5 - Geständnisse - Teil 2

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Daniels Schultern sackten nach vorne und er sah sie verletzt an, ehe er gebärdete: „Ich hatte das Gefühl, das stört dich nicht."

Emma zog ihr Handy aus ihrer Tasche und tippte: „Tut es nicht. Meine Eltern schon. Als ich ihnen erzählte, dass ich einen Jungen kennengelernt habe, war ihre erste Frage, ob sie ihn kennen. Denn genauso ticken meine Eltern. Ihr Leben spielt sich in ihrer Freizeit nur in der Gemeinschaft der Gehörlosen ab. Sie wollen es so. Ich nicht. Aber sie. Sie wissen nicht, dass du hören kannst. Sie wissen nur, dass ich verliebt bin, ok? Sie wussten bis eben auch nicht, woher du kommst, nur dass ich mit der Bahn fahren muss, um dich zu sehen. Sie flippen sicherlich zurzeit voll aus. Denn für sie ist Hasenbergl der Ort, in den man Assis steckt. Aber das ist ihre Meinung. Nicht meine. Aber du musst trotzdem gehen. Sie werden durchdrehen, wenn sie erfassen, dass du nicht nur vom Hasenbergl bist, sondern zudem hörend. Bitte."

Sie gab ihm das Handy und schritt unruhig vor ihm auf und ab, während er den Text las. Daniel schluckte. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er war geschockt. Er hatte gedacht, sie wäre offener mit ihrer Beziehung umgegangen, doch da hatte er auch nicht geahnt, dass sie sich schon innerhalb ihrer Familie mit so vielen Vorurteilen befassen musste. Sie war vor ihm stehengeblieben und sah ihn wieder bittend an. Er wusste, sie wollte, dass er ging. Doch er sah, dass hinter ihr gerade ein Drogendeal abgewickelt wurde. Er wusste, Hasenbergl war nicht mehr so schlimm wie noch vor zehn Jahren, aber es kam durchaus noch zu kriminellen Handlungen.

„Ich kann dich hier nicht alleine lassen. Es ist zu gefährlich. Tut mir leid", gebärdete er und Emma nickte resignierend.

Er reichte ihr das Telefon und sah zu, wie sie es in ihre Tasche schob. Sie bemühte sich sichtlich, Ruhe zu bewahren, und er sah sie lange an.

Als sich ihre Blicke kreuzten, fragte er: „Willst du das wirklich? Deine Eltern verärgern, wegen eines Typen wie mir?"

„Ich bin hier, oder? Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Bei dir habe ich das Gefühl, mich nicht für meine Träume schämen zu müssen", gebärdete sie und legte den Kopf an seine Schulter.

Er wollte ihr sagen, dass er das verstand, denn ihm ging es genauso. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als ein Auto mit quietschenden Reifen vor ihnen hielt.

Sie fuhren erschrocken auseinander und Emma holte tief Luft und atmete zittrig aus, ehe sie sagte: „Egal, was jetzt kommt. Es tut mir leid."

Bevor er etwas erwidern konnte, wandte sie sich dem Auto zu. Daniel merkte, wie angespannt Emma plötzlich war und fragte sich, was nur vor sich ging. So schlimm könnte es schon nicht werden, oder?

Ihr Vater war mittlerweile ausgestiegen und hatte zornig die Hände in die Hüften gestemmt und Emma gebärdete: „Hallo Papa, es tut mir leid, ich bin eingeschlafen. Das ist Daniel, mein Freund. Er wollte mich hier nicht alleine stehen lassen, aber er geht jetzt."

Sie wollte sich auf den Weg zum Wagen machen, erstarrte aber mitten in der Bewegung, als ihr Vater auf Daniel zutrat. Der streckte ihrem Elternteil die Hand hin, doch ihr Vater ignorierte diese Geste.

Stattdessen gebärdete er: „Findest du es richtig, meine Tochter in ein Viertel wie dieses einzuladen, wo sie permanent in Gefahr ist? Das ist mehr als verantwortungslos. Ich will dir zugutehalten, dass du jung bist und nicht an mögliche Konsequenzen gedacht hast, aber ich will nicht, dass sie nochmals hierher kommt. Verstanden?"

Emma sah Daniel an, dass er nicht alles erfasst hatte, was ihr Vater ihm an den Kopf geworfen hatte. Denn er kannte bisher nur ihre Art zu gebärden. Ihr Vater führte die Bewegungen ein bisschen anders aus. Vor allem jetzt, da er sauer war. Ratlos und hilfesuchend sah er sie an. Während ihr Vater ihn misstrauisch anschaute, trat sie zu ihrem Elternteil und berührte ihn am Arm.

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