6 - Erklärungen - Teil 2

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Sie schlug die Lider auf und versuchte, sich zu orientieren. Das war definitiv nicht ihr Zimmer. Ach ja, sie war bei Daniel! So nach und nach fiel ihr alles wieder ein. Sie versuchte, die Gefühle wegzupacken, die sie überfielen. Es nutzte nichts, wenn sie erneut losheulte. Heulen half ihr am allerwenigsten weiter. Sie würde sich heute um einen Termin für eine Beratung kümmern und alles andere auf sich zukommen lassen.

Daniel schlief offenbar tief und fest. Sie spürte es an seinen Atemzügen, die sie am Ohr kitzelten, da er den Kopf an den ihren geschmiegt hatte. Sie stöhnte. Sie hatte sich gestern Abend noch ordentlich mit ihrem Geständnis blamiert, doch Daniel hatte es wie ein Gentleman genommen und ihr sogar über ihre Verlegenheit hinweggeholfen. Sie konnte kaum glauben, dass er so einfühlsam war. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, dass sie alles mit ihm besprechen konnte. Wirklich alles. Das kannte sie so nicht.

Sie hatte mit Melina schon über Sex gesprochen, die da etwas Erfahrung hatte. Doch die war auch schon lange mit Ben zusammen. Und ihre Eltern hatten sie aufgeklärt, aber das hatte sie eher als peinlich empfunden. Auch der Unterricht in der Schule hatte sie nicht wirklich auf die Gefühlsflut vorbereitet, die sie zu überrollen schien. Sie war froh, dass Daniel sie verstand.

Vielleicht hatte Melina Recht, indem sie behauptete, sie würde zu viel über ihre Gefühle nachdenken und sich dadurch selbst wirr machen. Aber bisher war es immer besser gewesen, alles nochmal zu überdenken. Sie und Daniel waren ja noch nicht lange zusammen. Sie genoss es total, ihn zu küssen und in seinem Arm zu liegen, doch der Gedanke, sich ihm nackt zu zeigen, überforderte sie.

‚Apropos nackt!', dachte sie gerade und kniff die Augen zusammen.

Sie wünschte, sie hätte den BH doch ausgezogen. Er zwickte mittlerweile dermaßen unangenehm, dass sie Mühe hatte, stillzuhalten und nicht Gefahr zu laufen, dass sie Daniel weckte. Aber jetzt meldete sich zu allem Überfluss noch ein anderes Bedürfnis. Sie überlegte, wie sie es anstellen sollte, unter seinem Arm durchzukriechen, ohne ihn zu wecken, doch er hielt sie wie ein Schraubstock. Mist!

‚Ich hätte das blöde Bier nicht trinken sollen!', schalt sie sich.

Es hatte ihr sowieso nicht geschmeckt, weil sie nicht auf Alkohol stand. Sie hatte nur gehofft, dass es ihre Gefühle betäuben würde. Ein Irrtum, denn kurz danach hatten sich ihre Emotionen ja in einem Heulkrampf entladen. Sie seufzte. Es half nichts. Wenn kein Unglück geschehen sollte, musste sie zusehen, dass sie aus dem Bett kam. Sie stemmte sich so vorsichtig wie möglich gegen Daniels Arm und spürte, wie sich seine Atemfrequenz änderte. Fix schob sie den Arm von sich und lief ins Badezimmer.

Als sie wieder in seinen Wohnraum trat, bemerkte sie, dass sie ihn offenbar doch aus dem Schlaf gerissen hatte, erstarrte mitten in der Bewegung und gebärdete: „Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich konnte nicht unter deinem Arm wegkriechen..."

Er winkte ab und klopfte einladend neben sich. Sie gesellte sich zu ihm und da er sich auf den Rücken gedreht hatte, legte Emma den Kopf auf seine Brust und spürte den beruhigenden Rhythmus seines Herzens an ihrer Wange. Daniel hatte die Augen wieder geschlossen und sie betrachtete sein Gesicht. Er sah unsagbar müde aus. Und irgendwie total süß verknautscht. Hatte er schlecht geschlafen? Wegen ihr? Oder schlief er generell schlecht?

Boah, war ihr warm! Jetzt erst bemerkte sie, welche Wärme Daniel abstrahlte. Außerdem kniff ihr BH immer noch. Sie hätte ihn doch vorher ausziehen können! Warum hatte sie das nicht gemacht? Aus den gleichen Gründen wie gestern Abend, gestand sie sich ein. Sie hatte Angst, dass er zu viel sah. Aber sie erkannte auch, wie bescheuert das war. Weggucken konnte er ihr ja nichts. Und er schien definitiv schon mal einen Busen gesehen zu haben.

Sie versuchte, wieder einzuschlafen. Zwang sich, die Augen zu schließen und an etwas Entspannendes zu denken, doch es gelang ihr nicht. Ihr war zu warm und ihr Kopf hielt einfach nicht die Klappe. Seit wann beschäftigte sie sich so sehr mit Brüsten? Es sollte ihr egal sein. War es aber nicht. Es war so verwirrend. Diese Probleme schien Daniel nicht zu haben, denn er lag friedlich neben ihr und schlief scheinbar tief und fest. Emma gab auf. Sie stand so behutsam wie möglich auf und schnappte sich ihren Rucksack. Sie würde einfach leise auf den Balkon gehen und ein wenig Musik hören, entschloss sie.

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