4 - Klarheiten - Teil 3

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Er war aufgeregt. Noch nie hatte er jemanden in seine Wohnung mitgenommen. Sie hatten vereinbart, dass er sie am Bahnhof abholte. Er sah sich am Gleis um. Jeden Moment musste die U-Bahn eintreffen. Er hatte die Hände tief in seine Hosentaschen vergraben.

Gestern hatte er nochmal ordentlich aufgeräumt und dabei festgestellt, dass er in den Waschsalon musste. Hoffentlich lief sie nicht wieder rückwärts aus der Wohnung. Sie war einfach nichts Besonderes. Seine Gedanken wirbelten. Ob sie sich wohlfühlen würde? Bei Gott, er benahm sich wirklich melodramatisch. Er schüttelte den Kopf über sich. Endlich fuhr die Bahn ein. Zeit, runterzukommen, ermahnte er sich und sah Emma lächelnd auf sich zukommen. Er zog sie in seine Arme und küsste sie, ehe er sie erstaunt ansah. Sie trug einen vollgepackten Rucksack auf dem Rücken.

„Was hast du alles dabei? Ziehst du ein?", zog er sie auf und nahm ihr das Ding ab.

„Nein, wollte ich vorerst einziehen nicht. Aber nasche ich gern beim DVD gucken. Fehler und Fehler. Ich wusste nicht, was du zum Knabbern hast oder magst, deswegen hab ich ein bisschen was mitgebracht", stellte sie grinsend fest.

„Nach ein bisschen sieht das nicht aus", gebärdete er und sie zuckte lächelnd mit den Schultern.

„Wollen wir?", fragte sie und sah sich neugierig um.

„Du darfst nicht zu viel erwarten", erklärte er unsicher.

„Ich erwarte Marmorböden und goldene Wasserhähne. Außerdem Echtholzparkett und Designermöbel. Hör auf, dich kleinzureden, Daniel. Du tust, als hättest du Ratten und eine Kakerlake namens Charlie als Haustier. Du hast bestimmt einen Tisch, zwei oder vier Stühle, ein Bett oder ein Sofa, eine kleine Kochnische und ein Bad, also alles, was man braucht", schimpfte sie ihn, indem sie in ihr Handy tippte.

„Ein bisschen mehr hab ich schon", gab er grinsend gebärdend zu.

„Na also. Kein Drama. Mach dir nicht zu viele Gedanken und zeig mir einfach, wie du wohnst", erklärte sie, ebenfalls in DGS.

Er nickte und nahm ihre Hand in seine. Während sie durch die Siedlung gingen, stellte sie ihm hin und wieder eine Frage und er antwortete ihr in DGS, so gut er konnte. Im Mehrparteienhaus angekommen, bestiegen sie den Aufzug und er drückte den Knopf für den vierten Stock. Dort angelangt, schlug ihnen ein fremdartiger Geruch entgegen.

„Hat wohl jemand was aus seiner Heimat gekocht", stellte er fest und zuckte mit den Schultern und beobachtete, wie Emma lächelnd nickte und sich im Flur umsah.

Er folgte ihrem Blick und versuchte, bewusst aufzunehmen, was sie sah. Im Abstand von etwa sechs Metern eine Tür nach der nächsten. Sehr einladend, dachte er ironisch. Aber so war es einfach.

„Ist es laut hier? So viele Türen in einem Stockwerk hab ich bisher nur in Krankenhäusern gesehen", erkundigte sie sich.

„Manchmal, aber man gewöhnt sich daran", erklärte er und machte vor einer der Türen halt.

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„Schmidt", las sie und lächelte, als er den Schlüssel aus seiner Tasche kramte.

Nachdem er aufgesperrt hatte, öffnete er die Tür und ließ ihr den Vortritt. Neugierig sah sie sich um. Direkt hinter dem Eingang war ein Einbauschrank und ihm gegenüber eine Tür, die, wie sie richtig vermutete, in ein kleines Bad mit Dusche führte. Geradeaus war der Zugang zum Wohnbereich. Sie trat hindurch und sah zuerst das Bett, das vor der Fensterfront stand. Dem gegenüberliegend war ein Sideboard, auf dem ein Fernseher seinen Platz hatte, daneben befand sich ein abgedecktes Klavier. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse und entdeckte die winzige Küche mit zwei Kochplatten, Backofen, Spüle und Kühlschrank. An der Wand stand ein Tisch mit zwei Stühlen. Es war so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Zweckmäßig, ohne viel Schnickschnack, aber sauber. Alles schien seinen Platz zu haben. Doch am meisten gefiel ihr der Blick aus dem Fenster. Da er einen Balkon hatte, fragte sie ihn, ob sie hinaus dürfe und er nickte.

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