8 - Schrecken - Teil 3

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Gemeinsam betraten sie die Klinik und der Herr an der Rezeption wies ihnen den Weg in die HNO-Abteilung. Er hatte das Gefühl, als würde seine Freundin jeden Moment durchdrehen. Er nahm ihre Hand in seine und versuchte, ihr damit zu zeigen, dass er da war. Offenkundig verstand sie ihn, denn sie lächelte ihn kurz an, während sie die Anmeldung der HNO suchten. Als sie diese gefunden hatten, betraten sie den Raum und gingen kurz darauf ins Wartezimmer, wo Emma finster vor sich hinblickte.

Er tippte sie an und fragte: „Was ist los?"

„Weißt du, wir sind hier in einer Abteilung, wo sämtliche Spektren von Hörleiden behandelt werden, doch kein einziger spricht unsere Sprache. Nicht nur wir Gehörlosen sprechen DGS, sondern auch Schwersthörige. Aber auch hier ist von Barrierefreiheit nicht viel zu merken und das ist im Grunde genommen eine Sauerei. Es gibt Gebärdensprachendolmetscher. Doch die sind rar gesät. Den Beruf gibt es noch nicht lange und so ist es schwer und Glück, einen zu finden. Dass die Klinik keinen einzigen Mitarbeiter hat, der DGS spricht, ist traurig", erklärte sie und er nickte.

„Du hast Recht. Sie sollten zumindest selbst dafür sorgen, dass ihr euch mitteilen könnt und diese Aufgabe nicht auf euch abwälzen", gab er zu.

„Ich verlange das ja nicht bei normalen Ärzten, oder Behörden oder so, aber in Kompetenzzentren, in denen es das täglich Brot ist mit unsereins zu kommunizieren, wäre es angebracht", fügte Emma an.

Wieder nickte er und fragte: „Wie machst du das, wenn du kurzfristig zum Arzt musst?"

„Ich nehme Stift und Block mit, weil die Worte oft zu kompliziert sind, als dass ich sie beim Lippenlesen verstehen würde", erwiderte Emma und er wurde einer Antwort enthoben, da sie aufgerufen wurden.

Sie wurden von Professor Dr. Wagner in Empfang genommen und nachdem dieser sich vorgestellt hatte, nahmen sie Platz. Der Arzt fragte Emma nach dem Grund ihres Kommens und Julia übersetzte simultan. Während sie ihr Anliegen gebärdete, erklärte sie dem Arzt, was sie wollte.

„Ich weiß, normalerweise werden solche Eingriffe bei Kleinkindern oder Spätertaubten durchgeführt, deren Lautsprachentwicklung entweder noch nicht begonnen hat, oder schon abgeschlossen ist. Aber ich wollte mich erkundigen, ob auch bei mir ein CI möglich ist. Ich würde gerne hören können", erklärte Emma ihr Anliegen.

„Wie Sie richtig erörtert haben, Frau Starck, ist das Verfahren eher nicht für Ihre Personengruppe geeignet, da die Gefahr besteht, dass der Hörnerv durch das, sagen wir, fehlende Training in Mitleidenschaft gezogen wurde. In einem solchen Fall wäre ein Cochlea-Implantat keine Option. Es gäbe zwar noch die Möglichkeit eines ABIs, aber für gewöhnlich rate ich davon ab. Ein ABI ist eine Hirnstammoperation, bei der ein Implantat eingesetzt wird, das die Funktionen des Hörnervs überbrücken soll. Doch es ist noch nicht so erprobt. Zudem wurde bis dato nur erreicht, dass Umweltgeräusche zwar wahrgenommen werden können, die Sprachwahrnehmung ohne simultanes Lippenlesen jedoch kaum. Das rechtfertigt in meinen Augen nicht die wirklich schwerwiegende Operation im Hirnstamm, der neben den Sinnesorganen auch lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Blutdruck und Reflexe regelt."

Er zog automatisch die Augenbrauen hoch und hörte: „Auch ein CI ist eine Operation am Kopf, allerdings wird dabei im Ohr gearbeitet, nicht am Gehirn. Außerdem ist bei einem CI das Hörerlebnis schon öfter belegt. Kleinstkinder, die ein CI bekommen, lernen fast normal die Lautsprache. Bei Ihnen jedoch kann man die Erfolgschancen leider nur schwer evaluieren, da Sie - entschuldigen Sie – zu alt sind, um den Erfolg abzuschätzen. Es könnte sein, dass wir implantieren, und sie hören Umweltgeräusche, doch die Sprache ist verwaschen und es kommt nicht zum gewünschten Ergebnis. Darüber sollten Sie sich Gedanken machen."

„Ich möchte es versuchen, wenn es anatomisch noch möglich ist", erwiderte Emma entschlossen.

„Sie sind sich also sicher. Ich möchte es Ihnen keineswegs ausreden, ich möchte nur, dass Sie sich ein klares Bild der Situation machen können. In Ihrem Fall wird es auch nicht leicht werden, hören zu lernen ", fügte der Arzt hinzu.

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