8 - Schrecken - Teil 1

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Ich komm hier nie wieder raus. Nie wieder. Wieso bist du blöde Kuh nur in den Fahrstuhl gestiegen. Wiederholt kreiste der Gedanke in ihrem Kopf. Sie weinte panisch und fühlte sich so hilflos wie noch nie. Immer wieder klopfte sie gegen die Türen, außer sich vor Angst. Doch es kam keiner. Nur ihre Fingerknöchel platzten auf.

Sie konnte schwören, dass die Luft weniger wurde. Ihr war heiß, ihr war kalt, sie würde hier drin ersticken. Erneut trommelte sie wie von Sinnen mit den Fäusten gegen die Türen, aber sie bewegten sich nicht. Sie versuchte, ihre Finger in den Türspalt zu quetschen, doch keine Chance. Sie wollte nur hier raus. Wieso kam keiner, um ihr zu helfen? Sie konnte nicht mehr. Sie ließ sich an der Wand entlang zum Boden gleiten, schlang die Arme um ihre Knie und wippte vor und zurück, während sie weinte wie ein kleines Kind.

****

Endlich war er im Haus angekommen. Er war völlig außer Atem. Er sah die Menschentraube, die sich vor dem Lift versammelt hatte. Er drängte sich durch und drückte auf den Knopf, in der Hoffnung, der Aufzug würde wieder anspringen, doch nichts tat sich.

„Der is' kaputt. Da muss jemand drin sein. Man hört immer wieder Klopfen, aber jetz' is' still", klärte ihn sein Nebenmann auf.

„Ich weiß. Ist meine Freundin", antwortete er knapp.

Er lief die Treppe nach oben, um zu sehen, wo der Aufzug steckte, während er tippte: „Emma, ich bin da. Klopf für mich, damit ich weiß, wo du bist."

Nicht gelesen. Keine Antwort. Die vorige Nachricht auch nicht. Scheiße verdammt! Was war da los?

„Emma! Klopf!", probierte er es nochmal.

Wieso wurden diese blöden Nachrichten nicht übertragen? War etwa ihr Akku leer? Hatte sie ihm nicht erzählt, sie müsse darauf achten, dass ihr Handy immer voll war, für den Fall, dass sie in Not geriet? Sie hämmerte wie eine Wilde auf die Tür ein. Er sah auf die Uhr. Sie steckte da jetzt mindestens 40 Minuten.

Er rief noch einmal bei der Wartung an und erkundigte sich, wo der Techniker blieb. Der Mann am Telefon erklärte ihm, dass dieser im Stau steckte. Er musste sich bemühen, um den Herrn am anderen Ende der Leitung zu verstehen, denn Emma schlug immer wieder wie irre gegen die Tür. Er vereinbarte mit dem Notdienst, dass der Mitarbeiter storniert und stattdessen die Feuerwehr gerufen wurde. Denn, dass seine Freundin völlig panisch war, war offensichtlich. Sogar dem Herrn der Wartungsfirma, der anscheinend ebenfalls den Lärm vernahm, den Emma veranstaltete.

Wenige Minuten später traf diese ein, im Schlepptau einen Rettungswagen, da er keine Auskunft darüber hatte geben können, in welchem Zustand sich seine Liebste befand. Sie fragten ihn über den Stand der Dinge aus und er erzählte ihnen alles, was er wusste. Er erklärte den Einsatzkräften, dass sie womöglich hinter der Tür hockte.

Als ein Feuerwehrmann sich zur Tür drehte und Emma anwies, sie solle vom Eingang wegtreten, fuhr er ihn an: „Sie ist taub! Denken Sie wirklich, sie hört Sie? Seien Sie einfach vorsichtig, ok?"

„Es gibt nur ein Problem: Wenn wir die Türen öffnen, entsteht ein Spalt zwischen Kabine und Schacht. Meinen Sie Ihre Freundin wird warten, bis wir sie bergen?", erklärte der Kommandant.

„Ich befürchte, nein. Sie ist außer sich vor Angst", stellte er fest und wie aufs Stichwort begann Emma wieder gegen die Tür zu schlagen.

Vor seinem inneren Auge ploppten Erinnerungen auf, wie viel Angst er damals vor den Fremden gehabt hatte, als sie ihn aus dem Fahrzeugwrack geborgen hatten. Jetzt beschleunigte sich sein Puls noch mehr.

Er wandte sich dem Kommandanten zu und meinte: „Können Sie die Tür zuerst nur so weit öffnen, dass ich sie beruhigen und ihr sagen kann, dass sie an die hintere Wand treten soll?"

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