, doch meine Beine sind wie amputiert. Mach schon, du elender, ekelhafter Junkie. Funktioniere und sei ein Mann. Schön wär's, mein Körper zeigt mir den Mittelfinger und kollabiert mit 'nem scheißefressenden Lachen, das mir in den Lungen sticht wie die Nachricht eines plötzlichen Tumors. Ich bin der Aschenbecher meinerselbst, einzig und allein ein verzerrter Schatten von dem, der ich mit viel Glück vielleicht mal hätte werden können. Ein perfekt gefälschtes Ebenbild, ich bin ein Klon von Emotionen und das High tritt mir in den Arsch.

»Was hast du denn?«

Du bist so klug, bitte sei schlauer als ich. Irgendwie wünsch ich mir, dass Natalie irgendwann in der Schule so abartig hässlich is, dass die coolen Kids sie nicht mit Drogen vollpumpen. Oder dass ich verreck und sie sich auch von Alkohol distanziert. Warum nicht beides? Man kann ja nie wissen und doppelt hält bekanntlich besser. Ich will lächeln, doch fall ich von der Couch und lande mit meiner grässlichen Junkiefresse voraus auf'm Boden. Der Teppich schmeckt nach geplatzten Träumen und saurer Enttäuschung. Nein, das bin nur ich, das is es nämlich, woraus ich besteh. Ich bin so verdammt armselig und die Kotze, die mir jetzt durch den Rachen wandert is es ebenfalls.

»Hol die Wumme, ich will sterben wie Kurt Cobain«

Ruf ich gequält und dreh mich auf'n Rücken, die Kotze hab ich geschluckt wie meinen Ärger über mich selbst. Schade eigentlich, wir haben keine Knarre. Dabei hätt ich jetzt doch so gern 'ne treue Shotgun an meiner Seite, die mich in meinen Entscheidungen unterstützt und mir 'ne verlässliche Kugel durch den Kopf ballert. Wahrscheinlich haben wir aus genau diesem Grund keine Waffe im Haus. Damit ich nicht irgendwann zu viel bekomm und mich beenden will. Wie meta dieser Gedanke is. Würd ich jetzt behaupten, hätt ich 'ne Ahnung, was meta eigentlich bedeutet. Das is es aber ganz bestimmt nicht. Mir läuft Rotz aus der Nase und tropft dickflüssig auf meinen Pullover.

Auf den grotesken Pullover, der nicht mal mehr aus genügend Fadenscheiße besteht, um meine Arme zu verdecken. Meine Narben jucken wie sie nässen und ich will sie aufkratzen, um mir neues Gift einzuflößen. Heroinabhängigkeit aus Höflichkeit würde meine beschissene Situation noch am Ehesten beschreiben. Ich hab weder Halt noch Haltung und das Leben will mir wahrscheinlich schon wieder ausweichen. Es geht mir nicht gut und ich kann den Tod in meinen Adern spüren. Besser wird's auch nicht, als Natalie sich zu mir auf'n Teppich setzt und mich von der Seite anstarrt. Sie is so verwirrt und ich bin so krank. Und so dumm. So unverzeihlich dumm.

Es tut mir leid, ich will mich ändern, töte mich und erschaff mich neu. Gott, der da oben irgendwo auf Wolken aus Scheiße hockt und sich ins Fäustchen lacht, wenn er mein Leid bestaunen kann. Du widerlicher Wichser, du hast mir über all die Jahre so verdammt viel versprochen, das du einfach nicht eingehalten hast. Du hast gepredigt und meinen Schädel mit Scheiße vollgestopft, bis ich gehorsam war und nicht mehr hinterfragt hab. Da hast du's. Das is auch mir geworden. 'N scheiß Fixer, ich bin abhängig und kann dich nich mal dafür beschuldigen, denn es is einzig und allein meine Schuld. Deine Schöpfung is der reinste Scheißdreck, Gott.

»Stirb nicht am Glück«

Hör ich Natalie neben mir heulen, sie legt die Arme um meinen Hals und ich hab das Gefühl, sie erwürgt mich. Allerdings will ich nich loswerden, wo sie ihren beschissenen Vater doch so schon kaum sieht. Was hab ich eigentlich mit meinem Leben angestellt? Ich hätte alles haben können, warum bin ich mehr tot als lebendig? Ganz einfach, weil das die natürliche Selektion is und ich für 'n Leben unter normalen Menschen nicht geeignet bin. Mein Kopf macht nicht mehr mit und ich will auch irgendwie gar nich mehr ich sein. Ich hab's satt, jeden Morgen dieses hässliche Gesicht im Spiegel zu sehen. Vielleicht hab ich den verkackten Lügner über dem Waschbecken im Bad deshalb zertrümmert. Natürlich in 'nem Anflug von Glück oder Heroin.

»Ich werd schon an mir selbst sterben, dafür brauch ich das Glück nich«

Gern hätt ich so viel mehr gesagt, doch meine Stimme verlässt den Raum und lacht mich aus. Verdammt, alles um mich herum verreckt und ich muss aufpassen, dass ich nicht dazugehör. Natalie heult weiter und es tut mir so leid. Ich liebe sie doch, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob sie mich irgendwann nicht hasst. Immerhin hätte ich eigentlich die Aufgabe, ihr 'n guter Vater und 'n scheiß Vorbild zu sein. Stattdessen bin ich ja nicht mal 'n Vorbild für mich selbst. Wenn ich wer anders wär, würd ich mich auch hassen. Wahrscheinlich würd ich mich erschießen und die Leiche in 'nem Pit aus Scheiße vergraben.

Ich will nicht, dass Natalie meinetwegen wie so 'n verdammter Schlosshund weinen muss. Eigentlich möchte ich für niemanden ein Problem darstellen, dabei bin ich für alle 'ne riesige Belastung. Ich bin mir nicht sicher, was ich tun muss, um sie alle zu entlasten. Vielleicht sollte ich mich erschießen, um mein scheiß Hirn der Wissenschaft spenden. Oder dem Krematorium, kommt ja beides aufs selbe raus. Gott, ich bin so 'ne verdammte Ratte. Natalie zieht an meinen Haaren, eigentlich darf das keiner, aber sie hat 'ne Sondergenehmigung für alles, was ich im Grunde genommen mit jeder Faser meines Herzens verachte.

»Bring mich um. Sei ein guter Mensch und brich mir das Genick«

'Ne harsche Bitte für ein so kleines Kind. Sie weiß doch auch gar nicht, wie der Tod funktioniert. Sie weiß nur, dass er existiert und das Leben nicht für immer währt, dass der Tod allerdings 'n verdammter Hurenbock is und sich immer die falschen Leute holt, is Natalie noch nich bekannt. Gut für sie, beschissen für alle anderen. Ich darf mir Synonyme für den Tod andichten, wenn ich Jennifer davon erzähl, dass ich sterben will. Is nich schwer, aber störend. Wie ich's eben auch irgendwie bin. So deprimierend, dass ich nicht aufstehen kann, um aus'm Fenster zu springen. Ich hör von der Seite, dass die Wohnungstür aufgeschlossen wird. Ich hoff so sehr, dass es 'n Einbrecher is, der mir das Hirn wegpustet, doch es is bloß Jennifer mit 'ner raschelnden Tüte.

Sie fällt vor mir auf die Knie und schickt Natalie fort. Meiner Meinung nach die falsche Art, doch ich kann mich nich bewegen und bin wehrlos. Jennifer bettet meinen Schädel in ihren Schoß und streicht mir die Haare aus der Stirn. Irgendetwas redet sie vor sich hin, das ich nich verstehen kann. Ich seh sie auch nur noch wie durch 'ne schmutzige Scheibe, bevor die Schwärze mich frisst.

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