64 - Die Nostalgie, die uns verschlang

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Kapitel 64 – »Die Nostalgie, die uns verschlang«


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»Hold me down, hold me down
Throw me in the deep end, watch me drown
Knock me out, knock me out
Saying that I want more, this is what I live for«

Hold Me Down – Halsey

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»Aber Moonie, weißt du noch, als wir damals so klatschnass wurden an Jimins Geburtstag, wo uns das Gewitter im Seoul Forest überrascht hat?«, rief mir Taehyung quer vom anderen Ende des vollbesetzten Tisches entgegen. »In dem alten Rohr hat Yoongi-hyung sich fotografieren lassen für das Love-Yourself-Comeback letzten September. Und es war seine eigene Idee!«

Ich wusste nicht, wann es an diesem Abend dazu gekommen war, dass einer nach dem anderen begonnen hatte, in alten Erinnerungskisten herumzukramen, doch es störte mich seltsamerweise nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil: Es erzeugte ein wohliges Gefühl in meinem Inneren und ich musste nicht selten auflachen, wenn jemand wieder eine besonders witzige Anekdote aus vergangenen Zeiten auspackte.

»Ach, komm schon«, verteidigte sich Yoongi mit einem verzogenen Gesicht und einer abwehrenden Handgeste von der Couch im Wohnzimmer aus, auf der er sich schon vor einer Weile mit Namjoon niedergelassen hatte. »Es stand mit auf der Liste der möglichen Locations. Ich hatte da nicht viel zu melden.«

»Ich war letztens erst dort«, gab ich zu und schenkte ihm ein kleines Lächeln.

»Echt?«, platzte es aus Hoseok und er beugte sich weiter über den Tisch, um mich besser mit seinen Augen ins Visier nehmen zu können. »Warst du auch am alten Schwimmbad?«

»Nein«, erwiderte ich und musterte das Weinglas direkt vor mir. »Aber ich habe das Video gesehen, das ihr dort gefilmt habt.«

In diesem Moment wusste ich nicht mehr, ob das Gefühl in mir noch zur Nostalgie oder schon zum Wehleid zählte. Irgendwie hatten wir es den ganzen Abend geschafft, nicht auf die alte Ruine im Wald zu sprechen zu kommen, die so ein großes Monument unserer alten Freundschaft bildete. So viele Dinge verband ich mit diesem Ort: Das erste richtige Treffen mit Jimin und Taehyung, bei dem wir gegenseitig bei unseren Schulprojekten geholfen hatten und das Kennenlernen mit Yoongi. Das erste Date mit Jimin. Der erste Kuss mit Jimin. Und der Sex mit Yoongi, der mitunter eine meiner letzten Erinnerungen an das verfallene Schwimmbad bildete.

Ich fragte mich, ob die Ruinen uns längst vergessen hatten oder sich noch an uns erinnerten. Ob die Wandmalerei des farbenfrohen Waldes von Tae und Chaewon sich immer noch dort an den Beckenwänden befand oder längst von neuen Graffitis übersprüht worden war. Der Dreh des Prologue-Videos lag immerhin schon wieder ein paar Jahre zurück. Ebenso fragte ich mich, ob unsere Schwalben inzwischen dort lebten und eigene Nester gebaut hatten. Ob unsere Zigarettenstummel immer noch dort in den Rillen der alten Steinplatten vor sich hingammelten. Ob die Papierflieger eins mit der Erde im Schwimmbecken geworden waren und inzwischen in den warmen Monaten Blumen aus ihnen blühten.

»Es war echt komisch damals, dorthin zurückzukehren«, unterbrach Jimin meine abdriftenden Gedanken. »Es war kompletter Zufall, dass unsere Agentur sich genau diesen Ort für den Dreh des On-Stage-Prologs ausgesucht hat.«

»Wir waren natürlich alle still und haben nichts gesagt«, zwinkerte mir Taehyung mit einem Grinsen zu. »Ich glaube, das hätte denen nicht so zugesagt, wenn sie gewusst hätten, dass wir da in der Traineezeit schon den Öfteren gewesen sind.«

serendipity - ͏after all this time...Où les histoires vivent. Découvrez maintenant