15 - Die Welt der Töne - Teil 2

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Er schaute Dieter erstaunt an und als dieser den Blick spürte, erklärte er: „Stimmt doch. Du schlägst dich mit knapp 18 in der Welt der Erwachsenen als Schüler alleine durch. Zumindest bis kurz vor deinem 19. Geburtstag und Emma denkt, sie müsse Rekorde aufstellen, nachdem sie wie eine Löwin für ihren Traum gekämpft hat. Ich werde nicht zulassen, dass du deinen Traum aufgibst, Äffchen. Nicht, weil du im Moment einen Durchhänger hast. Denn das würdest du tatsächlich bereuen. Muss ich dich wirklich nochmal fragen, ob du für heute dein Gerät nicht abnehmen willst?"

Daniel sah, wie seine Liebste den Sprachprozessor abnahm und sich langsam beruhigte, als nichts mehr außer Stille ihr Ohr traf. Sie schluchzte und warf sich ihrem Vater an den Hals, an dessen Lippen prompt ein leichtes Lächeln zupfte. Dieter strich seiner Tochter beruhigend über den Rücken und Daniel stand ebenfalls erleichtert auf. Auch er war erschrocken, Emma so außer sich zu sehen. Er hatte gedacht, der Absturz letzte Woche, nach ihrem Streit sei heftig gewesen. Doch heute hatte sie so verloren gewirkt, als müsse sie das Gewicht der Welt alleine stemmen. Er war froh, dass Dieter es geschafft hatte, sie zu beruhigen. Er glaubte sogar, dass es wichtig gewesen war, dass ihr Vater ihr gesagt hatte, dass er meinte, das CI sei richtig gewesen. Denn die Angst, dass ihre Eltern fanden, sie habe falsch gehandelt, hatte sie ihm letzte Woche schon gestanden. Er ließ den Blick über die Hausaufgaben wandern, die sie auf ihrem Schreibtisch ausgebreitet hatte, und schüttelte den Kopf.

Das waren Matheaufgaben und sie hatte nicht eine Rechnung richtig gelöst. Sogar er sah das und er löste solche Aufgaben nicht aus dem ff, so wie seine Freundin sonst. Sie war heillos überfordert, erkannte er und seufzte. Aber das war nichts, was sie nicht hinbekamen, dachte er und schloss ihr Heft. Sie sollte nicht sehen, was für einen Murks sie fabriziert hatte, wenn sie sich wieder beruhigt hatte. Zumindest nicht heute.

Er bemerkte, dass Uta sich auf Emmas Bett gesetzt und die Worte ihres Mannes verfolgt hatte. Sie sah ihn bekümmert an. Ob sie ihm wohl zustimmte? Oder war sie anderer Meinung als Dieter? Die Frage beantwortete sich von selbst, als er registrierte, dass Emmas Vater ihrer Mutter einen Blick zuwarf, und diese fragte, ob er dachte, sie hätten ihre Tochter zu sehr allein gelassen mit ihrer Entscheidung. Er sah, wie Dieter ratlos mit den Schultern zuckte und schüttelte den Kopf. Offenbar hatte Uta die Bewegung wahrgenommen, denn jetzt flog ihr Blick zu ihm.

„Nein, habt ihr nicht. Entschuldigung. Ich wollte mich nicht einmischen. Aber ich will nicht, dass ihr denkt, ihr hättet etwas falschgemacht. Ihr habt ihr immer wieder versucht zu vermitteln, dass sie sich überfordert. Ebenso wie ich. Sie war anderer Meinung, das ist alles. Dass sie heute so fertig ist, ist nicht eure Schuld genauso wenig wie ihre. Es ist schlicht so. Aber es hilft ihr trotzdem, zu wissen, dass ihr hinter ihr steht. Ich glaube, ich rufe nachher Melina an, ob sie und Ben auf einen Spieleabend kommen am Samstag, das wird Emma ablenken. Habt ihr Lust?", stellte er fest und jetzt zupfte auch ein Lächeln an Utas Lippen.

„Sehr gerne. Wir bekommen Emma wieder auf die Beine. Danke, für deine Worte", erwiderte sie und er zuckte mit den Achseln.

„Kein Problem. Ist ja nur meine Meinung", erklärte er und Uta nickte.

„Eine schlaue Meinung. Dann mach ich jetzt mal Spaghetti. Die habe ich Emma immer gemacht, wenn sie einen Durchhänger hatte. Ich hoffe, sie erinnern sie daran, dass alles gut wird", meinte sie und Daniel grinste.

„Bestimmt", antwortete er und Uta verließ nickend das Zimmer.

Unterdessen hatte sich auch seine Freundin von ihrem Vater gelöst und gebärdete: „Danke, Papa. Dass ihr zu mir steht und mich nicht verurteilt, weil ich es gerade nicht schaffe."

„Das werden wir auch nie tun, Äffchen. So, und jetzt nimm deinen Freund in die Arme, denn der ist ebenso tausend Tode gestorben wie ich, als wir hierher gerast sind. Und dann wäschst du dir dein Gesicht und wir trinken in Ruhe Kaffee", entschied Dieter und stand auf, nachdem er seiner Tochter über die Wangen gewischt hatte.

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