1- Rettung - Teil 2

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Er hatte noch nie mit einem tauben Menschen Kontakt gehabt. Sagte man taub oder gehörlos? Was war da politisch korrekt? Er hatte keine Ahnung. Ob er sie fragen sollte? Oder würde er sie damit beleidigen? Heiliger Bimbam. Jetzt hob sie den Blick und schaute ihn verunsichert an. Er sollte etwas sagen, oder? Aber was? Er wollte sie näher kennenlernen, stellte er fest und räusperte sich, weil er das Gefühl hatte, einen Frosch im Hals zu haben.

„Äh, hast du Lust, also, hm, äh, würdest du mit mir was trinken gehen? Einen Kaffee? Also nur, äh, wenn du keinen Freund hast, oder so. Nicht, äh, dass du, äh, Probleme bekommst, oder so. Ja, äh, nur wenn du Lust hast. Ich würde mich gerne weiter mit dir unterhalten. Na ja", stammelte er und er sah, wie sie versuchte, aus seinem Gestammel schlau zu werden.

Plötzlich lächelte sie und er dachte, wie krass ihre Augen jetzt leuchteten. Sein Herz machte einen Hopser. Huch. Ok. Auch das war ihm noch nie passiert. Also so schnell. Er war natürlich schon mal verliebt gewesen, dachte er und schob schnell den Gedanken an seine Ex beiseite. Aber er war ja nicht in Emma verliebt. Wie auch? Er hatte sie doch gerade erst kennengelernt. Aber sie interessierte ihn, gab er sich selbst gegenüber zu und kratzte sich wieder verlegen am Kopf.

„Nein. Ich habe keinen Freund. Und Kaffee wäre schön. Zeit hab ich auch. Wenn magst du? Wieder falsch. Wenn du magst", stellte sie fest und er sah, wie ein schüchternes Lächeln um ihre Lippen zuckte.

Das seinen Herzschlag beschleunigte. Sowas. Er konnte sie eine Sekunde nur anstarren, ehe er schluckte und sich räusperte. Unterdessen sah sie ihn fragend an und er merkte, wie sie nervös wurde und die Stirn runzelte.

Er tippte sie an, als sie den Blick Richtung Boden senkte und meinte: „Dann sollten wir los, oder? Ich bin hier in der Nähe zwar noch nie einen Kaffee trinken gegangen, aber irgendwo werden wir welchen bekommen. Oder kennst du ein Café?"

Sie lächelte wieder dieses süße Lächeln und schüttelte den Kopf, ehe sie sagte: „Nein. Geh ich nicht Kaffee trinken sonst mit Jungs. Falsch. Aber hab laut gesagt ich, oder? Oh Gott. Peinlich."

Er sah, wie sie wieder feuerrot anlief und lächelte. Sie war genauso nervös wie er, das beruhigte ihn irgendwie. Er zuckte mit den Schultern, um ihr zu zeigen, dass das in Ordnung war und sie starrte ihn an, ehe sie den Kopf abwandte und nickte. Da er nicht wusste, wie er ihr zeigen sollte, dass er gehen wollte, griff er nach ihrer Hand und wollte sie zum Ausgang des Bahnhofes führen. Doch er ließ ihre Hand sofort wieder los, als sie ihn mit großen Augen erschrocken ansah.

„Äh, ich wollte nur, also, wir können dann los oder? Kommst du mit?", fragte er hastig und sie nickte schüchtern und folgte ihm sofort, als er sich in Bewegung setzte.

***

Emmas Herz raste. Er hatte sie tatsächlich gefragt, ob sie einen Kaffee trinken gingen. Er schien aufrichtig interessiert zu sein. War er fasziniert von ihr, Emma, oder war sie sowas wie ein Kuriosum für ihn? Langsam. Sie preschte zu schnell vor. Aber es war aufregend. Noch nie hatte ein Junge sie gefragt, ob sie mit ihm einen Kaffee trinken ging. Und schon gar nicht ein Junge, der ihr gefiel. Die Hand, nach der er gegriffen hatte, prickelte jetzt leicht. Das bildete sie sich ein, oder? Schweigend lief sie neben ihm her und bemerkte, wie er ihr immer wieder faszinierte Seitenblicke zuwarf. Doch er sagte nichts. Womöglich wusste er, dass sie Schwierigkeiten haben würde, einem Gespräch zu folgen und gleichzeitig auf die Umgebung zu achten? Überhaupt schien er sehr verständnisvoll zu sein. Als sie sich verraten hatte, hatte er schließlich nur nett gelächelt und mit den Schultern gezuckt. Wobei sie jetzt nicht wusste, worauf sich das bezogen hatte.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als er sie plötzlich antippte und in Richtung eines kleinen Cafés zeigte und sie fragend ansah. Sie nickte und er lächelte. Wow, wenn er grinste, strahlten seine Augen noch mehr, fiel ihr aufs Neue auf und merkte, wie sie instinktiv die Luft anhielt. Wieder griff er automatisch nach ihrer Hand und zog sie erneut verunsichert zurück. Er wusste offenbar nicht, wie er ihr sagen sollte, dass sie ihm folgen solle, erkannte sie und lächelte.

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