3 - Kennenlernen - Teil 2

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In den nächsten drei Wochen sahen oder schrieben sie sich in jeder freien Minute. Sie schlenderten durch die Stadt, gingen auf dem Viktualienmarkt bummeln, spazierten durch die wunderschönen Parks der Stadt oder trafen sich schlicht auf einen Kaffee. Emma zeigte Daniel allerlei Gebärden und Small Talk klappte immer mehr. Auch Emmas Grammatikfähigkeiten in der Lautsprache wurden besser, wie sie scherzend feststellten. Immer weniger Fehler schlichen sich in ihre gesprochenen Worte. Nur falls sie ein Thema intensivierten, waren sie nach wie vor auf Geschreibe angewiesen. Doch beide genossen ihr Zusammensein in vollsten Zügen.

Daniel fühlte sich leichter, wenn er mit ihr durch die Stadt strich. Diese Leichtigkeit äußerte sich, indem er immer öfter lächelte und sie aufzog. Emma war hingerissen von dieser Entwicklung und sie begann zu ahnen, wie er wirklich war. Sie hatte sich ernsthaft verliebt, gestand sie sich nach einer Weile ein. Doch es ihm zu sagen, traute sie sich dann doch nicht. Sie wusste nur, dass sie mit ihm über alles reden konnte. Über Gott und die Welt, und ihnen schienen die Gesprächsthemen nicht auszugehen.

Außerdem fiel Emma auf, dass er sich Mühe gab, umweltbewusster zu handeln. Als sie sich eines Tages in der Stadt getroffen hatten, hatte er sie gebeten, mit ihr zu einem Möbelladen zu fahren. Er wollte eine Lampe für seine Wohnung kaufen. Also fuhren sie zu IKEA und streiften durch die Möbelausstellung. Emma zeigte ihm dabei die Gebärden für die einzelnen Möbelstücke und am Ende kaufte er nicht nur die Lampe, sondern noch Geschirr, Besteck, Gläser und LED-Birnen. Daniel hatte sich entschieden, künftig die zwar etwas teureren, dafür aber stromsparenderen Glühbirnen zu nutzen.

Beim anschließenden Hotdog-Essen lachte sich Emma kaputt, als Daniel einen Klecks Senf im Mundwinkel hatte, es jedoch nicht bemerkte. Sie wusste nicht, wie sie es ihm sagen sollte und fiel in ihre Muttersprache, um es ihm irgendwie zu verdeutlichen. Aber er sah sie so ratlos an, dass sie irgendwann die Hand ausstreckte und den Fleck von seinem Gesicht wischte. Die Atmosphäre hatte sich augenblicklich aufgeladen, doch Daniel hatte nicht reagiert und so war sie ebenfalls nicht weiter darauf eingegangen. Auf dem Heimweg waren sie beide schweigsam gewesen und hatten ihren Gedanken nachgehangen.

Als sie heute wieder einmal in einem Café saßen, fragte Daniel: „Welchen Sport machst du eigentlich? Du hast nur erzählt, dass du sportelst, aber nicht inwiefern."

Sie sah ihn erstaunt an und meinte: „Mal sehen, ob du es erraten kannst..."

Sie streckte die Hände aus und tat so, als hätte sie Zügel in der Hand und er fragte verdutzt: „Reiten?"

„Ja, braucht man keine Stimme für Reiten. Ein Pferd braucht das Gefühl, dass es sich auf einen verlassen kann. Mach mit Körpersprache ich. Fehler. Mach ich mit der Körpersprache. Akustische Signale sind nicht wichtig. Kannst morgen mal mitkommen, wenn du willst", erklärte sie und er nickte, denn das würde er gerne mal sehen.

„Und das machst du zweimal die Woche? Auf einem Pferderücken sitzen? Oder treibst du noch anderen Sport?", fragte er und sie grinste.

„Nochmal raten?", erkundigte sie sich und er gebärdete ein Ja.

Sie gebärdete ihr zweites Hobby und er verstand nur die Hälfte, also bekannte er: „Du tanzt. So viel hab ich verstanden, aber den Rest nicht."

Sie lächelte und erklärte: „Tanzen richtig. Ich tanze Hip Hop. Habe getanzt. Gruppe hat sich aufgelöst. Leider. Vielleicht finde ich Neue. Der Satz war: Habe getanzt Hip Hop."

Er nickte und meinte: „Schade. Das hätte ich auch gerne mal gesehen."

Erneut zeigte sie dieses atemberaubende Lächeln und er merkte wieder, wie seine Hände feucht wurden. Er mochte sie wirklich. Im Grunde dachte er Tag und Nacht an sie. Plötzlich seufzte Emma und er sah sie fragend an.

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