Die or live on

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Yurikos Frustration wegen des heutigen Ninja-Unterrichts bekam die Haustüre mit geballter Ladung zu spüren. Sie riss am Türknauf, seufzte laut auf und schmiss sie hinter sich ins Schloss. Entnervt entledigte sie sich ihrer Sandalen und feuerte diese in die Ecke, ehe sie barfuß über den holzigen Boden stapfte.

"Da hat aber jemand schlechte Laune", drang es aus der Küche zu Yuriko. Ihre Mutter hatte sich etwas nach hinten gelehnt und streckte den Kopf zum Türrahmen hinaus, um ihre mehr als aufgebrauchte Tochter zu beäugen. Die Schürze um die Taille gebunden, stand sie an der Küchentheke und kochte. Der himmlische Duft hatte sich bereits im ganzen Haus verteilt, doch auch dies konnte Yurikos Laune nicht heben. Und das, obwohl das Essen ihrer Mutter für gewöhnlich die Lösung für alles gewesen war. Bis jetzt zumindest. „Willst du mir nicht sagen, was dich so aufgebracht hat, Schätzchen?", wollte Yakumo wissen.
"Nein!", gab ihre Tochter schmollend zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Dass ihre Mutter nicht darauf bestand den Grund für ihr Verhalten zu erfahren, verwirrte Yuriko im ersten Moment. Aber sie wollte sich auch nicht beschweren, denn über den heutigen Vorfall zu reden, war das Letzte, was sie in diesem Augenblick wollte. Stattdessen nahm das kleine Mädchen auf einem Stuhl am Esstisch Platz und wartete.
Während der nächsten halben Stunde redeten Mutter und Tochter kein Wort miteinander. Yakumo kochte seelenruhig an ihrem Curry weiter, während Yuriko aus Langeweile begonnen hatte, eine der Servietten auf dem Tisch zu falten.
"Ich bin zu Hause", rief Takashi den beiden aus dem Flur zu, "das riecht ja bereits köstlich." Er begrüßte Yakumo liebevoll, bevor er seiner Tochter einen Kuss auf den Scheitel drückte und sich zu ihr gesellte.
"Wie war die Schule?", durchbrach ihr Vater die Stille.
„Die Frage solltest du lieber nicht stellen", wies Yakumo ihren Mann auf die schlechte Laune ihrer Tochter hin, als sie den Topf auf dem Tisch abstellte. Dieser schien erst nicht zu verstehen, was vor sich ging und warf seiner Frau einen fragenden Blick zu.
„Mir will sie auch nichts sagen", klärte sie ihn kurzerhand auf. Dabei nahm sie keine Rücksicht darauf, dass Yuriko sie durchaus hören konnte. Unbeirrt deckte sie den Tisch weiter ein, platzierte die Schüsseln, sowie die Stäbchen und setzte sich anschließend.
Alle drei falteten sie die Hände, dankten für das warme Essen und begannen das herrlich duftende Curry zu verspeisen. Eine Unterhaltung fand nur zwischen Takashi und Yakumo statt, dieser hatte ihren Wink vorhin trotz anfänglicher Verwirrtheit doch noch verstanden. Mit Absicht schlossen sie ihre Tochter nicht mit ein, fragten nicht mehr nach ihrem Befinden und warteten, bis die Maßnahme ihre gewünschte Wirkung zeigte.
"Ich habe das neue Jutsu nicht hinbekommen, okay!", rief Yuriko laut auf. Dabei prallten ihre Handflächen auf den hölzernen Tisch. "Egal, wie oft ich es versucht habe, es hat einfach nicht geklappt. Ich werde also kein Ninja werden!"
"Hab ich das etwa richtig verstanden? Du willst aufgeben?", fragte Takashi, ehe er sich seiner Frau zuwandte, "hast du das gehört, Liebling? Sie will aufgeben."
Yurikos Wut wuchs wie ein Magengeschwür in ihrer Bauchmitte, wurde immer größer und größer, ehe sie in Form von Tränen ausbrach. "Ich bin einfach nicht gut genug!"
Yakumo schob den Stuhl etwas zurück, breitete die Arme einladend aus und sah ihrer Tochter in die verweinten Äuglein. "Komm schon her."
Eine weitere Aufforderung war nicht nötig, sofort sprang Yuriko auf und warf sich in die Umarmung ihrer Mutter. Diese streichelte beruhigend ihren Hinterkopf, um dem heftigen Schluchzen ihres kleinen Mädchens entgegenzuwirken.
Takashi hatte sich ebenfalls erhoben, eine Hand auf der Schulter seiner Frau abgelegt, während die andere Yurikos Kinn zu fassen bekam. Er zwang sie ihn anzuschauen, wischte mit dem Daumen eine Träne von ihrer weichen Wange und lächelte sie an.
"Das Wort "aufgeben" existiert in unserem Vokabular nicht. Schon vergessen?"


"Danach hat er stundenlang mit mir geübt", ich spielte mit den Fingern, während ich gemeinsam mit meiner Mutter in Erinnerungen schwelgte, "du warst so sauer, weil wir erst nach Mitternacht nach Hause gekommen waren."

Sie schmunzelte. "Diese Standpauke wird dein Vater niemals vergessen."

Beide lachten wir laut auf, bei dem Gedanken daran, wie sie ihn durch das Haus gejagt hatte. Doch kurze Zeit später verstummte ihr Lachen und ihr Blick wurde ernst.

"Wir sind aber nicht hier um in Erinnerungen zu schwelgen, Yuriko." Damit brachte sie mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Schließlich musste ich mich endlich entscheiden. Würde ich mein Ende akzeptieren oder dagegen ankämpfen?
„Was willst du tun, Liebling?", fragte sie erneut, diesmal eindringlicher als zuvor.

Ich dachte darüber nach. Was genau konnte ich tun, war die Frage, die ich mir lange Zeit immer wieder gestellt hatte. Oft wurde ich von den Menschen um mich herum in Watte gepackt und aus jeglichem Schlamassel gerettet. Meine Unsicherheit verbarg ich in meiner Unvernunft, versteckte sie gekonnt unter der eifrigen Kunoichi, die immer an erster Front stand. Vorgegaukelter Mut. Damit hatte ich mich geschmückt, nur damit keiner die eigentliche Angst in mir entdecken konnte. Schwäche. Eine Eigenschaft, die ich mir nie zugestehen wollte. Doch Schwäche zu zeigen, bedeutete nicht unbedingt, dass man schwach war, oder?

"Weißt du...ich wüsste genau, dass Dad die Situation genau analysieren könnte. Er wüsste sofort, was er zu tun hätte. Jedem um mich herum, hätte ich in dieser Situation mehr vertraut als mir. Ich habe bisher immer den Fehler gemacht, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ich je so gut wie Dad oder Kakashi sein könnte, ob mein Sharingan je so mächtig sein würde, wie das von Sasuke oder ob ich je das Herzblut hätte, alles für meine Freunde und Familie zu geben, so wie Naruto es tut", ich sah sie an, "aber ich bin eben ich. Bisher dachte ich immer, das wäre etwas schlechtes. Doch eigentlich..." Ich musste eine Pause machen, um die Tränen runterzuschlucken, die sich schon wieder den Weg nach oben bahnten. "...ist es genau das Gegenteil."
Jetzt war es meine Mutter, die mit Tränen in den Augen vor mir stand.
"Ich bin so stolz auf dich, mein Schatz!"
Dass es erst meinen Beinahe-Tod gebraucht hatte, damit ich mich endlich mit meinen inneren Dämonen auseinandersetzen würde, war nicht gerade die Lösung, die ich mir vorgestellt hatte. Doch es schien das zu sein, was mein kleines, zerbrechliches Ich, dringend gebraucht hatte. Ich drückte die Hände meiner Mutter und sah sie an, erkannte, dass ihre Gestalt von Sekunde zu Sekunde immer mehr verblasste.
„Es ist Zeit Abschied zu nehmen, nicht wahr?", sagte ich wehmütig und schluckte den Kloß, der sich in meiner Kehle gebildet hatte, herunter. Ich würde dorthin zurückkehren, wohin meine Mutter mir nicht folgen könnte.

Auch ihr kamen die nächsten Worte nur schwer über die Lippen. „Ich werde immer bei dir sein. Vergiss das nicht, Yuriko!"



Als ich zu mir kam und die Augen aufriss, erkannte ich, dass ich nicht mehr auf dem steinigen Altar lag. Eine Welle der Erleichterung strömte durch mich hindurch, sobald ich erkannte, dass weder Madara noch ein anderes Aktsuki Mitglied hier waren. Ruckartig richtete ich meinen Oberkörper  auf, was einen stechenden Schmerz in meiner linken Bauchhälfte zur Folge hatte. Ich hatte nicht mal mitbekommen, dass ich verletzt worden war. Zu meinem Leidwesen musste ich feststellen, dass mein Oberkörper, von der Brust bis zu meinem Bauchnabel, bandagiert worden war. Beschämt darüber, dass ich halb nackt so dagelegen haben muss, suchte ich nach etwas, womit ich mich bedecken konnte. "Hier muss doch irgendwas sein", begann ich mit mir selbst zu reden, während ich weiterhin nach einem passenden Kleidungsstück Ausschau hielt. Ich erspähte eine Shinobi Weste auf einem Stuhl in der Ecke, also stand ich vorsichtig auf und nahm diese von der Lehne. Während ich diese nach etwas Brauchbarem durchsuchte, fiel es mir plötzlich auf. "Das ist nicht meine." Das Knarzen einer sich öffnenden Tür ließ mich zusammenzucken.

"Endlich bist du wach."

The LegacyWhere stories live. Discover now