2 - Nachwirkungen - Teil 2

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Unterdessen war Emma in ihr Zimmer zurückgekehrt. Das Abendessen war beträchtlich frostig verlaufen. Ihre Eltern hatten zwar versucht, ein Gespräch zu beginnen, aber sie hatte ihnen nicht geantwortet. Sie hatte keine Lust auf eine neue Diskussion gehabt. Sie nahm ihr Handy und sah, dass es blinkte. Melina vielleicht? Doch die Nachricht war nicht von ihrer besten Freundin. Ihr Herz machte einen Hüpfer. Sie war von Daniel! Sie hatte nie und nimmer damit gerechnet!

Hastig tippte sie eine Antwort: „Es geht. Sie waren nicht einverstanden, dass ich, ohne Bescheid zu geben, Kaffee trinken war. Das Urteil: Zwei Wochen Hausarrest. Hätte schlimmer kommen können. Freut mich, dass du dich meldest. Was machst du am Wochenende? Mach mich neidisch, denn ich werde wohl aus dem Gefängnis ausbrechen müssen."

„Wie ausbrechen? Was hast du vor? Ich arbeite dieses Wochenende. Du machst doch keine Dummheit, oder? Geht mich ja im Grunde nichts an, wir kennen uns ja kaum, aber ich hatte gehofft, dass wir uns wiedersehen können, nachdem du deine Strafe abgesessen hast", kam die prompte Antwort.

Sie lachte auf und schrieb zurück: „Ich breche nicht wirklich aus. Nur online. Ich spiele ‚A way out' am Laptop. Kennst du das?"

„Kenn ich nicht. Vielleicht erzählst du mir bei Gelegenheit davon. Ich bin jetzt leider in der Arbeit angekommen. Ich schreib später wieder. D", erschien auf ihrem Display und sie lächelte.

„Ok. Viel Spaß", erwiderte sie.

Er hoffte auf ein weiteres Treffen? Er hatte ihr beim Abschied schon gesagt, dass er sie interessant fand, aber sie hatte gedacht, das wäre leeres Blabla. Was fand er denn so interessant? Dass sie gehörlos war? Oder sie als Mädchen? Sie runzelte die Stirn. Darüber musste sie nachdenken.

‚Bin ich für ihn eine Kuriosität, weil ich nicht hören kann? Oder findet er mich interessant? Vielleicht auch hübsch?', fragte sie sich nochmal.

Sie betrachtete sich im Schrankspiegel. Sie sah ganz ok aus. Sie war etwa einen halben Kopf kleiner als er und zierlich. Nicht burschikos, aber eher rar besät mit weiblichen Attributen. Ihre Brust und ihr Po waren relativ klein, doch das fand sie ok. Mochten Jungs sowas? Die in ihrer Klasse zumindest nicht, erinnerte sie sich.

Kritisch betrachtete sie ihr Gesicht. Sie hatte reine Haut und grüne Augen. Mit ihrem schlichten flaschengrün nichts Besonderes. Aber ihre Haare mochte sie. In langen, schwarzen Wellen fielen sie ihr über die Schulter, bis zur Taille. Ihre Nase war eine typische Stupsnase und ihr Mund war ansprechend geformt. Sie hatte ein eigensinniges, spitzes Kinn in einem ovalen Gesicht und einen langen Hals. Ob das schön war, wusste sie nicht, aber sie war zufrieden. Sie zuckte mit den Schultern. Sie konnte nicht einschätzen, ob sie Jungs gefiel. Aber für sie war es in Ordnung.

Sie fiel in ihrer Schule nicht wirklich aus dem Rahmen, sie lief einfach mit. Ihre Noten waren gut. Sie war keine Einserschülerin, doch sie lag im oberen Mittelfeld. Wieder zuckte sie mit den Schultern. Was Daniel anging, wusste sie nicht, wo die Reise hinging. Sie fand ihn nett – ok, WIRKLICH NETT. Und seine Augen waren der Hammer. Doch letztlich hatte sie ihn heute erst kennengelernt. Wer wusste schon, was morgen war? Oder nächste Woche? Vielleicht verlor er bald sein Interesse an ihr. Interesse – da war das Wort wieder. Sie seufzte. Sie würde es herausfinden. Zwangsläufig. Sie setzte sich an ihren Computer und startete das Multiplayerspiel.

****

Daniel sah auf die Uhr. Noch eine Stunde. Dann hatte er endlich Feierabend. Er mochte den Sommer, die Leute waren entspannter, tranken mehr und gaben auch mehr Trinkgeld. Sein Sparschwein freute sich darüber. Doch es war ein anstrengender Job. Viel zu laufen, viel zu stemmen und kaum Verschnaufpausen. Das Ganze für Mindestlohn. Er zuckte mit den Schultern, um den Gedanken abzutun. Er brauchte das Geld und immer, wenn er arbeitete, bekam er ein warmes Essen auf Kosten des Hauses. Auch das spürte er im Geldbeutel. Vor allem war es mit seinen Kochkünsten nicht allzu weit her. Irgendwann würde er sich ein paar Rezepte aneignen, doch im Moment war er mit Schule und Job ausgelastet.

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