5 - Geständnisse - Teil 3

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Als sie auf der Straße stand, überlegte sie, ob sie wirklich zu Melina sollte. Sie wusste, ihre Freundin hätte jederzeit ein offenes Ohr für sie, aber sie wollte sich nicht mehr erklären. Sie fühlte sich leer. Stattdessen ging sie Richtung Bahnhof und war erleichtert, als sie das Taxi sah.

Sie stieg ein und nannte dem Fahrer die Adresse, zu der sie wollte. Dieser nickte und fädelte in den Verkehr ein. Sie lehnte sich in den Ledersitz des Autos und schloss die Augen. Als der Wagen hielt, sah sie sich um. Sie standen vor dem Wohnhaus. Sie bezahlte den Taxifahrer und stieg mit Sack und Pack aus.

„Sag, dass du zu Hause bist", bat sie per SMS.

Während sie auf die Antwort wartete, erklomm sie die Treppe und atmete erleichtert auf, als sie las: „Ich war gerade duschen, also ja, ich bin zu Hause."

„Darf ich zu dir?", fragte sie schlicht, als sie das Treppenhaus verließ.

„Was ist passiert?", kam die prompte Antwort.

„Erklär ich dir. Später. Darf ich?", wiederholte Emma, als sie vor seiner Tür stand.

„Wo bist du? Ich hol dich ab. Lauf bloß nicht um diese Zeit durchs Viertel, ok?", schrieb Daniel zurück und sie hatte das Gefühl, als würden ihr vor Dankbarkeit gleich die Füße unter ihr wegknicken.

„Keine Angst, ich hab ein Taxi genommen", schrieb sie.

****

Er las die letzte Nachricht und als er ihr gerade antworten wollte, klopfte es sachte an der Tür. War das etwa schon Emma? Sofort sprang er auf und hechtete zur Tür. Er riss sie auf und Emma hüpfte erschrocken einen Schritt zurück.

Er starrte sie an. Sie war schwer bepackt und wirkte gefasst, wenn auch befangen. Daniel beeilte sich, ihr die Taschen abzunehmen und sie einzulassen. Als sie an ihm vorbeiging, erhaschte er einen Blick auf das Hämatom, das sich bläulich von ihrem Gesicht abhob. Was zum Teufel?

Er folgte ihr ins Innere, wo sie sich umsah. Er hatte die Spuren ihres Nachmittags beseitigt, fiel ihr auf und drehte sich zu ihm.

„Was ist passiert?", fragte er und Emma zuckte scheinbar teilnahmslos mit den Schultern.

„Bin gegangen ich ", stellte sie fest und suchte offenbar in seinem Gesicht nach einer Antwort.

Doch die konnte er ihr gerade nicht geben. Wie hatte der Tag so enden können?

Da er sie nur erstaunt ansah, fügte sie an: „Entschuldige, wenn überfalle ich dich. Ich wusste nicht, wohin ich sollte. Ich hätte auch bei Melina unterkommen können, aber ich habe im Moment die Nase voll von meinesgleichen."

„Ich bin verwirrt. Komm erst mal richtig rein. Willst du was trinken?", erkundigte sich Daniel und sah sie nochmals forschend an.

Er sah, dass sie versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, doch sie war nicht geübt darin. Er konnte trotzdem erahnen, was in ihr vorging, egal, wie gleichgültig sie tat. Sie sah die Flasche Bier auf dem Tisch stehen und nickte.

„Hast du noch so eins?", fragte sie und deutete darauf.

Wortlos ging er zum Kühlschrank und reichte ihr die Flasche, nachdem er sie geöffnet hatte, und sie nahm diese entgegen und sagte: „Darf ich raus?"

Daniel nickte und versuchte, zu ergründen, was vorgegangen war. Er hatte sie noch nie so verstört gesehen, und wenn sie auch äußerlich ruhig wirkte, fühlte er, was in ihr vorging. Sie war auf den Balkon getreten und er folgte ihr langsam. Irgendwie wäre es ihm lieber, falls sie toben oder weinen würde, als diese Maskerade, dann wüsste er wenigstens, wie er zu reagieren hatte. Aber sie starrte nur still auf das im Halbdunkel liegende Viertel hinab. Er stellte sich neben sie und wartete, dass sie ihn ansah.

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