66 - Ein unerwarteter Gast

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Kapitel 66 – »Ein unerwarteter Gast«


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»I'm out of touch, I'm out of love
I'll pick you up when you're getting down
And out of all these things I've done
I think I love you better now

I'm out of sight, I'm out of mind
I'll do it all for you in time
And out of all these things I've done
I think I love you better now, now«

Lego House – Ed Sheeran

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Als hätte das Wetter meine Gedanken gelesen, brachte der Montagmorgen einen nicht enden wollenden Schneeschauer über Seoul. Eigentlich eine Seltenheit für die zumeist trockenen Winter Südkoreas. So kam es auch, dass nicht von dem matschigen Weiß auf den Straßen liegenblieb, sondern alles nur in Bächen in die Rinnsteine floss. Ich bekam das Ganze nur aus der Ferne mit, denn ich hatte mich für den größten Teil des Tages in meinem Zimmer verbarrikadiert und starrte nun schon wieder viel zu lange sinnlos aus dem Fenster.

Jimin und unser gestriger Kuss waren allgegenwärtig in meinem Kopf und schoben sich mir in den Weg bei jeder Sache, die ich anzufangen versuchte. Es schien absolut nichts zu geben, was mich von den gestrigen Geschehnissen ablenken konnte, weswegen ich letztendlich einfach aufgegeben hatte, es zu versuchen. Mein Handy war dabei ohnehin absolut nutzlos, denn den ganzen Tag wurde ich schon mit Nachrichten von Jimin bombardiert. Ich hatte sie bisher nicht geöffnet...aus Angst, was ich darin lesen würde.

Vielleicht kam obendrauf auch noch ein wenig die Tatsache, dass ich eigentlich sauer auf ihn sein wollte. Sauer, weil er mich gestern genau zu diesem Zeitpunkt unter jenen Umständen an genau diesem Ort geküsst und zu Butter zerfließen hatte lassen. Ich wollte ihm eigentlich nicht verzeihen, dass dieser Moment, dank seiner dummen Platzierung, nun mit den fiesen Nachwirkungen von Angst und Scham einherging. Und ganz nebenbei wollte ich mir nicht eingestehen, dass ich mitunter einfach nur selbst schuld daran war, dass es soweit hatte kommen können.

Die einzige gute Sache heute war gewesen, dass Sohee – die ausnahmsweise mal wieder eine Nacht zuhause verbracht hatte – mich offensichtlich nicht erneut mit dem Thema bloßstellen hatte wollen. Yunhee war ohnehin schon früh in die Schule gegangen und so war jede Möglichkeit für sie ausgeblieben, mich weiter mit dem »mysteriösen Fahrer« zu nerven. Oh man, wenn sie nur wüsste... Wenn sie nur wüsste, dass sie dessen Stagenamen nur ein paar Atemzüge vor ihrer Fragerei in den Mund genommen hatte. Wenn sie nur wüsste, wo ich gestern Abend gewesen und was dort geschehen war...

Ich nahm mein Handy in die Hand und ließ den Sperrbildschirm aufleuchten, um einen Blick auf die Uhr zu werfen. Unter den großen Zahlen, die mir 19:46 anzeigten, reihten sich zahllose ungeöffnete Benachrichtigungen. Nicht nur Nachrichten von Jimin, sondern auch von Yoongi, Chaewon und Sohee, die um die Mittagszeit herum wieder von ihrem Management aufgesammelt worden war und sich noch auf der Arbeit befinden musste. Dazu kamen drei verpasste Anrufe.

Als hätte Jimin meine Gedanken gelesen, färbte sich in genau diesem Augenblick der Bildschirm und sein Name plus der rote und grüne Anrufbutton erschienen direkt vor mir, während das Gerät in meinen Händen zu vibrieren begann. Wie gebannt starrte ich darauf, während ein Summen nach dem anderen ins Land strich, ohne dass ich einen Finger rührte.

Eigentlich wollte ich gerne abnehmen und mit ihm reden. Alleine die Tatsache, dass er sich bei mir meldete, gab mir einen Hauch von Zuversicht. Doch auf der anderen Seite wusste ich nicht, ob ich es ertragen könnte, noch ein weiteres Mal enttäuscht zu werden. Dabei war dieser Gedanke so egoistisch, wenn man bedachte, dass ich Jimin viel mehr verletzt hatte, als er mich.

serendipity - ͏after all this time...Where stories live. Discover now