33| Schattenfänger - Tonic

112 25 17
                                    

»Ach du verfickte Scheiße! Ist er grad ernsthaft vom Stuhl gefallen? Hatte er 'ne Überdosis?«

Die Pestkönigin schreit mich an und ich hab nicht die geringste Ahnung, denn ich bin selbst vollkommen zugeballert und sehe den Raum in einem rötlichen Licht, er dreht sich und mein Magen tut es ihm gleich. Ich würde gerne aufstehen, doch wenn ich das tue, ende ich wahrscheinlich auch wie Charlie. Er liegt einfach vor mir am Boden, seine verstochenen Arme sind unnatürlich von seinem Körper gekrümmt und sein Gesicht hässlich verklemmt. Wenn ich ehrlich bin, finde ich, dass er jämmerlich aussehe. Neben ihm bin ich ein Hauptgewinn.

Das bin ich natürlich auch so, allerdings wird es bloß noch deutlicher, wenn ich erbärmliche Leute wie Øyriøn oder Charlie an meiner Seite hab. Wenn ich gerade so darüber nachdenke, hätte ich jetzt wirklich gern noch einen Schluck Vodka, der macht mich nur zu einem besseren Menschen, obwohl das eigentlich gar nicht möglich ist. Ich will nicht behaupten, dass ich perfekt bin, aber ich bin schon ziemlich nah dran und Charlie so weit davon entfernt, dass er nicht einmal meinen Staub fressen könnte. Er könnte auch meinen Schatten nicht fangen, ihm höchstens dienen.

Die Pestkönigin kommt gehetzt hinter der Theke hervor und setzt sich neben Charlie auf den Boden. Das würde ich wahrscheinlich eher nicht tun. Zum Einen, weil Charlie irgendwie nach Mottenkugeln riecht und zum Anderen, weil seine Kotze auf dem gammeligen Parkett klebt und ich mich da nur ungern reinknien würde. Die gute alte Pestkönigin ist da allerdings anders, sie scheint den Puls zu messen und steht sogleich wieder auf. Ich verstehe gar nichts mehr, aber das liegt am Heroin, normalerweise bin ich nämlich nicht so dumm.

In diesem Moment allerdings bin ich passiv und mein ganzes Leben wirkt nur, als würde ich mir selbst zusehen. Ganz so, als wäre ich ein unbeteiligter Passant, der sich nicht von dem Unfall losreißen kann, der sich Charlies Leben nennt. Das ist doch, was die beschissenen Leute von Außerhalb tun, wenn sie bemerken, dass es in meinem Umfeld ordentlich gekracht hat. Niemals würden sie auf die Idee kommen, ihre Hilfe anzubieten oder auch den verfickten Krankenwagen zu rufen, weil sie die Sensation zum Überleben brauchen.

Ich will mich ja nicht über diese Hurensöhne stellen und in meinem Rausch aus blauem Dunst und Heroin meinen, dass ich es anders machen würde, aber ich klage doch so verdammt gern über andere. Das ist meine Freizeit, weil es bei anderen so verschissen viel gibt, über das man sich beschweren kann und ich um ein Haar perfekt bin. Da kann ich nicht klagen und ich weiß genau, dass jeder, der mich hasst, nur neidisch auf mich ist, weil ich in meinem Leben etwas geschafft habe und jemandem etwas bedeute. Meinem Chef zwar, doch der feige Arsch zählt auch. 

Die Pestkönigin telefoniert gerade ganz aufgeregt, ich wusste nicht einmal, dass sie ein Telefon hat. Ob ich ihre Nummer habe? Dann könnte ich sie vielleicht das ein oder andere Mal anrufen und, wer weiß, das könnte doch dazu führen, dass sie irgendwann vorbeikommt. Verdammt, ich würde sie wirklich gern ficken. Wie alt ist sie eigentlich? Das weiß nämlich keiner so recht, sie ist aber auch echt verfickt schwer einzuschätzen. Ich würde es natürlich trotzdem schaffen, denn ich kann gut mit Menschen, ich hab nur gerade keine Lust.

»Scheiße, beeilen Sie sich doch 'n bisschen, wenn Sie nich wollen, dass mein Kumpel verreckt. Ich glaub, er is schwer gestürzt, aber sein Herz schlägt noch, also schwingen Sie Ihren Arsch hier rüber«

Sie hat offensichtlich den Krankenwagen gerufen. Oder irgendwen, der auch nur ein wenig mehr Ahnung von Medizin hat, als sie selbst. Schweißperlen machen sich auf ihrem tätowierten Schädel bemerkbar und ich könnte mir in diesem Moment einfach mindestens eine Situation vorstellen, in der es ihr ebenso gehen würde. Meine Arme wiegen schwer und scheinen meinen Körper auseinander zu ziehen, jedenfalls fühlt es sich so an. Warum muss ich schon wieder an Ladja denken? Er ist doch schon so verfickt lange tot.

Die üblichen Verdächtigen [✓]Where stories live. Discover now